Die Erwartungen an die Testfahrten mit dem Ioniq 5 sind hoch. Schließlich fährt das Elektroauto mit einer 800 Volt-Architektur vor.
So etwas kennt man sonst nur aus dem Premiumsegment wie bei Fahrzeugen wie dem Porsche Taycan oder Audi e-tron GT. In der Mittelklasse ist so etwas die Ausnahme, sieht man einmal vom Kia EV6 ab, dem Schwestermodell des Ioniq 5.
Diese Technologie sorgt unter anderem dafür, dass ein Stromer mit 800 Volt schneller lädt als einer mit 400 Volt. Ein Faktor, der für immer mehr Elektroautofahrer – gerade solche, die häufig auf der Langstrecke unterwegs sind – ein entscheidendes Kriterium ist.
Ioniq mit 220 kW Ladeleistung
So verspricht der von uns getestete Ioniq 5 mit der 72,60 kWh starken Batterie und einer Leistung von 217 PS auf dem Papier eine Ladeleistung von bis zu 220 kW. Dass bedeutet, dass er die Batterie von 10 auf 80 Prozent an einem Schnelllader mit 50 kW in gerade einmal 57 Minuten Minuten lädt, an einer HPC-Ladestation mit 350 kW sollen es gerade einmal 18 Minuten sein.
Doch wie immer, wenn es um die E-Mobilität geht, gilt es genauer hinzuschauen, wenn es um Reichweiten und Ladezeiten geht. Schließlich hängt beides von verschiedenen Faktoren ab wie beispielsweise der Fahrweise, dem Streckenprofil oder eben den Außentemperaturen. Und die bewegen sich im Winter nun einmal nahe dem Gefrierpunkt oder halt häufig auch darunter. Doch Minusgrade mögen Batterien nun gar nicht.
Versprechen wird nicht gehalten
Zwar kann eine Wärmepumpe oder die Vorkonditionierung der Batterie diesem Problem entgegenwirken, doch am Ende bleiben die Erfahrungen, die E-Autofahrer in dieser Jahreszeit machen, eher ernüchternd. Dass, was einem versprochen wird, wird (meist) nicht gehalten – und die Ladeinfrastruktur funktioniert nicht so, wie man sich das wünscht.
Bei unserem ersten Ladestopp an der E.ON-Ladestation an der Raststätte Avus gegenüber dem Berliner Funkturm gelang der Ladevorgang (natürlich bei Regen) erst nach einem Anruf bei der Hotline, dessen übrigens kompetente Mitarbeiterin die Station indes erst neu starten musste, ehe auch Strom floss.
Die Stimmung wurde dann auch nicht besser, lag die Ladeleistung doch weit entfernt von einem dreistelligen Wert: Bei einer Außentemperatur von sieben Grad und einem SOC (State of Charge) von 34 Prozent wurde die Batterien nur mit 67,4 kW geladen, viel besser wurde es auch nicht.
Laden von 35 bis 80 Prozent in 28 Minuten
Gut, man kann einwenden, dass man doch bitte nicht schon bei 35 Prozent zum Laden fährt, sondern erst bei zehn Prozent, damit der Ladevorgang schneller vonstatten geht. Doch wer sich bewusst für einen Ioniq 5 entscheidet, der tut dies auch wegen dem Versprechen einer kurzen Ladezeit.
Wer solche Erwartungen weckt, muss sie auch erfüllen, will er Kunden nicht enttäuschen. So gab der Bordcomputer für das Erreichen von 35 auf 80 Prozent eine Zeit von 28 Minuten an. Doch mit dem unerfüllten Reichweiten- und Ladetempo-Versprechen ist man bei den Koreanern nicht allein. Den Kundinnen und Kunden hilft dann der Verweis auch wenig, dass 90 Prozent aller Ladevorgänge an privaten Stationen durchgeführt werden, wo die Ladezeit nur eine nachgeordnete Rolle spielt.
Heckscheibenwischer vermisst
Doch kurz zurück zum Regen, der in unseren Breitengeraden auch nicht ganz so selten vor kommt wie Minusgerade im Winter: Dass die Entwickler auf einen Heckscheibenwischer verzichtet haben, erschließt sich nicht. Bei Regen lässt sich beim Blick aus der Heckscheibe nur erahnen, was sich hinter einem abspielt. Spätestens bei der nächsten Generation des Ioniq 5 sollte das nachgebessert werden. Gut, der Innenraum unser Testwagens (Basispreis 41.900 Euro) lässt wenig Wünsche aufkommen.
Aber das ist auch kein Wunder, fuhr unser Testwagen doch in der Ausstattungsvariante Unique (+12.900 Euro) vor. So unterwegs, gehören eine Vielzahl von Nettigkeiten wie beispielsweise ein Bose-Soundsystem, ein Head-up-Display mit Augmented Reality und etliche Assistenten wie ein Totwinkelwarner oder auch ein Parkassistent mit Fernbediengung zum Ausstattungsumfang. Das ist alles sehr nett, aber man kann es von einem Auto mit einem Preis von fast 55.000 Euro auch erwarten.
Knapp über 20 kWh Verbrauch
Die Passagiere finden in dem 4,64 Meter langen, 1,89 Meter breitem und 1,60 Meter hohen Ioniq 5 ausreichend Platz vor – und das auch auf der Rückbank. Da gibt es wenig zu kritisieren. Das trifft auch auf die Fahreigenschaften des Ioniq 5 zu, den wir mit Heckantrieb gefahren sind. Das Fahrwerk ist straff, aber nicht unkomfortabel und die Fahrleistungen lassen sich sehen. Bis Tempo 100 vergehen in diesem fast zwei Tonnen schweren Auto nur 4,7 Sekunden – und die Spitzengeschwindigkeit ist bei 186 km/h erreicht.
Und wie schaut es mit dem Verbrauch aus: Der wird nach dem Verbrauchszyklus WLTP mit 16,8 kWh angegeben, was entsprechend für eine Reichweite von 481 Kilometer reichen soll. Mit 20 Zoll-Rädern – die auch auf unserem Testwagen aufgezogen waren – liegen die Werte bei 17,9 kWh bzw. 451 Kilometer. Und wie sah es in der Realität aus: Hier zeigte der Bordcomputer 20,1 kWh an. Doch eine solche Abweichung kennt man auch von anderen E-Autos.
Aber wer weiß: Vielleicht legt der Ioniq 5 ja nun etwas bei der Performance an der Ladesäule zu. So bekommt er zum neuen Modelljahr einen 77 kWh starken Akku und einer Batteriekonditionierung. Damit soll dann auch bei Kälte eine hohe Ladeleistung erzielt werden. Die Kunden müssen darauf indes noch bis zur zweiten Jahreshälfte warten. Aber zum Glück wird es jetzt auch wieder etwas wärmer – und die Enttäuschung über die Ladeleistung des Ioniq 5 an einem Schnelllader dürfte damit abnehmen.