Honda Civic Type R: Fast and Furios

Japaner polarisiert

Honda Civic Type R: Fast and Furios
Der Honda Civic Type R auf der Rennstrecke. © Honda

Dieses Auto polarisiert: Die einen fahren auf das Design des Honda Civic Type R ab, für die anderen wirkt es schlicht prollig. Dabei hat der Japaner abseits seines Aussehen viele Stärken.

Normalerweise würde man einen Fahrzeug-Test nicht gleich mit den Schwächen eines Autos beginnen. Es macht es in diesem Fall aber um einiges einfacher, weil der Honda Civic Type R nur sehr wenige davon hat.

Der größte Aufreger ist wohl das Design. „Billig-Tuning“ sagen die einen, „Rennauto“ die anderen. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Klar: Auf den ersten (zweiten, dritten, vierten) Blick ist der stärkste Civic schon eine etwas seltsame, weil extrem auffällige Erscheinung. Allerdings werden die Japaner nicht müde zu betonen, dass sowohl der große Spoiler als auch die vielen Ecken, Kanten, Sicken und Falze einen wertvollen Nutzen haben: Der Type R sei schließlich der einzige Kompaktsportler, der echten Abtrieb produziert und nicht nur Auftrieb reduziert wie die Konkurrenz von Seat (Leon Cupra), Hyundai (i30 N) oder bald auch wieder Renault (Mégane R.S.).

Infotainment-System im Honda mit altbackener Optik

Der zweite Kritikpunkt am Type R ist das Infotainment-System, das mit altbackener Optik, fummeliger Bedienung und nervigen Sounds direkt aus der User-Interface-Hölle zu stammen scheint. Die größte Stärke des Displays in der Mittelkonsole? Man kann es mit einem Knopf am oberen Bildschirmrand schnell dunkel schalten. Als sehr praktisch wiederum erwies sich die Handyschale unterhalb des Bildschirms, wo sich Smartphones via induktivem Laden mit Strom versorgen lassen.

Doch lassen wir die beiden Minuspunkte hinter uns und widmen uns dem, was den Type R zu dem hervorragenden Auto macht, das er ist: Dem extrem großen Fahrspaßpotenzial. Schon der Vorgänger bot eine hervorragende Basis und die wichtigsten Tugenden des schnellen Japaners finden sich nun auch im aktuellen Modell wieder. Herzstück des Civic ist ein Vierzylinder-Turbobenziner, der aus zwei Litern Hubraum 235 kW/320 PS und 400 Newtonmeter schöpft. Der Motor ist sehr druckvoll und ermöglicht selbst bei Geschwindigkeiten von mehr als 200 km/h noch beeindruckende Zwischensprints.

Innenraum des Honda Civic Type R
Der Innenraum des Honda Civic Type R. Foto: Honda

Auch der Weg bis zur Höchstgeschwindigkeit von 270 km/h geht zügig vonstatten und fühlt sich keinesfalls zäh an. Dabei ist die Gasannahme in allen drei Fahrmodi („Comfort“ ist neu) sehr gut dosierbar und durch die Bank passend. Lediglich der Sound lässt etwas zu wünschen übrig, hier würden wir uns das dunkle, bassige Grollen in niedrigen Drehzahlbereichen auch für höhertourige Bereiche wünschen. Schließlich trägt der Type R drei Auspuffrohre im Ferrari-F40-Look, da sollte am Heck nicht nur ein staubsaugerähnliches Rauschen zu hören sein.

Honda mit glänzender Schaltung

Gekoppelt ist das Vtec-Aggregat an die wohl beste Handschaltung, die es aktuell unterhalb eines Porsche GT3 zu kaufen gibt. Die Sechsgang-Box begeistert mit kurzen knackigen Schaltwegen, irrer Präzision und einem Knauf, den man auch als Handschmeichler in der Jackentasche tragen könnte. Dazu gibt es eine fantastische Zwischengas-Funktion, welche die Drehzahl beim Runterschalten stets passend erhöht und so jede Kurvenfolge oder jedes Anfahren einer Ampel zum Vergnügen macht.

