Der Fiat 500e setzt nicht nur auf ein niedliches Aussehen. Er kann als Stromer auch mit inneren Werten überzeugen.
Die hierzulande selten anzutreffende erste Generation des elektrischen Fiat 500 war ein Geheimtipp für E-Auto-Fans. Die zweite Auflage ist zum rundum überzeugenden Stromer für Jedermann geworden. Ein im Wortsinne kleines Problem gibt es aber doch.
Bei kaum einem Auto drängt sich die Elektrifizierung so sehr auf wie bei Fiats Cinquecento-Modell. Die konsequente Auslegung für den Stadtverkehr, das freundliche Gesicht und nicht zuletzt das weithin von der Kundschaft akzeptierte hohe Preisniveau prädestinieren den kleinen Italiener geradezu zum City-Stromer.
Alles, was gut und teuer ist
Wie gut der E-Motor dem 500er steht, konnte man bereits 2012 in der Vorgängergeneration sehen. Offiziell gab es das E-Modell nur in Kalifornien, wo es seiner Konzernmutter als sogenanntes „Compliance Car“ beim Erreichen der dortigen Emissions-Auflagen dienen sollte. Einige Fahrzeuge sind anschließend nach Europa gekommen, wo sie in E-Auto-Fankreisen dankbar aufgenommen wurden. Nicht zuletzt, weil die Entwickler in dem kleinen Auto alles eingebaut haben, was gut und teuer war – schließlich diente es in erster Linie politischen Zwecken und nicht direkt wirtschaftlichen. Der damalige Konzernchef Sergio Marchionne bat die potenzielle Kundschaft sogar darum, vom Kauf eines Fiat 500e abzusehen, weil der Konzern bei jedem Auto einen Verlust von 14.000 Euro verbuchen müsse.
Dass auch der neue Elektro-Fiat ein derartig gigantisches Zuschussgeschäft ist, darf bezweifelt werden. Was man jedoch annehmen kann ist, dass die Fiat-Ingenieure vom alten Modell einiges gelernt haben. Denn der neue 500e ist keinesfalls ein Schnellschuss, der allein auf seinen Retro-Charme vertraut. Stattdessen markiert er zumindest im Kleinstwagen-Segment aktuell wohl die technische Spitze: Bei Effizienz, Ladegeschwindigkeit, Reichweite und Assistenzsystemen hängt er die Konkurrenz in seiner Klasse locker ab.
Bordlader mit 11 kW
Fangen wir bei den wichtigsten E-Auto-Disziplinen an. Im Gegensatz zu vielen Konkurrenten gönnt Fiat seinem Kleinstwagen nicht nur einen Wechselstrom-Bordlader (der mit serienmäßig bis zu 11 kW zudem vergleichsweise schnell ausfällt), sondern auch einen Gleichstrom-Anschluss. Somit kann der 500er nicht nur an der heimischen Wallbox oder der städtischen Ladesäule geladen werden, sondern auch an den deutlich flotteren Schnellladern. Das macht den Italiener für Notfälle sogar langstreckentauglich. Denn wenn die 321 Kilometer Ursprungs-Reichweite des 37,3 kWh großen Akkus erschöpft sind, holt er sich mit bis zu 85 kW Nachschub am CCS-Schnelllader. Nach weniger als einer halben Stunde am Kabel kann es dann weitergehen. Auch wenn der Fiat so nicht zum Reiseauto wird – dem reinen Stadtkind-Status ist er damit entwachsen.
Was den Verbrauch angeht, zählt der kleine Italiener zu den genügsamsten Modellen auf dem Markt. Der Normverbrauch von rund 14 kWh ist im Stadtverkehr locker zu unterbieten und wird selbst von einem hohen Autobahnanteil vergleichsweise wenig hochgetrieben. Wer dort im Berufsverkehr ohne Hektik mitschwimmt, kommt mit rund 15 kWh aus. Und selbst bei dauerhafter Fahrt bei Richtgeschwindigkeit bleibt der Verbrauch unter 20 kWh. Die ermittelten Werte gelten für gemäßigte Sommertemperaturen, Ladeverluste sind nicht berücksichtigt.
Leistung von 118 PS
Auch in Sachen Fahrleistungen überzeugt der 118 PS starke E-Antrieb. An der Ampel sprintet der Kleinwagen dank des vergleichsweise geringen Gewichts und guter Traktion selbst einigen anderen E-Autos weg. Bis Tacho 100 vergehen insgesamt neun Sekunden, was auch das Einfädeln auf der Autobahn erleichtert.
Auf jeder Straßenart erfreut der Fiat mit satter Straßenlage und ordentlichem Abrollkomfort. Auf der Negativseite steht lediglich eine etwas gefühllose Lenkung, deren Leichtgängigkeit im Stadtverkehr aber zu gefallen weiß. Insgesamt fährt sich der Mini-Elektriker aber zwei Klassen besser als sein konventioneller Vorgänger, der sich mit hoppeligem Fahrwerk und ungünstiger Sitzposition vor allem auf seine äußerlichen Vorzüge verlassen musste.
Wirklich Schwächen fallen im zweiwöchigen Test nur wenige auf. Eine ist das Infotainmentsystem, das besser an die Bedürfnisse von E-Autofahrern angepasst sein könnte. So sind auf der Navi-Karte zwar Detail-Informationen zu den angezeigten Ladesäulen vermerkt, allerdings sind die hinter mehrere Menüebenen versteckt. Eine Funktion zur intelligenten Routenplanung für Langstrecken war überhaupt nicht zu finden. Beide Probleme lassen sich durch Smartphone-Apps verschiedener Anbieter allerdings elegant umschiffen.
Im Fond halt wenig Platz
Keine Lösung lässt sich für das geringe Platzangebot im Fond finden. Dort geht es nicht nur eng und einigermaßen dunkel zu, auch der Einstieg ist unpraktisch und gerade für Erwachsene nur mit Verrenkungen zu machen. Da bringt auch das optionale Heckportal nicht viel, das den 3,63 Meter langen 500e zum 3+1-Türer macht. Die fünftürigen Konkurrenten VW Up und Co. oder Smart Forfour sind für Paare mit Kindern deutlich besser geeignet.
Preislich startet der 500e als Limousine mit 42-kWh-Akku (Netto-Kapazität: 37 kWh) bei 31.000 Euro. Klimaautomatik und Infotainmentsystem sind Serie. Als Alternative für kleinere Budgets ist eine Variante mit einer 23,8-kWh-Batterie zu haben, die es ab 26.800 Euro gibt, allerdings weder als Cabrio noch als 3+1-Sitzer. Wer den offenen Kleinstwagen will, zahlt mindestens 34.000 Euro, die Zusatztür für die Limousine lässt den Preis auf 33.000 Euro steigen.
Das Einzige, was man Fiat demnach vorwerfen kann, ist, dass die Italiener ihre sehr überzeugende Technik ausgerechnet in die enge Pelle des Cinquecento gepackt haben. Eine halbe Klasse größer wäre der 500er ein fast unschlagbarer City-Stromer mit Ausflugspotenzial. So bleibt er wohl in erster Linie ein Zweitwagen oder ein Fahrzeug für Großstadt-Singles. Dabei allerdings schlägt er sich hervorragend. (SP-X)