Mit dem EV6 GT zeigt Kia, was Sache ist. Das Top-Modell der Koreaner überzeugt mit 800 Volt, 585 PS und nahezu narrensicherem Handling.
Kia hat in den vergangenen Jahren einen bemerkenswerten Aufstieg hingelegt. Aus der einstigen Low-Budget-Marke ist einer der härtesten Konkurrenten für die europäischen und japanischen Autogiganten geworden. Mittlerweile wildern die Südkoreaner sogar im Revier von Tesla – dank der konzerneigenen Plattform E-GMP, auf dem auch der Konzernbruder Hyundai Ioniq 5 steht, nehmen sie bei reinen Elektrofahrzeugen eine technologische Führungsrolle ein. Auch die wohl mindestens 70.000 Euro teure neue Spitzenversion der EV6-Baureihe, der 585 PS leistende GT, kann dank seines 800-Volt-Bordnetzes den 77,4 kWh großen Akku theoretisch in 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent laden.
Optisch zeigen sich schon die bürgerlichen Varianten ziemlich offensiv. Das Design mag nicht jedem gefallen, der Mut scheint von der Käuferschaft aber belohnt zu werden. Seit dem Marktstart im vergangenen Herbst hat der Autobauer allein in Europa 24.500 Einheiten des EV6 abgesetzt. Ab November kommt nun also der GT. Offiziell als klassischer Gran Turismo. Der knapp 4,70 Meter lange Fünfsitzer ist nämlich nicht nur schnell – sondern verfügt zumindest theoretisch mit 424 Kilometern auch über eine ausreichende WLTP-Reichweite für längere Strecken.
Schalensitze und ein neongelber Knopf
Da das Grundmodell EV6 schon ziemlich extrovertiert auftritt, hat sich Kia bei der GT-Version mit weiterer Sportschminke zurückgehalten. 21 Zöller, neongelbe Bremssättel, eine stärker akzentuierte Motorhaube sowie ein markanterer Diffusor grenzen die Sportversion äußerlich vom Standard-EV6 ab. Innen gibt es Schalensitze und einen neongelben Knopf am Lenkrad, mit dem der GT-Modus aktiviert wird.
Mit 585 PS fällt die GT-Version gleich um 260 PS stärker aus als die zweitstärkste Motorisierung EV6 AWD. Beide Varianten verfügen zwar über das gleiche Antriebslayout mit jeweils einem Elektromotor an beiden Achsen, bei der GT-Version gibt die hintere Maschine aber deutlich mehr Leistung ab. Der Unterschied ist in der Praxis beeindruckend: Mit der geballten Wucht beider Motoren sprintet der Fünfsitzer in 3,5 Sekunden von Null auf Hundert und erreicht Tempo 260. Beim normalen EV6 ist schon bei 185 Schluss.
Schon im Sportmodus lässt das elektronisch gesteuerte Dämpfersystem selbst in sehr schnell genommenen Kurven nahezu keine Seitenneigung und kaum Wankbewegungen zu. Gleichzeitig sorgt ein elektronisches Sperrdifferenzial dafür, dass die Räder mit dem meisten Grip mit besonders viel Leistung versorgt werden. Auch im GT-Modus werden die Passagiere nicht über Gebühr malträtiert. Das Handling kann getrost als narrensicher bezeichnet werden. Im Drift-Mode, der nur im GT-Modus zur Verfügung steht, kann das Heck spielend leicht zum Auskeilen gebracht werden.
Standard-Lenkrad passt nicht in ein Sportauto
Obwohl der EV6 GT insgesamt sehr ausgereift wirkt, könnte die grundsätzlich exakte, geschwindigkeitsabhängige Lenkung mehr Rückmeldung bieten. Auch passt das Zweispeichen-Lenkrad aus dem Standard-EV6 nicht wirklich in ein sportliches Auto. Das Volant wirkt nicht nur klobig, sondern verdeckt bei stärkerem Lenkeinschlag auch die Sicht auf die Anzeigen.
Zudem dauert es recht lange, eine angenehme Sitzposition zu finden. Dass Kia vermutlich aus Kostengründen selbst in der Topversion auf eine elektrische Sitzeinstellung verzichtet hat, macht es nicht einfacher. Die Verarbeitung ist zwar gut, die Koreaner setzen aber selbst im oberen Bereich der Türverkleidungen auf schnödes Hartplastik.
Ursprünglich hatte Kia für den GT übrigens einen Basispreis von 65.990 Euro angekündigt, die Serienversion dürfte angesichts der gestiegenen Rohstoffpreise nun aber deutlich teurer werden. Vermutlich wird es jetzt erst jenseits der 70.000 Euro-Marke losgehen. (SP-X)