Hyundais Nobel-Tochter Genesis will mit dem Mittelklasse-SUV GV60 noch in diesem Jahr ins Premium-Segment vorstoßen.
In der neuen Marke Genesis komprimiert sich die Zeitenwende in der Automobilindustrie auf wenige Jahre. Erst Ende 2021 feierte die Premium-Marke des Hyundai-Konzerns in Deutschland ihre Weltpremiere, mit großen Limousinen und SUVs, allesamt mit Diesel- oder Benzinmotoren. Doch schon 2025, also in drei Jahren, sollen alle neuen Modelle nur noch rein elektrisch angeboten werden. Ein Wandel, quasi im Zeitraffer. Erster Bote dieser neuen Zeit ist der in wenigen Monaten debütierende GV60, ein rein elektrisch angetriebenes SUV der Mittelklasse.
Wir konnten auf einer ersten Testfahrt mit einem Vorserienfahrzeug die Qualitäten des Fünftürers antesten. Dazu hatte uns Genesis das stärkste Modell zu Verfügung gestellt, mit je 160 kW leistenden Elektromotoren für den Antrieb an der Vorder- und Hinterachse. Daraus resultieren 435 PS Gesamtleistung und ein Drehmoment von 605 Newtonmetern. Doch die wichtigsten Angaben im E-Zeitalter lauten: 77,4 kWh großer Akku, etwa 470 Kilometer Reichweite. Nicht zu vergessen der Preis: Das von uns gefahrene, stärkste Modell steht mit rund 71.000 Euro in der Preisliste, die Basisvariante mit 64-kWh-Akku wird 56.370 Euro kosten. In beiden Fällen kann man noch 7.975 Euro Innovationsprämie abziehen.
Technisch betrachtet ist der GV60 ein Schwestermodell der Konzernfahrzeuge Hyundai Ioniq 5 und Kia EV6. Optisch ähnelt der Genesis mit seinem nach hinten abfallenden Dach deutlich stärker dem Kia als dem eher kastigen Hyundai. Wie alle Genesis trägt auch der Stromer die typische Signatur mit zweigeteilten LED-Scheinwerfern. Auch die Heckleuchten sind in diesem Zwei-Linien-Design gestaltet. Auffallend ist das durchlaufende Chromband an der oberen Fensterlinie und der Abschlusshaken an der C-Säule. Die Türgriffe sind versenkt und tauchen automatisch auf, wenn man das Fahrzeug betreten will.
Auf Wunsch Kameras statt Seitenspiegel
In unserem Testfahrzeug waren statt konventioneller Seitenspiegel Kameras eingebaut, deren Bild auf zwei Bildschirme in den Türen übertragen wird. Nach einer kurzen Phase der Eingewöhnung hat man daran durchaus Spaß. Wir würden die Option allerdings eher nicht ziehen, weniger wegen des zu erwartenden selbstbewussten Aufpreises, sondern weil wir Angst hätten, dass man die auffälligen Kameras stiehlt oder beschädigt.
Dem GV60 merkt man vom ersten Meter ab an, dass der Hyundai-Konzern inzwischen einige Erfahrung mit E-Autos gesammelt hat. Der GV60 tritt auf Wunsch nicht nur typisch für seine Art ungestüm an, sondern glänzt vor allem unter normalen Fahrbedingungen. Das SUV bietet trotz des systembedingt hohen Gewichts und der aufgezogenen 21 Zoll großen Räder sehr viel Komfort und kommt lediglich bei mehreren aufeinanderfolgenden und tieferen Querrillen an seine Grenzen. Eine präzise Lenkung und sehr gute Sitze tragen ebenfalls zum Fahrspaß bei.
Auf unserer längeren Testfahrt auf Autobahn, Landstraße und in der Stadt fiel uns außerdem der gute Realverbrauch auf. Man kann den GV60 problemlos so fahren, dass er mindestens 400 Kilometer Reichweite schafft. Es sei denn, man gibt auf der Autobahn zu häufig dem Drang nach, die Muskeln spielen zu lassen. Zumal man per Boost-Knopf die Leistung für 10 Sekunden sogar um weitere 65 PS und knapp 100 Newtonmeter anheben kann. Spätestens dann erfreut man sich auch am elektronischen Sperrdifferential, das den Grip zwischen den Achsen optimiert.
In 18 Minuten auf 80 Prozent
Neigt sich der Energievorrat in den Akkus dem Ende zu, kommt eine weitere Fähigkeit des Genesis zum Tragen, die er mit seinen Schwestermodellen gemeinsam hat: seine Ladefähigkeiten. Dank seines Schnellladesystems mit bis zu 800 Volt Spannung kann der Koreaner an einer 350-kW-Box theoretisch in 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent geladen werden. Wenn man denn einen solchen Schnelllader findet und dieser auch frei ist.
In der Praxis wird man daher jedoch eher auf die komfortablen Gleitfähigkeiten des GV60 setzen wollen und versuchen, mit zartem „Gasfuß“ die Rekuperation zu optimieren. Denn ein Stromer fährt zwar vor allem zurzeit günstiger als ein Verbrenner, aber auch Strom kostet Geld und Energie zu sparen, ist ja sowieso zur ersten Bürgerpflicht geworden.
Also lehnen wir uns ins Gestühl und genießen das fast lautlose Gleiten im gut gedämmten Genesis, aber auch sein hochwertiges Interieur und die penible Verarbeitung. Günstig ist das Vergnügen nicht und selbst die 71.000 Euro für das Spitzenmodell müssen noch nicht das Ende sein, es bleiben noch Extras für einige tausend Euro anzukreuzen. Auch in dieser Hinsicht ist der GV60 also schon ein richtiges Premium-Auto. (SP-X)