Im September schickt Cadillac den CT6 in Europa auf den Markt. Mit der Limousine und dem SUV XT5 will der US-Autobauer zu einer ernstzunehmenden Alternative für die deutsche Premiumkonkurrenz werden. Sollte es diesmal nicht klappen, dann liegt es jedenfalls nicht an den Modellen.
Von Frank Mertens
„Look there. That´s the new Cadillac.“ Der Sicherheitsmann auf dem Flughafen in Boston war sichtlich beeindruckt, als ich mit dem neuem Cadillac CT6 an ihm vorbeifuhr und er seinen Kollegen auf das neuste Modell des US-Autobauers aufmerksam machte.
In den USA ist der CT6 bereits Anfang des Jahres auf den Markt gekommen, in Deutschland wird er seinen Marktstart im September feiern. Ich hatte die Gelegenheit, den CT6 für eine Woche an der Ostküste zu testen. Nach den Testfahrten rund um Boston kann ich verstehen, weshalb sich die Verantwortlichen in Europa viel vom CT6 versprechen.
Umdenken im Kopf
Dabei, ich gestehe es gern ein, war ich bislang kein großer Freund von amerikanischen Autos. Sie trafen schlicht nicht meinen Geschmack. Wer mit deutschen Autos sozialisiert wurde (die Eltern fuhren seit ich denken kann BMW), hat man Cadillac nicht unbedingt auf der Rechnung, wenn man an Premium denkt. Da schaut man vielleicht noch nach Audi, mittlerweile auch wieder auf Mercedes, aber halt nicht auf diese Dickschiffe aus den USA: zu groß, zu durstig, zu hässlich, zu teuer. Ein Fehler, wie ich gerne zugebe. Vorurteile sind dazu da, sich ihnen zu stellen – und sie im Idealfall zu revidieren. Das tue ich hiermit. Nach den Testfahrten stieg ich zufrieden aus dem CT6 aus und sagte mir: „Warum eigentlich kein Cadillac?“
Mit dem CT6 (ab 73.500 Euro) und dem SUV XT5 will man den etablierten deutschen Premiumherstellern Konkurrenz machen, herauskommen aus dem Schattendasein. Zwar konnte die Marke im zurückliegenden Jahr den Absatz um 60 Prozent steigern, doch in absoluten Zahlen stehen nur 580 Neuzulassungen in der Bilanz, davon 230 in Deutschland. Für 2017 plant man bescheiden mit einem europaweiten Absatz von 1000 Fahrzeugen, bis 2020 sollen es 10.000 sein.
Weltweites Wachstum
Weltweit legte die Marke, die sich unter ihrem neuen Chef Johan de Nysschen neu aufgestellt hat, im zurückliegenden Jahr weltweit um 7,5 Prozent auf 277.868 Einheiten zu. In China, dem für Cadillac nach den USA wichtigsten Markt, legte die GM-Tochter im Vorjahr um 17 Prozent zu. Doch Stückzahlen sind das eine, profitbales Wachstum das andere. Doch das scheint zu stimmen. So liegt in den USA der durchschnittliche Verkaufspreis bei 51.000 US-Dollar (rund 45.220 Euro).
Wer für ein Auto wie den CT6 so viel Geld auf den Tisch des Händlers legt (die Topversion steht mit 94.500 Euro in der Preisliste), der erwartet dann auch einiges, Premiumqualität nämlich. Das Aussehen ist weit entfernt von klobig – das Design wirkt elegant, damit muss man sich nicht verstecken. Die Karosserie besteht übrigens zu zwei Dritteln aus Aluminium. Auch bei Cadillac ist also Leichtbau angesagt. Auch im Innenraum ist Wohlfühlen angesagt. Die Materialien sehen wertig aus, fühlen sich auch so an, wie man es von einem Auto in dieser Preisklasse erwartet. Da gibt es überhaupt nichts zu beanstanden. Das trifft auch auf die technischen Features zu.
Da gibt es einen Rückspiegel, dessen Sichtfeld man dank einer hochauflösenden Farbkamera um 300 Prozent vergrößern kann. Der Unterschied hat es in sich – und man mag es auf Dauer dann auch nicht missen, wenngleich das Auge beim Umschalten der Sichtfelder etwas Zeit benötigt, sich darauf einzustellen. Die Ledersitze sind gesteppt, bieten einen guten Sitzkomfort. Beim Rückwärts -Ausparken machen sie den Fahrer beim Erkennen eines Hindernisses mittels Vibration darauf aufmerksam. Das Navigationssystem im CT6 verfügt ist intuitiv mittels Touchscreen zu bedienen – und macht einen guten Job. Einziger Nachteil: Bei starken Sonneneinfall ist das Display schlecht ablesbar.
Dreiliter-V6 mit 417 PS
Unterwegs ist der CT6 mit einem Dreiliter-Sechszylinder, der es auf 417 PS Leistung und kraftvoll und ein maximales Drehmoment von 555 Nm bringt. Das reicht aus, um mit dieser 5,18 Meter lange Limousine kraftvoll unterwegs zu sein. 5,7 Sekunden vergehen bis Tempo 100, die Spitzengeschwindigkeit ist bei 240 km/h erreicht. Was braucht man mehr? Ach ja: Natürlich verfügt auch der CT6 über eine automatische Zylinderabschaltung. Das änderte aber auch nichts daran, dass der Verbrauch bei rund elf Litern auf 100 Kilometer lag.
Doch Topspeed ist das eine, Fahrkomfort ist das andere. Und auch hier braucht sich der US-Autobauer hinter der Konkurrenz aus dem Süden Deutschlands nicht verstecken. So verfügt der CT6 nicht nur über Allradantrieb, sondern auch eine Hinterachslenkung, die im Stadtverkehr und beim Einparken das Manövrieren noch einfacher machen. Damit und dank einer guten Fahrwerksabstimmung ist für ausreichend Fahrkomfort gesorgt.
Im Fond übrigens sorgen zwei in den Rücklehnen versenkbare Monitore für das Entertainmentprogramm der Mitreisenden. Kinder werden dies ebenso zu schätzen wissen, wie der WLAN-Hotspot, der Bestandteil des OnStar-Systems ist. Das alles ist überzeugend.
Jetzt stellt sich nur die Frage, ob Cadillac endlich auch in Deutschland durchstarten kann. Eines ist auf jeden Fall klar. Sollte es diesmal wieder nicht klappen mit dem avisierten Wachstum, dann liegt es nicht an den Modellen. Cadillac Europa steht nun vor der Aufgabe, die Kunden zum Umstieg zu bewegen. Einfach ist das nicht, aber auch nicht unmöglich.