Der Kia EV3 ist das jüngste Elektromodell der Koreaner. Der kompakte Stromer hinterlässt bei den Testfahrten im nächtlichen Seoul einen guten Eindruck – nur ein Aspekt könnte deutlich besser sein.
Kia hat bei der Elektromobilität hohe Ziele. Der koreanische Autobauer will seine Elektropalette bis 2027 auf bis zu 15 Modelle erweitern. In Deutschland waren die Asiaten zuletzt mit drei E-Modellen präsent: dem EV6, EV9 und dem Niro EV.
Letztgenanntes Modell befindet sich indes in der Auslaufphase. Ihm folgt in diesen Wochen der EV3. Für Kia, sagt Spencer Cho, sei der EV3 eines der ganz wichtigen Modelle. Mit ihm biete man seinen Kunden ein erschwingliches Elektroauto mit hoher Reichweite, sagt Cho. Ihn treffen wir am Rande der Fahrpräsentation in Seoul zum Gespräch. Cho ist beim Autobauer Head of Global Business Planning. In Deutschland wird der neue Stromer der Koreaner seit dem Bestellstart am 7. August für einen Einstiegspreis von 35.990 Euro angeboten. Ist so etwas erschwinglich? Cho findet ja – und verweist dabei auf die hohe Reichweite des EV3 von bis zu 605 Kilometer. Die ist indes nur mit der großen, 81,4 kWh starken Batterie erreichbar. Dafür werden dann aber auch schon 41.390 Euro fällig.
Kia EV3 kleiner Bruder des EV9
Das ist viel Geld – doch dafür bekommt man auch viel Auto. Das Design ist progressiv, modern, aber nicht polarisierend. Mit dem EV3 fällt man auf – und das im positiven Sinne. Die Proportionen des 4,30 Meter langen, 1,85 Meter breiten und 1,56 Meter hohen Stromes sind stimmig. Die Front wird durch das markentypische „Tigergesicht“ bestimmt: durch die vertikal und horizontal positionierten Scheinwerfer wird es nochmals betont.
Die Seitenlinie fällt leicht zum Heck ab, wo die Rückleuchten bis unter die Heckscheibe reichen und so den kraftvollen Ausdruck des als kleinen Bruder des EV9 geltenden EV3 unterstreichen.
Im Innenraum des Fünfsitzers gibt es für die Passagiere ausreichend Platz – und das auch für die Mitreisenden im Fond. Der Kofferraum bietet übrigens ein Fassungsvermögen von satten 460 Litern, hinzu kommen noch einmal 25 Liter im Frunk. Die hell gestalteten Materialien in unserem Testwagen schaffen Wohlfühlatmosphäre, wobei der Innenraum durch ein großes Panoramadisplay bestimmt wird: es beinhaltet zwei 12,3 Zoll große Bildschirme für das Kombidisplay und einen 5,3 Zoll großen Touchscreen für die Klimaanlage.
Beibehaltung von Tasten
Damit nicht jede Funktionalität über das Display aufgerufen werden muss, hat Kia erfreulicherweise Tasten beibehalten – und das ausgesprochen formschön. Sie befinden sich unterhalb des Panoramadisplays und mit ihnen kann man beispielsweise das Menü, die Navigationskarte, Media und weitere Funktionen aufrufen. Die wichtigsten Funktionalitäten können zudem über die Lenkradtasten angesteuert werden.
Gelungen ist die Konnektivität im EV3. So wird beispielsweise je nach Konfiguration am rechten Rand des Displays das Fahrzeug in seiner derzeitigen Fahrspur mit dem Abstand zu dem neben einem stehenden oder fahrenden Fahrzeugs angezeigt. Daneben wird je nach Fahrsituation auch die gesamte Fahrbahn von den Kameras aufs Dsiplay projeiziert – und das auch bei Nacht in scharfer Darstellung. Ein netttes Feature ist auch die Anzeige der auf den Mautstraßen im Seoul anfallenden Gebühren in einem Pop Up-Fenster nach dem durchfahren der Toll-Station.
Ein nettes Feature haben sich die Interieur-Designer auch für die Mittelkonsole einfallen lassen. Hier gibt es einen kleinen ausfahrbaren Tisch: Bei Ladestopps kann hier beispielsweise das Tablett oder schlicht der Kaffeebecher abgestellt werden. Kleines Manko: es fehlt eine umrundete Kante; sie hätte dem Tisch gut getan.
