Der Honda Civic hat im Laufe von zehn Generationen seinen Charakter immer wieder geändert. In der aktuellen Ausgabe muss der eigentliche Kompaktklässler auch noch die Aufgaben der eingestampften Mittelklasse erfüllen.
Der Civic ist ein echter Dauerbrenner. Vorgestellt erstmals 1972 (in Japan), kam er zwei Jahre später nach Deutschland, ist also hierzulande seit 43 Jahren erhältlich. Wenn Sie dies jetzt überrascht, liegt das wahrscheinlich daran, dass dieser Honda wie kaum ein anderes Pkw-Modell immer mal wieder seinen Charakter geändert hat: mal war er Kleinwagen, mal ernsthafter Kompakter, mal verspielter Draufgänger.
Seit März ist nun die zehnte Generation am Start, die das überdrehte Design des Vorgängers innen wie außen nun wieder in Richtung Normalität zurückschraubt – obwohl er sich von konventionelleren Vertretern seiner Fahrzeugklasse immer noch deutlich unterscheidet.
Dünnes Motorenangebot für den Honda Civic
Seiner Fahrzeugklasse? Genau genommen müsste man da erst einmal festlegen, welchem Segment man dem Civic eigentlich zuordnen kann. Denn mit seiner Länge von stolzen 4,52 Metern – 16 (!) Zentimeter mehr als beim Vorgänger – sprengt der Fünftürer die Kompaktklasse, ohne allerdings das Format einer durchschnittlichen Mittelklasse zu erreichen. Den Interessenten oder gar Käufer mag dies irritieren, passt der Civic doch damit in keine Schublade und entzieht sich somit natürlich auch ein Stück weit dem direkten Vergleich mit Wettbewerbern, ob einem Opel Astra (4,37 Meter) in der Kompaktklasse, oder einem - sagen wir mal - Toyota Avensis (4,75 Meter) in der Mittelklasse. Der Grund: Honda hat den Accord in Europa eingemottet, der Civic soll ein Stück weit auch dessen Fans bei der Stange halten.
Allerdings weist ihn sein Schrägheck dann letztlich doch als einen groß geratenen Vertreter der Golf-Klasse aus. Anders als die Bestseller in dieser Klasse ist das Angebot an Motoren allerdings dünn. Zurzeit werden gerade mal zwei Antriebe offeriert, von denen der kleinere Turbo zwar 95 kW/129 PS leistet, aber mit seinen drei Zylindern und einem kümmerlichen Literchen Hubraum für ein solch großes Auto letztlich doch zu unsouverän ist. Wir orderten daher den 1,5-Liter-Vierzylinder, also auch nicht gerade ein Kubikwunder, der allerdings mit 134 kW/182 PS schon sehr ordentlich motorisiert ist.
Gute Platzverhältnisse im Honda Civic
Und Antriebe, das konnten die Ingenieure bei Honda schon immer. Der Turbomotor entwickelt ein Drehmoment von bis zu 240 Newtonmetern, was einen jetzt nicht vom Hocker reißt. Aber es liegt von 1700 bis 5500 Umdrehungen ständig an und lässt den Fahrer lässig surfen. Kombiniert mit dem schön abgestuften Sechsgang-Handschalter – vom ebenfalls angebotenen CVT-Getriebe für 1300 Euro Aufpreis raten wir ab – und einem knackigen Fahrwerk erfüllt der Civic die Erwartungen, die man ja immer noch mit der eher sportlichen Marke Honda verbindet. Besonderes Lob verdiente sich der Benziner auch mit seinen recht zurückhaltenden Trinksitten. Knapp sieben Liter konsumierte der Ottomotor und damit nur rund einen mehr als angegeben. So gering war die Differenz zwischen Norm und Realität bei einem Antrieb dieser Bauart in unseren Tests schon lange nicht mehr.
Ein weiterer Vorteil, der sich aus dem exorbitanten Wachstum von Generation 9 zu 10 ergibt ist das Platzangebot. Gerade hinten sitzt man ausgesprochen großzügig und der Kofferraum sprengt mit einem von 420 auf 1200 Liter erweiterbaren Volumen erwartungsgemäß den Kompaktklasse-Rahmen.
Honda Civic ohne Kombi und Magic Seats
Auf der Minusseite des Civic verbuchen wir neben der knappe Motorenauswahl, die kommenden März immerhin mit einem 120-PS-Diesel ergänzt wird, die immer noch polarisierende Optik und den ersatzlos gestrichenen Kombi. Schade auch, dass die sogenannten „Magic Seats“, also die wie in einem Kino hochklappbare Sitzfläche, in der neuen Generation gestrichen wurde. Hier geht eine echte Besonderheit verloren.
Wer sich die Preisliste des Civic anschaut, wird vielleicht zunächst schlucken. Bei 20.000 Euro startet diese und das für den Dreizylinder in Basisversion. Unser Testwagen mit dem größeren Aggregat und der zweitbesten Ausstattung Sport Plus kam sogar auf 30.520 Euro. Die hohen Preise werden vor allem durch das umfangreiche Paket an Assistenzsystemen gerechtfertigt. Schon im Basismodell sind ein automatischer Abstandshalter mit Verkehrszeichenerkennung, der mit einem intelligenten Geschwindigkeitsbegrenzer selbsttätig auf die Einhaltung der Tempolimits achtet, ein aktiver Spurhalteassistent mit Lenk- und Bremseneingriff, Berganfahrhilfe, Fernlichtassistent sowie ein Kollisionswarnsystem mit aktivem Bremseingriff und Fußgängererkennung inklusive. Der gut ausgestatte Testwagen hatte zudem noch einen Ausparkhelfer, der beim Rückwärtsfahren aus einer Parkbucht vor querendem Verkehr warnt, eine Rückfahrkamera und einen Toter-Winkel-Assistent an Bord.
Der neue Honda Civic mag also zwar nicht so recht wissen, ob er Kompakter oder Mittelklässler sein will – ein sicheres und dazu noch hervorragend verarbeitetes und mit einem tollen Motor versehenes Auto ist er aber allemal. (SP-X)