Mit dem Bravo oder Stilo war Fiat in den vergangenen Jahren kein Erfolg in der Kompaktklasse beschieden. Mit einem neuen Konzept soll der wiederbelebte Tipo das Comeback erfolgreicher gestalten.
Neuwagen sind heute viel zu teuer? Nicht der Fiat Tipo. Die kompakte Stufenhecklimousine ist selbst mit gehobener Ausstattung noch günstig wie vor 20 Jahren. Dass man für knapp 14.000 Euro nicht das modernste Auto auf dem Markt bekommt, ist klar. Doch angestaubt wirkt der geräumige Italiener keinesfalls.
Die Kompaktklasse hat den Italienern zuletzt kein Glück gebracht. Der schon vor zwei Jahren eingestellte Bravo war ein Flop, und auch sein Vorgänger Stilo konnte sich gegen die starke Konkurrenz im schwer umkämpften Golf-Segment nie behaupten. Für das aktuelle Modell hat Fiat daher die Strategie gewechselt. Anstatt sich mit dem VW Golf in Sachen Perfektionsgrad zu messen, den Ford Focus bei der Fahrdynamik herauszufordern oder den Opel Astra bei der Vernetzung übertrumpfen zu wollen, setzt der Tipo konsequent auf günstige Preise.
Kleine Optionsliste für den Fiat Tipo
Die hierzulande wenig beliebte Stufenhecklimousine ist noch einmal 1000 Euro günstiger als der ungleich beliebtere Fünftürer und startet bei niedrigen 14.000 Euro. Ein typischer Kleinwagenpreis. Allerdings für ein Auto, das mit viereinhalb Metern Länge am oberen Ende der Kompaktklasse kratzt. Selbst wenn man den größten der vier Motoren (70 kW/95 bis 88 kW/120 PS), die höchste Ausstattungslinie und jede Zusatzoption wählt, ist es schwer, über die 20.000-Euro-Hürde zu kommen. Unser Testwagen etwa, motorisiert mit dem kleineren der beiden Diesel (70 kW/95 PS) und mit dem höchsten Trimlevel „Lounge“ bedacht (Klimaautomatik, 16-Zoll-Räder, Lederlenkrad, Tempomat), kostet ab 17.990 Euro. 500 Euro für Metallic-Lack anstelle des weißen Standard-Anstrichs – mehr braucht es nicht.
Dass der Preis auch beim konsequentesten Kreuzchen-Machen auf der Optionsliste niedrig bleibt, liegt natürlich auch daran, dass die Zahl der Extras klein ist. Das kann man durchaus als Mangel empfinden, gibt es doch weder moderne Assistenzsysteme, noch nennenswerte Design-Upgrades oder gar irgendwelche Vernetzungs- oder Online-Dienste. Doch die maue Auswahl hält eben die Komplexität bei der Produktion niedrig - und damit auch die Preise.
Fiat Tipo ohne Low-Budget-Flair
Dabei vermeidet der Fiat den Eindruck eines Billigautos gekonnt. Die Karosserie ist nicht so sehnig gezeichnet wie bei der Konkurrenz, aber durchaus gefällig und selbst im Falle der Stufenhecklimousine auch einigermaßen elegant. Selbst innen verströmt der Tipo kein Low-Budget-Flair.
Zumindest bei den unmittelbar sichtbaren Cockpit-Teilen stimmen Materialauswahl und Anmutung, die Verarbeitung wirkt solide. Nur wer mit den Händen unter dem Armaturenbrett entlangstreicht oder in Ecken und Winkeln der Innenraumverkleidung greift, fühlt an scharfen Graten und ungleichmäßigen Übergängen, wo hier gespart wurde.
Abstriche müssen gemacht werden
Noch stärker spürt man den Geist des Rechenschiebers nach dem Anfahren: dem Tipo fehlt einfach der Feinschliff im Detail, der die Konkurrenz in der Kompaktklasse seit einigen Jahren fast gesammelt auszeichnet. Beim Nutzen der manuellen Fünfgangschaltung etwa wird einem wieder klar, warum man dafür früher oft den Begriff „Rühren“ benutzt hat, so teigig bewegt sich der schwerfällige Schaltknüppel durch die Kulisse.
Die Behäbigkeit passt allerdings wiederum ganz gut zu der unverbindlich weichen Pedalerie und der gefühlsarmen Lenkung. Das Fahrwerk selbst bietet ordentlichen Komfort, solange die Straßen nicht zu schlecht werden. Dann jedoch dringen kurze Stöße unangenehm zu den Insassen durch. Geräuschdämmung und Vibrationsniveau hingegen gehen in Ordnung. Auch der betagte und recht raue 1,3-Liter-Diesel wird nie zu aufdringlich. Besondere Fahrleistungen liefert er allerdings nicht, dafür liegt der Praxisverbrauch mit gut fünf Litern auf akzeptablem Niveau.
Fiat Tipo als zweckmäßiges Auto
Wer Fahrspaß sucht oder zumindest schnell viele Kilometer abspulen will, ist beim Tipo falsch. Der Italiener ist ein zweckmäßiges Auto, das seine Insassen ohne großes Aufheben von A nach B bringt. Komfort und Ambiente liegen dabei zwar nicht auf dem Niveau der deutschen und asiatischen Wettbewerber – gleiches gilt allerdings auch für den Preis.
Wer sonst immer Gebrauchtwagen kauft oder Kunde bei der günstigen Renault-Tochter Dacia ist, sollte ruhig einen Blick auf den Fiat riskieren. Denn seinen niedrigen Preis sieht man ihm nicht schon auf den ersten Blick an. (SP-X)