Fiat Tipo: Der erste Eindruck zählt

Fiat Tipo: Der erste Eindruck zählt
Der Fiat Tipo kommt mit seinem Design eher unauffällig daher. © Fiat

Der Fiat Tipo misst sich im Kompaktsegment gegen den Bestseller VW Golf. Doch kann so etwas dem Italiener gelingen? Schließlich kommt er bescheiden daher, macht um sich nicht viel Aufhebens.

In Zeiten von Online-Dating, Selbst-Optimierung und Schnelllebigkeit ist es gar nicht einfach, den Partner fürs Leben zu finden. Da wird gemogelt – wenn nicht sogar gelogen – was Photoshop und Ideenreichtum hergeben. Doch oft entpuppen sich die tapferen Prinzen als rostige Ritter. Da wirkt es richtig sympathisch, wenn ein Typ einfach sagt, dass er normal und eher schlicht gestrickt ist. So wie der Fiat Tipo, der gegen den Platzhirsch aus Wolfsburg mit einer gewissen Bescheidenheit und günstigen Preisen bestehen will.

Für eine vierzehntätige Lebensabschnittsprobe fuhr die Schrägheckvariante des italienischen Kompaktmodells vor. Und ein wenig gemogelt hat er schon, denn die einfache, ab 15.000 Euro teure Basisversion mit dem 70 kW/95 PS starken Benziner blieb zuhause. Stattdessen stellt sich die S-Version (Top-Ausstattung) mit dem starken 1,4-Liter Turbo und 88 kW/120 PS vor. Diese kostet ab 19.650 Euro.

Fiat Tipo kommt er sachlich daher

Der erste Eindruck: gar nicht übel. Zwar trägt er keine modischen Designer-Klamotten, aber in Sack und Asche ist er auch nicht gekleidet. Solide Bügelfalten prägen die Karosserie. Die Form wirkt gefällig. Schwarze 17-Zoll-Leichtmetallfelgen und getönte Scheiben machen was her.

Weiter geht es mit dem Kennenlernen. Und auch erste Kontakt mit den inneren Werten verläuft ganz vielversprechend. Klimaautomatik, Mediasystem mit 7-Zoll großem Touchscreen, Android beziehungsweise Apple Carplay-Anbindung sind an unter anderem an Bord. Dazu ein bisschen Klavierlack hier, ein paar chromfarbene Verzierungen da, das Interieur sieht recht ansprechend aus. Schnell einige Streicheleinheiten ausgetauscht und festgestellt, die Verarbeitung geht in Ordnung. Die verwendeten Materialien fühlen sich gut an. Besonders die Leder-Stoff-Kombination der Sitze gefallen. Bei winterlichen Minustemperaturen punktet hier besonders die Sitzheizung.

Wohlig warm ließ sich so Konversion betreiben und zwar mit dem Navigationssystem. Das kostet in Verbindung mit einer Rückfahrkamera 990 Euro Aufpreis, navigierte schnell und reagierte prompt auf Staumeldungen. Die Befehle „Navigiere zu Ort A, Straße B, Hausnummer 123“ wurden genau verstanden und auch umgesetzt. Schön, wenn jemand aufs Wort gehorcht.

Tipo mit guten Platzverhältnissen

Das 4,37 Meter lange Tipo bietet gute Platzverhältnisse. Auch hinten geht es vergleichsweise kommod zu. Der Kofferraum fasst 440 Liter. Ladegut muss allerdings über eine hohe Ladekannte gewuchtet werden. Bei der Teppichqualität wurde gespart. Geknausert wurde auch bei dem Mechanismus zum Umklappen der Rücksitzlehnen. Schwerfällig fallen diese nach ihrer Entriegelung nach vorne, es entsteht zudem eine unpraktische Stufe.

Und wenn wir schon am Kritisieren sind: Tipo, wir müssen reden. Der Turbo mit 120 PS ist zwar flott, aber macht vor allen Dingen auf rauher Geselle. Laut und vernehmlich dringen seine Geräusche in den Innenraum. Doch nicht nur das. Er hat auch ein Trinkproblem. Man könnte auch sagen, er ist ein Säufer. Zwar trinkt er kein Alkohol, aber seine Trinkmanieren lassen zu wünschen übrig. Dass er bei Tempo 190 auf der Autobahn sich zehn Liter gönnt, lässt sich noch verschmerzen.

Dass er aber auch bei gleichmäßigen Autobahnfahrten mit 120 km/h kaum unter die 8-Liter-Marke kommt, ist einfach zu viel. Durchschnittlich flossen in einem Mix auf Überlandfahrten und Stadtverkehr unter winterlichen Bedingungen 8,8 Liter durch die Leitungen. Fast drei Liter mehr als der Normwert vorgibt.

Assistenten gegen Aufpreis

Fiat Tipo, Foto: Fiat
Das Heck des neuen Fiat Tipo. Foto: Fiat

Der Tipo könnte durchaus fürsorglicher sein. Wo andere Kompakte sich mit Assistenten fürs Parken, Lesen (Verkehrsschilder), Fernlicht oder Spurhalten überbieten, zuckt der Italiener nur mit seinen muskulösen Schultern und überlässt frau das selbstbestimmte Fahren. Immerhin: Gegen Aufpreis von 550 Euro gibt es im Paket einen Notbremsassistenten, Geschwindigkeitsbegrenzer sowie eine adaptive Geschwindigkeitsregelanlage.

Nach dem Ende der Testphase lässt sich feststellen: Der Tipo ist kein Traumprinz, der seine Fahrerin umsorgt und durch Sparsamkeit überzeugt, er ist aber auch kein ungehobelter Waldschrat. Er taugt als solider Alltagsbegleiter. Für ihn spricht sein vergleichsweiser günstiger Preis. Wer auf die modischen Extras der S-Version wie dunkle Scheiben, oder 17-Zöller verzichten kann, dürfte auch mit der Lounge-Ausstattung gut gedient sein. Sie kostet in Kombination mit dem 120 PS-Turbo 1.000 Euro weniger. Und sicherlich ließe sich in einer längerfristig geplanten Beziehung das Trinkproblem mit viel Gefühl und Geduld besser in den Griff bekommen. Sofern der Tipo bereit ist, zu gehorchen. (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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