Jeep Gladiator: Einer für Individualisten

Jeep Gladiator: Einer für Individualisten
Der Jeep Gladiator ist ein Auto für diejenigen, die es als Arbeitsgerät brauchen. © Axel F. Busse

Zurück in die Zukunft ist manchmal gar kein schlechtes Konzept. Und so hat Jeep dem 1988 verblichenen Modell Gladiator eine Neuschöpfung folgen lassen.

Ob dieser Pick-Up in Deutschland reüssieren kann, muss sich aber noch erweisen. Als Zwitter aus Pkw und Nutzfahrzeug haben sich Pick-Ups auch hierzulande inzwischen etabliert, doch der neue Jeep Gladiator sticht in diesem Segment deutlich heraus.

Mit fast 5,60 Metern Länge überragt er selbst den Ford Ranger um mehr als 30 Zentimeter. Sein Name klingt nach Kraft und Selbstbehauptungswillen, doch es ist eine historische Tatsache, dass den Gladiatoren meist kein allzu langes Leben beschieden war. Um einen ruhmreichen Untergang zu vermeiden, wie ihn Mercedes mit der X-Klasse oder der Fiat Fullback erlebten, hat sich Jeep für seinen Gladiator einiges einfallen lassen.

Wrangler als Ausgangsmodell

Ausgangsmodell für den Geländewagen mit offener Ladefläche ist das Modell Wrangler, dessen erste Generation 1987 auf den Markt kam und der die Kernwerte der Marke auch optisch heute am ehesten widerspiegelt. Der vordere Teil des Gladiators ist nahezu identisch mit dem des Wranglers, so dass es durch sieben Kühlerlamellen, zwei Rundscheinwerfer und weit außenstehende Kotflügel keine Gefahr für die Unverwechselbarkeit der Erscheinung gibt. Hinter der großzügig dimensionierten Doppelkabine ist noch Platz für eine 1,5 Meter tiefe Ladefläche.

Beschränkt aufs Wesentliche: das Cockpit des Jeep Gladiator. Foto: Axel F. Busse

Für den Vortrieb sorgt ein knorriger V6-Diesel von VM-Motori mit 264 PS. Das Getriebe ist automatisch, aber der Allradantrieb wird nach traditioneller Art mittels eines Extra-Hebels aktiviert. Der Testwagen wog mit ¾-Tankfüllung 2440 Kilo, so dass es nicht überrascht, dass ein Durchschnittsverbrauch von unter zehn Litern nur im Heckantriebsmodus erreichbar war. Der Hersteller geht von optimistischen 8,8 Litern/100km im kombinierten NEFZ-Verbrauch aus. Das Triebwerk geizt nicht mit akustischer Fahr-Untermalung und klingt auch dann recht hochtourig, wenn der Drehzahlmesser gerade mal 1800 Umdrehungen im achten Gang zeigt. Ab etwa 90 km/h übertönen die Windgeräusche der kantigen Karosserie das Brummen.

600 Nm Drehmoment

Seinen herzhaften Antritt verdankt der Lifestyle-Laster kernigen 600 Newtonmetern Drehmoment und mit 8,7 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h dürfte er nicht nur auf der Schotterpiste so manche Familien-Limousine abhängen. Wenn der Gladiator bei knapp 180 Stundenkilometern seine Top-Speed erreicht, wird sie ihn wohl aber wieder eingeholt haben.

Allradantrieb nebst Sperrdifferential sorgen für die erwartete Bewegungsfreiheit in schwierigem Terrain, denn immerhin gehört der Wrangler zu den radikalsten Offroadern. Die Limits für den Gladiator werden durch seine besondere Bauweise gesetzt: Fast 3,49 Meter Radstand und ein extralanger hinterer Überhang schmälern die Werte von Böschungs- und Rampenwinkel.

Open-Air-Feeling vom Feinsten

In der Kabine geht es überraschend wohnlich zu, auch wenn Möblierung und Bedienelemente markengemäß rustikal daherkommen. Besonders die Lederpolster (+2190 Euro inkl. Winterpaket) verströmen einen Hauch von Luxus, der sogar unter freiem Himmel genossen werden kann. Als einziger Pick-Up bietet der Gladiator seinen Insassen das uneingeschränkte Gefühl von Freiheit und Abenteuer, indem die Frontscheibe im 90-Grad-Winkel auf die Motorhaube geklappt, die Türen sowie drei Dachelemente abgenommen werden können. Mit diesem einzigartigen Open-Air-Feeling ist es wie mit Sport-Boliden, die 300 km/h und mehr laufen: Man(n) kann es nutzen, muss es aber nicht.

Viel nützlicher für die tägliche Praxis und wohl auch als Rechtfertigung sinnvoll für den knackigen Basispreis von 73.000 Euro sind die Ausstattungs-Merkmale, die der Gladiator ab Werk mitbringt: Aluräder und Trittbretter, ein wohlklingendes Soundsystem mit Uconnect-Anbindung, Navigation und 8,4-Zoll-Touchscreen, elektrisch einstell- und beheizbare Außenspiegel, elektrische Fensterheber (automatisch leider nur im Abwärtsmodus vorn), Klimaautomatik und Tempomat, Park-Sensoren vorn und hinten, LED-Scheinwerfer mit Auto-Fernlicht, Toter-Winkel-Assistent, Sitzheizung vorn und Funk-Fernbedienung für die Türschlösser. Der Tankdeckel darf freilich manuell und mit Schlüssel entriegelt werden.

Euro-Palette passt nur längs

Der Jeep Gladiator hat einen recht großen Wendekreis. Foto: Axel F. Busse

Die erstklassigen Voraussetzungen zum Sehen und gesehen werden wird eine gewisse Klientel hoch schätzen und deshalb wohl nur wenig daran zu mäkeln haben, dass der Gladiator in der Disziplin Nutzlast gegenüber anderen Pick-Ups das Nachsehen hat. Die Euro-Palette passt nur längs zwischen die Radkästen (wo 1,14 Meter Platz ist), die Ladung darf nicht mehr als 585 Kilogramm wiegen, wenn sie erst einmal über die 88 Zentimeter hohe Ladekante gewuchtet ist. Immerhin sind 2,7 Tonnen gebremste Anhängelast möglich. In der Kabine bleiben den vorderen Insassen bei geschlossenen Türen knapp 1,4 Meter Sitzbreite.

Den speziellen Charme eines Jeeps in einen Pick-Up zu kleiden, ist hierzulange sicher ein Wagnis. Kunden mit ausgeprägtem Hang zum Individualismus, die zum Beispiel ihr Quad an jeden Strand bugsieren möchten, werden auch die 14 Meter Wendekreis nicht schrecken. Wer bei einer offenen Ladefläche zuerst den Nutzen in Blick hat, sich aber wohl eher woanders umsehen.

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Axel F. Busse
Axel F. Busse ist gelernter Redakteur, sein kommunikations-wissenschaftliches Studium absolvierte er an der FU Berlin. Nach Tätigkeiten bei Tageszeitungen, wo er sich mit Auto- und Verkehrsthemen beschäftigte, arbeitet er seit 2003 als freier Autor ausschließlich in diesem Bereich. Außer für die Autogazette schreibt er für verschiedene Online- und Printmedien.

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