Vorerst nur mit Frontantrieb
Doch kommen wir zu den Fahrleistungen des EV3, der auf der Plattform E-GMP (Electric Global Modular Plattform) basiert. Angeboten wird der kompakte Stromer zunächst nur mit Frontantrieb und einer Leistung von 204 PS. Eine Allradversion soll später folgen. Wir waren mit der Long Range-Batterie unterwegs, die übrigens auf der vierten Batteriegeneration basiert – sich durch ihre Effizienz auszeichnet. Mit 17 Zoll-Leichtmetallfelgen soll sie sich nach WLTP mit einem Verbrauch von 16,2 kWh/100 Kilometer begnügen. Nach unseren Testfahrten zeigte der Bordcomputer am Ende einen guten Verbrauchwert von 17,7 kWh an – und das bei größeren Rädern.
Und wie schlägt sich der EV3 mit Blick auf die Dynamik? Ordentlich, sehr ordentlich sogar. Mit einem Drehmoment von 283 Nm ist für einen kraftvollen Antritt gesorgt. Auch mit Blick auf seine Sprintfähigkeit hinterlässt der EV3 einen guten Eindruck: 7,7 Sekunden (7,5 Sekunden mit kleiner Batterie) vergehen bis Tempo 100 und die Höchstgeschwindigkeit liegt bei ausreichenden 170 km/h an.
Wenn es denn etwas zu kritisieren gibt, dann ist es die Traktion. Bei flotterer Gangart und bei feuchter Straße müht sich der EV3 doch etwas, die Kraft auf die Straße zu bringen. Die durchdrehenden Räder werden aber schnell wieder von den Systemen eingefangen. Nach meinem Geschmack könnte die Lenkung für eine bessere Rückmeldung etwas direkter abgestimmt sein. Aber das ist klagen auf hohem Niveau. Ansonsten gibt das straff, aber nicht unkomfortabel abgestimmte Fahrwerk keinen Anlass zur Kritik. Damit erweist sich der EV3 – gerade in der Long Range-Variante – als geeigneter Reisegefährte auch für die Langstrecke.
Ladegeschwindigkeit könnte höher sein
Wenn es denn etwas gibt, was optimiert werden müsste, dann ist es die Ladegeschwindigkeit. Sie liegt beim kleineren Akku bei gerade einmal 101 kW bzw. bei 128 kW. Hier ist der EV3 im Wettbewerbsumfeld nur zweiter Sieger. Die Ladezeit von 10 auf 80 Prozent beträgt für die größere Batterie übrigens 31 Minuten (29 Minuten beim kleinen Akku). So schlecht ist das dann nicht ist – auch weil die Ladekurve sehr stabil ist. Beim Ladestopp in der City von Seoul zeigte die Säule bei einem SOC von 63 Prozent bis 72 Prozent einen stabilen Wert von 127 kW, der zwischenzeitlich sogar auf 130 kW stieg.
Kia-Manager Cho sieht in der Ladeleistung indes keinen Nachteil für den EV3. Er verweist auf die hohe Reichweite und die Ladezeit. Doch warum hat man wie beim EV6 und EV9 nicht auch beim EV3 auf 800 Volt gesetzt? Dass hätte Kostengründe gehabt, so Cho. Mit 800 Volt hätte man den EV3 schlicht nicht für diesen Preis anbieten können. Mit einer verbesserten Ladeinfrastruktur würde sich das Thema Reichweite und Ladeleistung sich zudem weiter relativieren, so der Manager. Nun bleibt abzuwarten, ob die Kunden die Ladeleistung als Kaufhindernis sehen.
Wie dem auch sei: mit dem EV3 bringt Kia in diesen Wochen ein attraktives Fahrzeug auf den Markt. Im hart umkämpften Wettbewerbsumfeld beispielsweise mit einem Volvo EX30, Smart #1 oder dem Skoda Elroq wird er sich auf jeden Fall seinen Platz sichern. Wer von Kia ein günstigeres Auto als den EV3 erwartet, der muss sich noch etwas gedulden. Der EV2 soll in 18 Monaten kommen. Sein Preis, so sagt Kia-Präsident Hu Sung Song, soll sich im Bereich von 30.000 Euro bewegen.