Fiat 500 e: Perfekter Image-Transfer

Fiat 500 e: Perfekter Image-Transfer
Ideal für die Stadt: der Fiat 500 e. © Axel F. Busse

Als Kleinwagen-Ikone hat der Fiat 500 seinen Platz gefunden, jetzt will er auch als E-Mobil überzeugen. Ob das mit 300 Kilo Zusatzgewicht funktioniert, zeigt unser Praxistest.

Nicht immer gelingt der Image-Transfer von einem historischen Automobil auf einen späten Nachfolger so perfekt wie beim Fiat 500. In den letzten Jahren war er immer wieder der beliebteste Pkw der italienischen Marke in Deutschland. Nur das Nutzfahrzeug Ducato konnte seine Zulassungszahlen wohl zuletzt dadurch übertrumpfen, dass der Wohnmobilsektor so einen Boom erlebte. Jetzt steht der „Cinquecento“ (italienisch für fünfhundert) unter Strom und verblüfft mit einem neuen Türkonzept.

Das Wachstum von Kleinwagen ist längst Normalität geworden und so überrascht es nicht, dass auch der 500e gegenüber seinen Vorfahren zugelegt hat. Durch acht Zentimeter Zusatzlänge, sechs Zentimeter an Breiten- und vier an Höhenzuwachs wirkt er bulliger, ist aber durch Proportionen und Silhouette unverwechselbar als Nachfolger des Klassikers von 1959 zu erkennen. Die in die Motorhaube eingelassenen LED-Scheinwerfer stehen ihm gut, jedoch können die elektromagnetischen Muldengriffe angesichts der schweren Türen nicht als Weisheit letzter Schluss gelten.

Zwei plus einhalb statt 3+1

Interessantes Türkonzept: der elektrische Fiat 500. Foto: Axel F. Busse

Außer als zweitürige Limousine und als Cabrio wird der 500er noch mit dem Modellcode „3+1“ angeboten. Die ist der elektrischen Antriebsvariante vorbehalten und kostet rund 1500 Euro Aufpreis gegenüber der zweitürigen Limousine. Die Bezeichnung „3+1“ erscheint etwas irreführend, denn natürlich handelt es sich nicht um einen Viertürer. Tatsächlich müsste es „zwei plus einhalb“ heißen, denn die hinten angeschlagene so genannte „magic door“ auf der Beifahrerseite ist genau genommen nur eine halbe Tür.

So wie es auch bei Mazda aktuell im Modell MX-30 verwirklicht ist, wird auf eine B-Säule verzichtet und es öffnet sich ein weiter Wagenschlag, der das Erreichen der hinteren Sitze extrem erleichtert. Freilich nur, wenn man auf der rechten Fahrzeugseite zusteigen will. Und, man ahnt es schon: In Ländern mit Linksverehr bietet Fiat diese Variante gar nicht an, denn die Passagiere müssten dort in den fließenden Verkehr ein- und aussteigen. Der Turiner Hersteller will die „magic door“ als Reminiszenz an die ersten „Cinquecento“ verstanden wissen, die ebenfalls hinten angeschlagene Türen hatten.

Ansprechendes Cockpit

Ungewöhnlich an der ansprechenden Cockpitgestaltung ist die Platzierung einzelner Bedienelemente. Die Getriebevorwahl wird über Tasten unterhalb des Navi-Monitors erledigt, während dort, wo man den Schalthebel vermuten könnte, eine Drehwalze für die Lautstärke-Regelung des Infotainment-Systems sitzt. Auch von innen werden die Türen mittels elektromagnetischem Taster entriegelt, zur Sicherheit gibt es aber weiter unten nahe der Ablagefächer noch einen mechanischen Hebel. Eine Höhenverstellung für die Gurte fehlt leider.

Kleinwagen werden überwiegend als Kurzstreckenfahrzeuge eingesetzt, auch wenn sie wie der 500er als kultige Lifestyle-Vehikel daherkommen. Da mehr Reichweite immer mehr Gewicht bedeutet und ein Anderthalb-Tonnen-Kleinwagen als unvermittelbar gelten kann, hat sich Fiat auf ein gerade noch vertretbares Maß beschränkt. Mit der 42 kWh-Batterie brachte der Testwagen 1360 Kilogramm auf die Waage, rund sechs Zentner mehr als das Verbrenner-Pendant.

