Die G-Klasse von Mercedes steht gemeinhin nicht für Sportlichkeit. Dennoch gehört sie zu den Lieblingen der Tuner. Mit der G 900 Rocket Edition treibt es Brabus nun auf die Spitze.
Diese Kräfte kennt man sonst nur von Naturgewalten: Erdrutsche, Lawinen, Springfluten kommen einem in den Sinn, wenn man zum ersten Mal am Steuer des Brabus G 900 Rocket Edition sitzt.
Obwohl 2,5 Tonnen schwer und so windschnittig wie ein Übersee-Container, ist der kantige Klassiker dank eines ganz speziellen Krafttrainings schneller, als es dem Ego manches Porsche-Fahrers lieb ist: Eben noch ein kleines Viereck ganz hinten im Rückspiegel, grinsen die beiden Knopfaugen mit den gleißend hellen LED-Strahlern schon wenige Sekunden später so feist und formatfüllend durch die Heckscheibe, dass einem nur noch die Flucht auf die rechte Spur bleibt. „Platz da, jetzt komm ich“ lautet die unmissverständliche Botschaft dieser Wuchtbrumme, die Naturgesetze ebenso zu ignorieren scheint, wie die Sorge ums Klima, den Trend zur Elektrifizierung oder die angebliche schwindende Faszination fürs Auto.
Denn offenbar gibt es nach wie vor genügend Fans und Fanatiker, die den Wert eines Landhäuschens in die blechgewordene Unvernunft auf Rädern investieren und mindestens 570.000 Euro nach Bottrop überweisen. Und so viele Kunden müssen sich ja gar nicht für die Rocket Edition begeistern – mehr als 25 Autos will Brabus schließlich gar nicht bauen.
Leistung von 900 PS
Wer einen davon ergattert, bekommt einen Geländewagen, den Brabus drei Jahre nach dem letzten Generationswechsel gar vollends auf die Spitze getrieben hat. Obwohl schon der offizielle G 63 mit seinen 585 PS nicht eben schmächtig ist und Brabus bereits einen G800 mit 800 PS verkauft, haben die Ingenieure in Bottrop nachgelegt und ihr dickstes Kraftpaket unter die Haube gequetscht: Mit dem auf 4,5 Liter aufgebohrten V8-Motor aus dem Rocket auf Basis des viertürigen GT wird aus der G-Klasse die „Rocket Edition“, die mit 900 PS und 1 250 Nm den Olymp der Geländewagen im Sturm erobert.
Noch brabbelt der G aus seinen beiden glutrot beleuchteten Endrohren so ruhig und friedlich wie eine Riva-Yacht am Ufer des Comer Sees. Kein Wunder, bislang laufen die acht Töpfe ja auch im Standgas. Doch kaum touchiert auch nur der kleine Zeh das Fahrpedal, beginnt ein Kraftakt, wie man ihn auf der Straße nur selten erleben kann. Obwohl für G-Fahrer Traktionsprobleme sonst ein Fremdwort sind, geht erst ein tiefer Ruck durch den Wagen und die riesigen Walzen reiben gefährlich lange am Asphalt, bis der 2,5-Tonner davonjagt, wie mit dem Katapult geschossen. Selbst wenn man das maximale Drehmoment mit Rücksicht auf die fragile Automatik gar nicht voll ausreizen kann und sich mit 1.050 Nm begnügen muss, beschleunigt der urgewaltige Dinosaurier binnen 3,7 Sekunden auf Tempo 100 und lässt sich auch von der Vernunft nicht einbremsen. Wo AMG dem wilden Treiben bei 240 km/h einen Riegel vorschiebt, fliegt die riesige Rakete aus Bottrop mit bis zu 280 km/h über die Startbahn, die Brabus eigens für die Testfahrten gemietet hat.
Natürlich mit modifiziertem Fahrwerk
Aber Brabus wäre nicht Brabus, wenn es nur um den Motor ginge, ein entsprechend modifiziertes Fahrwerk und Bremsen, die dieser Fuhre auch wieder Einhalt gebieten können. Brabus nimmt sich auch der Optik der G-Klasse an und steckt den kantigen Klassiker in eine martialische Rüstung aus Karbon, die mit Schwellern und Spoilern alle Blicke fängt. Dass dabei die Grenzen des guten Geschmacks – nun ja – ein bisschen gedehnt werden, müssen Selbstdarsteller billigend in Kauf nehmen.
Und sie schlagen den Innenraum gründlicher aus als es in Stuttgart selbst Maybach tun würde. Natürlich kann man über Stil streiten, und manch einer mag sich von dem dunklen Leder mit der roten Steppnaht, das sich im Wechsel mit glänzendem Karbon nun über alle, aber wirklich alle Konsolen zieht, an das vornehme Studio einer luxuriösen Domina erinnert fühlen. Doch mit mehr Finesse ist eine G-Klasse bis dato nicht veredelt worden.
Und auch wenn der reizvollste Platz in diesem Auto vorne links ist, hat Brabus sogar ein Herz für Hinterbänkler bewiesen und dort zwei luxuriöse Einzelsitze eingebaut. Die Klapptische zum Arbeiten sind zwar hoffnungslos überflüssig, weil man beim Ritt auf der Rakete ohnehin keinen klaren Gedanken fassen kann. Doch gekühlte Getränke aus der Mittelkonsole können genauso wenig schaden wie der Blick auf die Zusatzinstrumente am Dachhimmel. Dann weiß man nicht nur, was einem die Stunde geschlagen hat, sondern auch, weshalb die Welt da draußen nur in Schlieren zu sehen ist. (SP-X)