Entscheidend zum Fahrspaß trägt neben der Kombination aus Motor und Getriebe auch die Symbiose von Fahrwerk, Lenkung und Bremse bei. Dabei haben die Japaner die Lenkgeometrie des Civic so fein angepasst, dass sich selbst bei sehr sportlicher Gangart nahezu keine Antriebseinflüsse in der Lenkung spüren lassen – bei 235 kW/320 PS keine Selbstverständlichkeit. Die Aufhängung ist sowohl im Komfort- als auch im Sportmodus perfekt für die flotte Landstraßen-Hatz geeignet, der extreme „R+“-Knopf sollte allerdings zum Wohle der Bandscheiben nur auf sehr frisch asphaltierten Strecken oder auf einem Rundkurs gedrückt werden.

Überraschend ist hierbei, wie bequem es sich mit dem Type R reisen lässt. Nur zur Erinnerung: Mit einer Rundenzeit von 7:43 Minuten stieß der Civic den deutlich extremeren VW Golf GTI Clubsport S vom Nordschleifen-Thron. Und trotzdem können im Honda vier Personen sehr komfortabel im hohen Autobahn-Tempo von A nach B kommen. Dieser Spagat ist vielleicht sogar die größte Stärke des Type R. Neben dem breiten Grinsen, das einem Kurven, Kreisverkehre und Autobahnabfahrten ins Gesicht zaubern, versteht sich. Dabei spielt übrigens auch das im Vergleich zur Konkurrenz von Ford (Focus RS) oder Hyundai niedrige Gewicht (1.380 Kilogramm) eine nicht ganz unwichtige Rolle. Von der Diät profitieren letztendlich auch die Festsattel-Bremsen aus dem Hause Brembo, die mit festem Pedalgefühl und starker Verzögerung auch nach mehrmaliger harter Nutzung punkten.

Gute Schalensitze

Honda Civic Type R
Der Honda Civic Type R bietet beeindruckende Fahrleistungen. Foto: Honda

Doch das Lob beschränkt sich nicht nur auf die rein mechanischen und im Falle der Lenkung elektrischen Komponenten, auch der Innenraum des Type R sticht positiv hervor. Die knallroten Schalensitze mögen farblich nicht jedermanns Geschmack sein, sie sind aber – wie die Schaltung – absolut auf Sportwagen-Niveau. Gegenüber dem Vorgänger wurde der für die Sitzposition wichtige Hüftpunkt um fünf Zentimeter abgesenkt – perfekt. Die engen Schalen bieten jede Menge Seitenhalt und bringen die Verbindung zwischen Fahrer, Lenkrad, Pedalerie sowie dem bereits angesprochenen Schalthebel in harmonischen Fahrspaß-Einklang.

Das Besondere an dem Ganzen? Mit dem Type R muss man nicht ständig nach dem Motto „mit einem Bein im Gefängnis“ fahren, der Honda macht selbst bei niedrigen Geschwindigkeiten Freude, weil einfach alles so toll zusammen passt. Eine Faszination, die nur ganz wenige Autos ausüben, die meist außerdem viel teurer sind als der Honda, für den mindestens 36.050 Euro fällig werden. Damit spielt der Type R vom Faszinations-Grad her in einer Liga mit dem hervorragenden Toyota GT86, dem erfrischend-oldschoolen BMW M2 oder dem genialen Porsche GT3.

Ach ja, zu einem vollständigen Test gehören natürlich auch ein paar Worte zum Thema Spritverbrauch. Diesen gibt Honda mit 7,7 Liter auf 100 Kilometer an. Unrealistisch niedrig? Keineswegs. Schafft man es, nicht zu oft dem Fahrspaß-Potenzial zu verfallen, ist ein Mittelwert von 8,5 Liter ohne Probleme zu meistern. An einem Wochenende mit Landstraßen-Ausfahrten werden es aber auch gerne mal 1,5 Liter mehr. Nur ist der Tank mit 45 Liter leider chronisch unterdimensioniert. Übrigens: Auch die Optik kommt einem nach zwei Wochen mit dem Type R nicht mehr ganz so gruselig vor. Er wächst einem tatsächlich ans Herz, der wilde Fast-and-Furious-Renner. (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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