Rund 37 kW nutzbare Energie

Unter günstigen Umständen soll er mit den etwa 37 nutzbaren Kilowattstunden 320 Kilometer weit kommen. Winterliche Temperaturen sind keine günstigen Umstände für ein E-Fahrzeug, Sitz- und Lenkradheizung kosten Strom, auch die Kabine will erwärmt sein. So reduziert sich der Aktionsradius merklich. Allerdings berechnete der Fahrcomputer des Testwagens die Streckenangaben äußerst konservativ, so dass im Zweifelsfalle wohl noch genügend „Saft“ zum Erreichen der nächsten Ladesäule an Bord gewesen wäre.

Dazu zwei Beispiele aus den protokollierten Fahrten: Tatsächlich zurückgelegte Strecke: 47 km, gleichzeitige Reduzierung der Reichweitenangabe: 78 Kilometer. In einem anderen Fall waren es 52 gefahrene und 80 angezeigte Kilometer. Differenzen gab es erwartungsgemäß auch beim Verbrauch. Während Fiat nach WLTP-Verfahren errechnete 14,3 kWh je 100 Kilometer angibt, verbrauchte der Testwagen über 900 Kilometer Strecke laut Bordrechner im Schnitt 17,2 Kilowattstunden. Da der 500e aber mit bis zu 85 kW Leistung nachgetankt werden kann, vergeht an der Schnellladesäule in der Regel nicht mehr als eine halbe Stunde, bis rund 80 Prozent der Kapazität wieder zur Verfügung stehen.

Schwammige Lenkung

Nach Abzug der Prämie ist der Fiat 500 für unter 30.000 Euro zu haben. Foto: Axel F. Busse

Dank 220 Newtonmeter Drehmoment und 87 kW Leistung (entsprechend 118 PS) ist der 500e für den agilen Auftritt gut, der niedrige Schwerpunkt lässt ihn auch bei flinken Manövern genügsam reagieren. Kaum drei Sekunden vergehen, bis das städtische Tempolimit zur Zurückhaltung mahnt und mit der Range-Einstellung am Fahrmodus kann man im urbanen Umfeld praktisch ohne Einsatz des Bremspedals fahren. Die stärkere Rekuperation reicht bis zum Stillstand. Das Vergnügen mit dem wendigen City-Flitzer wäre wohl noch größer, wenn die Lenkung etwas mehr Kontakt zur Fahrbahn vermitteln würde. Sie ist schwammig und erlaubt nicht das dynamische Fahrgefühl, zu dem der Wagen seinen Leistungsdaten nach wohl fähig wäre.

Als flotte Mobilitätshilfe für Paare ohne Langstrecken-Ambitionen ist der Fiat 500e eine zwar nicht ganz billige, aber originelle und gut ausgestattete Alternative. Der Testwagenpreis von 37.950 € lässt sich durch die staatliche Förderung immerhin auf unter 30.000 Euro drücken. Assistenzsysteme wie der „mitdenkende“ Tempomat, der akute Geschwindigkeitsbeschränkungen automatisch umsetzt, gibt es sonst nur in höher rangierenden Klassen. Wer die Rücksitze mangels Nachkommenschaft für Gepäcktransport umlegen kann, bekommt immerhin 550 Liter Stauraum. Das reicht für einen mehrwöchigen Urlaub.

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Axel F. Busse
Axel F. Busse ist gelernter Redakteur, sein kommunikations-wissenschaftliches Studium absolvierte er an der FU Berlin. Nach Tätigkeiten bei Tageszeitungen, wo er sich mit Auto- und Verkehrsthemen beschäftigte, arbeitet er seit 2003 als freier Autor ausschließlich in diesem Bereich. Außer für die Autogazette schreibt er für verschiedene Online- und Printmedien.

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