Es sind Geschichten, die müssen erzählt werden. Die des Jaguar I-Pace ist so eine. Als Wolfgang Ziebart die Idee zum ersten rein elektrischen Jaguar hatte, ging er damit zu seinem Chef Ralf Speth – und der war begeistert. Speth musste nicht lange überlegen – und gab das Go zu diesem Auto.
Ziebart, der Speth aus gemeinsamen Zeiten bei BMW kannte, sammelte 100 Entwickler um sich und zog mit ihnen in Räume der Universität Warwick. „Wir haben mit einem weißen Blatt Papier begonnen“, erinnert sich Ziebart, der damals Entwicklungschef beim britischen Autobauer war.
„Für mich und viele meiner Kollegen war die Entwicklung des I-Pace eine der spannendsten Aufgaben in unserer beruflichen Laufbahn“, sagt Ziebart und schaut zufrieden aus, als er das am Rande der Fahrpräsentation des I-Pace in Portugal berichtet.
Jaguar lässt Audi und Co alt aussehen
Zur Zufriedenheit hat Ziebart auch allen Grund. Denn mit dem I-Pace hat Jaguar die versammelte deutsche Premiumkonkurrenz alt aussehen lassen. Denn wenn man die Kunden gefragt hätte, welcher europäische Premiumhersteller als Erstes ein Elektroauto auf den Markt bringen wird, dann wären nur die wenigsten auf die Marke Jaguar gekommen.
Gut, Erster zu sein ist allein noch kein Garant für einen Erfolg. Um die Kunden zu überzeugen, muss das Gesamtkonzept stimmen. Doch das tut es. Mehr noch. Der I-Pace begeistert – an ihm müssen sich Audi und Co nun messen lassen. Der Vergleich mit der deutschen Premiumkonkurrenz lässt indes noch etwas auf sich warten: denn während der I-Pace im August zu einem Preis von 77.850 Euro auf den Markt kommt, wird der Audi e-tron erst Ende des Jahres zu den Händlern rollen.
Bis dahin gibt es für den I-Pace nur einen Konkurrenten: das Tesla Model X. Doch der ist weitaus teurer (ab 91.250 Euro). Entsprechend befindet sich der I-Pace in einer guten Ausgangsposition: er kann die Kunden von seinen Vorzügen überzeugen, ohne sich der direkten Konkurrenz eines e-tron oder eines Mercedes EQC stellen zu müssen. Die Schwaben schicken ihr erste E-Auto sogar erst kommendes Jahr an den Start.
I-Pace bietet ausreichend Platz auf Rückbank
Doch zurück zu den genannten Vorzügen: von ihnen hat der I-Pace eine Menge: Er sieht nicht nur gut aus, sondern bietet mit seiner Länge von 4,68 Metern und einem Radstand von fast drei Metern den Passagieren auf der Rückbank ausreichend Platz. So können dort auch Mitfahrer mit einer Körpergröße von 1,91 Meter bequem sitzen – selbst dann, wenn ihnen ein Sitzriese Platz genommen hat. Das ist alles wirklich gut gemacht. Das trifft auch auf den wertigen Eindruck des Innenraums zu. Da gibt es bezüglich der Optik und Haptik nichts zu meckern: das stellt selbst anspruchsvolle Zeitgenossen zufrieden. Der Kofferraum bietet Raum für stattliche 656 Liter Gepäck.
Aber noch besser wird es, wenn man die ersten Testkilometer im I-Pace hinter sich gebracht hat. Das Lächeln und die Zufriedenheit über die Fahrleistungen mögen dann aus dem Gesicht gar nicht mehr weichen. Eine Leistung von 400 PS und ein maximales Drehmoment von 696 Nm lassen sich ebenso sehen wie eine Beschleunigung von 4,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Dort, wo andere Hersteller die maximale Höchstgeschwindigkeit eingrenzen, kann man im I-Pace bis zu 200 km/h schnell sein. Dass man dies angesichts der dann rapide abnehmenden Reichweite der Batterie nicht allzu lange tun sollte, versteht sich von selbst. Doch was wichtig ist: Wer will, der kann im I-Pace auch mal so richtig auf sportlich machen.
Beeindruckend ist beim I-Pace übrigens der Umstand, dass man ihn quasi ohne Betätigung der Bremse fahren kann. Nimmt man den Fuß vom Gaspedal, bremst er derart stark ab, dass man den Tritt aufs Bremspedal schlicht vergessen kann. Dieses One Pedal-Driving kennt man bereits vom BMW i3 und dem Nissan Leaf. Die Stärke der Rekuperation lässt sich übrigens per Tastendruck in zwei Stufen einstellen.
Auf Rennstrecke und Offroad beeindruckend
Auf der Rennstrecke in Portimao jedenfalls hinterließ der I-Pace einen ebenso guten Eindruck wie auf der Hinfahrt vom Flughafen an den Circuit über 122 Kilometer. Dabei führte uns die Strecke nicht nur über die Autobahn, sondern Jaguar hatte auch einen Offroadkurs vorbereitet. Der I-Pace und Offroad? Ja, das geht. Besser als man denkt.
Er kraxelte nicht nur mühelos steile Auffahrten mit seinem serienmäßigen Allradantrieb hinauf, sondern fuhr sie in entgegengesetztes Richtung inklusive tiefer Wasserfahrten auch wieder zurück. Der I-Pace ist damit nicht nur ein SUV für die Stadt (auch wenn man ihn dort vor allem sehen wird), sondern er wird seinem Namen auch im Gelände gerecht. Das kann man nicht von jedem SUV behaupten.
Und, wie schaut es mit der Reichweite aus? Sie wird mit 480 Kilometer angeben. In der Praxis muss ist dies indes – wie bei anderen E-Autos – nur ein theoretischer Wert. Während der Testfahrten lag der Verbrauch – auch aufgrund des Streckenprofils mit hohem Autobahnanteil – teils eineinhalb mal so hoch wie die auf dem Kilometerzähler zurückgelegte Distanz. Aber wie immer hängt vieles vom Fahrstil desjenigen ab, der hinter dem Steuer Platz genommen hat. In der Praxis dürfte eine Reichweite von 400 Kilometer realistisch sein.
In 40 Minuten 80 Prozent Batterie aufladen
Ist die 90 kWh starke Batterie mit seinen 432 Lithium-Ionen-Pouch-Zellen leer, dauert es übrigens an einer 100 kW starken Ladestation 40 Minuten bis sie zu 80 Minuten wieder aufgeladen ist. Eine stärke Ladeleistung und damit Verkürzung der Ladezeit ist vorerst nicht geplant. Doch dem Erfolg des I-Pace wird das kaum im Wege stehen. Denn Jaguar ist mit seinem Premium-SUV ein überzeugender Wurf gelungen. Die versammelte deutsche Premium-Konkurrenz wird sich ab August an dem Jaguar I-Pace messen lassen müssen.