Selten hat ein Hersteller in so kurzer Folge neue Modelle auf den deutschen Markt gebracht. Jetzt will Hyundais Edel-Tochter Genesis die elektrifizierte Oberklasse angreifen.
In einer Hinsicht funktioniert Fortbewegung auf der Straße genauso wie in der Luft: In der Business-Class wird mehr Geld verdient als bei Economy. „Luxus in höchster Vollendung“ verspricht Genesis den Käufern der Limousine G80. Jetzt gibt es den Fünf-Meter-Brummer auch ohne Brummen: Die rein elektrische Variante tritt mit 272 kW Leistung (370 PS) und 700 Newtonmeter Durchzugskraft an.
Wie man auf dem Elektro-Sektor „Gas geben“ kann, zeigt der Hyundai-Konzern eindrucksvoll. Die Stromer der Marken Hyundai und Kia laufen gut, Genesis will ab 2025 gar nur noch E-Modelle neu herausbringen. Die Abgrenzung zu einheimischen Premium-Produkten findet an zwei Fronten statt – mittels Ausstattung und Preis. Vergleichsweise günstige 73.580 Euro kostet ein Electrified G80 aktuell. Dafür muss man allerdings in Kauf nehmen, dass man nicht mal eben schnell zur autorisierten Werkstatt fahren kann, wenn es ein Wehwehchen gibt.
Geringe Stückzahlen – viel Exklusivität
Für Garantie-, Wartungs- und Servicefragen gibt es die noble Praxis von persönlichen Assistenten, die den Kunden das Auto vors Garagentor stellen oder ggf. wieder abholen. In welcher Liga Genesis sich selbst sieht, veranschaulicht das Markenlogo: Ein geflügeltes Symbol, so wie es auch von Bentley oder Aston Martin benutzt wird. Zum Überflieger ist Genesis deshalb aber noch nicht geworden: Laut Kraftfahrtbundesamt sind im ersten Halbjahr 2023 hierzulande knapp 750 Genesis-Fahrzeuge – elektrische und Verbrenner – neu zugelassen worden.
Die stattliche Limousine verfügt nicht nur über reichlich Platz, sondern auch Gewicht. 2320 Kilo wurden beim Testwagen gemessen. Davon entfallen allein 550 auf die Batterie, die eine Kapazität von 87,2 kWh hat. Das soll laut Hersteller für maximal 520 Kilometer Strecke reichen. Ohne die Druckbetankung eines Schnellladers und nach einem nächtlichen Aufenthalt an der 22-kW-Säule errechnete das Bordsystem immerhin 480 km Reichweite. Unter günstigsten Umständen und dank 800-Volt-Technik soll eine Ladung von 10 auf 80 Prozent binnen 22 Minuten möglich sein.
Wer auf Sprints verzichtet, spart
Im Test, der zu etwa zwei Dritteln aus Kurzstreckenverkehr bestand, begnügte sich der Wagen dank des erhöhten Rekuperationsanteils mit einem Stromverbrauch von 16,8 kWh/100 km. Das ist, gemessen an Größe und Gewicht des Fahrzeugs, ein respektabler Wert. Der vom Hersteller nach WLTP-Modus ermittelte Durchschnittsverbrauch beträgt 19,1 kWh/100 km. Über Land, bei einem Durchschnittstempo jenseits 80 km/h, muss mit 22 bis 24 kWh gerechnet werden. Wer im „Sport“-Modus die Kraft der beiden Elektromotoren und des Allradantriebs häufig für herzhaften Antritt nutzt (0-100 km/h in 4,9 Sekunden) wird mit diesen Werten allerdings nicht auskommen. Das Top-Tempo beträgt 225 km/h.
Zu den angenehmen Begleiterscheinungen des Fahrens mit dem elektrischen G80 ist die Ruhe an Bord. Bei 100 Stundenkilometern konnten im Zentrum der Kabine 56 dB(A) gemessen werden, was freilich abhängig ist von jeweiligen Straßenbelag. Dank einer hinreichend gefühlvollen Lenkung und eines entspannten Federungskomforts wird der G80 Electrified wohl von den meisten Nutzern als sanfter Gleiter wahrgenommen. Lediglich mit Querfugen oder schlechter Wegstrecke haderte das Mehrlenker-Fahrwerk zuweilen. Dann machte sich ein leichtes Rumpeln im Bereich der Hinterachse bemerkbar.
Das niedrige Geräuschniveau ist die perfekte Ergänzung zu einer geschmackvoll und zweckmäßig gestalteten Inneneinrichtung. Oft sind es die Kleinigkeiten, die das Herz erfreuen, wie etwa die elektrische Verstellmöglichkeit des Beifahrersitzes über Tasten an der Flanke der Rückenlehne. Es gibt Bezüge aus recyceltem PRT-Material und die Wahlmöglichkeit, bestimmte Funktionen per Touchscreen oder Taste abzurufen.
Große Schwäche: kleiner Kofferraum
Doch es ist auch Optimierungspotenzial zu finden. Die Kartengrafik der Navigation ist kontrastarm, das Infotainment-System bietet keine Möglichkeit zur manuellen Einstellung auf FM-Radiobetrieb. Folglich muss man in DAB-unterversorgten Gebieten mit störenden Ausfällen rechnen. Die größte Schwäche des Luxusliners offenbart sich bei Öffnen des Kofferraums: Der ist durch die Ladekante von 74 Zentimetern erfreulich gut zugänglich, jedoch ist das Volumen von nur 354 Litern für eine Business-Limousine dieses Formats undiskutabel. Der Motor für die Hinterachse raubt die rund 150 Liter, die Wettbewerber im Schnitt mehr an Gepäckraum haben.
Mit 1,50 Metern Kabinenbreite vorn (1,46 m hinten) sowie einer vorbildlichen Beinfreiheit auf den Rücksitzen bietet der G80 den Passagieren gute Bewegungsfreiheit. Das in dieser Klasse übliche Arsenal an kamera- und radarbasierten Assistenten ist serienmäßig an Bord, jedoch lässt sich die komfortable Ausstattung noch durch zusätzliche Annehmlichkeiten wie etwa ein Rücksitz-Entertainment-Paket erweitern. Im Falle des Testwagens ließen drei Komfort-Paket den Listenpreis um mehr als 11.000 Euro anschwellen.