Fiat Stilo: Großer Kombi mit kleinen Schwächen

Vor allem Familien werden diesen Kombi lieben. Der Stilo Multi Wagon bietet Platz satt und ist dank City-Lenkung Großstadt tauglich. Die Schwachpunkte liegen im Detail.

Jürgen Wolff

Fiat hat nach wie vor zu kämpfen. Nicht nur mit den Konzern-Finanzen, sondern seit alters her vor allem mit dem Image der italienischen Nachlässigkeit. Zumindest was die Qualität der Fiat-Automobile angeht, ist die Realität jedoch längst besser als der Ruf.

Auf den ersten und auch zweiten Blick gibt es an der Verarbeitung des Stilo-Kombis nichts zu mäkeln: Die Spaltmaße stimmen, nirgendwo quillt Füllstoff aus irgendwelchen Ritzen und nach mehr als den ersten Kilometern sind noch alle Teile an ihrem Platz. Aber: Wer Mängel sucht, der findet sie. Der dritte Blick fördert das ein oder andere vermeidbare Ärgernis zutage. Allerdings sind es weniger Verarbeitungs-, sondern eher Konstruktions- und Materialmängel.

Starten per Knopfdruck problematisch

So ist der elektronische Hightech-Schlüssel zwar hipp - aber auch ein Garant für gelegentliche Wutausbrüche. Theoretisch soll sich der Stilo per Knopfdruck starten lassen, wenn der Schlüssel irgendwo im Wagen liegt. Praktisch aber bockt er immer wieder wie ein sizilianischer Esel und tritt in den kurzzeitigen Streik. Das lässt sich zwar mit ein bisschen Drückerei am Schlüssel schnell beheben - unnötig ist dieser elektronische Overkill dennoch.

Separat öffnende Heckklappe.

Oder die Auskleidung des Laderaums: Kombis, auch Lifestyle-Kombis sind Lasttiere. Gelegentlich sollen auch schon mal schwerere und sperrige Kaliber transportiert werden. Der Filz im Stilo allerdings ist so dünn, dass schon ein nicht ganz sauber verarbeiteter herumrutschender Cola-Kasten Löcher reißt.

Oder das große Glasdach: Eigentlich wunderschön. Es gibt dem Stilo innen eine luftige Weite, bringt den Himmel näher - pfeift aber ab Tempo 90 ganz schrecklich, weil sich die einzelnen Lamellen nicht richtig schließen.

Verwirrendes Handbuch

Letztes Beispiel: Das Handbuch. Dick, inhaltsschwer - und völlig unübersichtlich. Schon ein einfaches Stichwortregister würde seinen Nutzwert verzehnfachen.

Haben wir schon erwähnt, das der Stilo Multi Wagon ansonsten ein prima Auto ist? Ohne Lamellen-Glasdach (schade), mit einer Plastikmatte aus Privatbeständen im Laderaum und einer Portion zusätzlicher Geduld mit dem Wagenschlüssel kann man sich prima mit dem Kombi anfreunden. Die Türen öffnen sich weit und erlauben einen bequemen Einstieg. Die Ladekante ist eben zum Laderaumboden und macht das Einladen auch gewichtiger Wocheneinkäufe einfach. Ein weiteres Plus in diesem Zusammenhang ist die weit öffnende Heckklappe. Praktisch auch, dass man das Heckfenster bei der Dynamic-Version separat öffnen kann.

Riesenkofferraum

Mehr als 500 Liter Kofferraum-Volumen.

Innen bietet der Stilo-Kombi viel Platz - auch auf den hinteren Rängen. Ein C-Klasse-Kombi zum Beispiel ist da um einiges enger gestrickt. Die Rücksitze lassen sich asymmetrisch umklappen und - gegen Aufpreis - sogar asymmetrisch längs verschieben. Das gibt zusätzliche Variabilität. Schon im Normalbetrieb ist der Laderaum mit 510 Litern Volumen üppig, bei umgeklappten Rücksitzen mit 1480 Litern sogar riesig für diese Klasse.

Die vorderen Sitze sind straff und körpergerecht geformt, lassen sich allerdings vor allem für größere Zeitgenossen nicht optimal einstellen. Die Lehne des Beifahrersitzes lässt sich umklappen und als Tisch nutzen.

Der Innenraum

Die Armaturen sind da, wo sie hingehören. Bis zu acht Airbags sorgen für Sicherheit. Serienmäßig sorgen Klimaanlage und elektronische Fahrdynamikregelung für Komfort.

Dass der Stilo Multi Wagon vor allem auch bei jungen Frauen schnell für Begeisterung sorgt, liegt nicht nur an den ebenfalls serienmäßigen Isofix-Kindersitzhalterungen und dem üppigen Raumangebot für Spielzeugkisten und Familieneinkäufe. Es liegt auch an seiner Stadt-Tauglichkeit, zu der die direkte und feinfühlige Lenkung mit dem «City-Modus» erheblich beiträgt: Ein Knopfdruck und ohne sonderlichen Kraftaufwand lässt sich das immerhin 4,5 Meter lange und 1,5 Tonnen schwere Auto höchst bequem in jede Parklücke manövrieren.

Über den JTD-Motor muss man nicht mehr viele Worte verlieren - er ist ein guter alter Bekannter. Aus 1910 Kubikzentimeter stemmt er 103 kW/140 PS und einen maximalen Drehmoment von 305 Nm schon bei 2000 Umdrehungen. Das reicht, um den Kombi in 10 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 zu beschleunigen und auf eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h. Das reicht völlig für alle Lebenslagen des Alltags.

Fiat mogelt beim Verbrauch

Den Verbrauch gibt Fiat mit im Schnitt 5,5 Litern an - wir kamen - mit zugegeben meist flotter Fahrweise - auf acht Liter Durchschnitt, was dem von Fiat angegebenen Stadtverbrauch entspricht.

Der Stilo hängt präzise am Gas, der Motor läuft rund, ruhig und drehfreudig. Ärgerlich und teuer: Der Stilo schafft keine Euro 4-Norm und hat keinen Partikelfilter. Das Fahrverhalten ist gutmütig und sicher - einziges Manko: die Wankbewegungen der Karosserie beim Lastwechsel.

Wer den Stilo als Kombi fahren will, ist ab 16.390 Euro (1.4 16V, 70 kW/95 PS) dabei. Der getestete 1.9 Multijet 16V in der Dynamic-Ausstattung ist das Spitzenmodell und kommt auf einen Grundpreis von 22.400 Euro. Die Ausstattung für diesen Preis ist üppig - aber nicht so üppig, dass es nicht trotzdem noch eine lange Liste mit Zusatzausstattung gäbe. Darunter das pfeifende Lamellendach für 990 Euro, Lederausstattung (1250 Euro) und Navi/Radio-Kombination (ab 1850 Euro).

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