Mit dem 740i hat BMW in der Oberklasse neue Akzente gesetzt. Doch nicht alle neuen Akzente ergeben auch nach längerem Studium nicht unbedingt einen gewissen Sinn.
So ein Fortschritt, das ist schon eine feine Sache. Da braucht plötzlich eine respektable und mehr als 5 Meter lange Limousine der Oberklasse selbst mit einem Ottomotor unter der langen Haube weniger als 10 Liter Benzin auf 100 Kilometern, auch wenn man mal schneller als Richtgeschwindigkeit fährt. Das gleiche Auto kann zudem weite Strecken ziemlich von selbst absolvieren. Man muss nur ab und an Hand anlegen, um dem Computer im System zu versichern, dass der Fahrer noch vorhanden ist. Allerdings waren die Entwickler des 7er BMW, der uns als 740i im Alltag begleitete, bei manchen Details zu fortschrittlich. Doch der Reihe nach.
Im vergangenen Jahr stellte BMW kurz vor der IAA sein Spitzenmodell vor und legte sich mächtig ins Zeug im Rennen um die beste Limousine für die globale gehobene Geschäftswelt. Entsprechend wenig gibt es zu kritteln an Dingen wie Design oder Komfort. Der 740i sieht aus wie ein Oberklasse-BMW eben aussehen muss: elegant, sportiv, nicht zu wuchtig. Aber wuchtig genug, um auch wirtschaftliche Potenz auszustrahlen, was in vielen Märkten der Welt nicht ganz unwichtig ist. Das gelingt schon in der 5,10 Meter langen Kurzversion sehr gut.
Geräumiger Innenraum
Im Inneren geht es geräumig zu: Auch zu viert kann man auf längere Geschäftsreisen gehen. Allerdings suggeriert der subjektive Eindruck, das Auto könne größer sein. Das liegt wohl daran, dass BMW seine Limousine wie einen Maßanzug schneidert, die recht üppige Mittelkonsole raumgreift, und nicht zuletzt die sportive Dachlinie den gefühlten Himmel über dem lichten Scheitel reduziert. Das Gestühl ist klassenüblich vielfach verstellbar und in Summe formidabel, wenngleich sich uns manche Option der Bedienung nicht sofort erschloss. Dafür bieten die Vordersitze mannigfache Massageoptionen und große Anpassungsfähigkeit an lange und nicht ganz so lange Beine.
BMW legt großen Wert auf Konnektivität. Das Funktionieren derselben können wir in Sachen Smartphone-Anbindung bestätigen. Allerdings wies die Telefonverbindung auf manchen Strecken, die mit Wettbewerbsmodellen und dem gleichen Smartphone problemlos funktionieren, leichte Lücken auf. Das mag aber auch an der Tagesform des Netzbetreibers gelegen haben. Die Navigation funktioniert vorzüglich mit einem großen und scharfen Display. Allerdings muss man sich – wie fast bei jedem Modell – an gewisse Eigentümlichkeiten der Bedienung gewöhnen.
BMW 740i mit verwirrender Gestensteuerung
Diesbezüglich wollte BMW mit dem 7er Maßstäbe setzen, was nicht ganz gelang. Die Limousine ist das erste Auto, das auf Fingerzeig reagiert. Gestensteuerung heißt das Zauberwort und just an dieser Stelle, ist so ein Fortschritt nicht immer fein. Der Nutzer muss gewisse Gesten einüben. Allzu viele versteht das Auto nämlich nicht. Wo der Fortschritt liegt, die Lautstärke per Drehbewegung in der Luft statt am altbewährten und vorhandenen Drehregler zu variieren, erschloss sich uns auch während stundenlanger Fahrten nicht. Nachdem das Radio gleich mehrmals während eines Gesprächs die Lautstärke änderte, nur weil wir mal eine Hand zu Verdeutlichung eines Arguments vom Lenkrad genommen hatten – kein Problem, dank Spurhalteassistent und Abstandsradar – schalteten wir die Gestensteuerung in den Tiefen des Menüs einfach ab und auch nicht wieder ein.
Uns scheint, weil sich Autos in ihren Abmessungen und Leistungsdaten aus Vorschrifts- und Wettbewerbsgründen immer weiter ähneln und insgesamt ein technisches Niveau erreicht haben, das fahrspezifischen Fortschritt nur noch in kleinen Schritten ermöglicht, suchen die Hersteller ihr Heil in immer mehr Gimmicks. Viele davon kann man unter Konnektivität zusammenfassen, wenige davon braucht man im Autoalltag tatsächlich. So viel zum Thema „Gestensteuerung“.
Drehfreudiger Sechszylinder im BMW 740i
Kommen wir zu sinnvollem Fortschritt. Dass man mit 240 kW/326 PS ein Auto der Oberklasse souverän bewegen kann, versteht sich von selbst. Der drehfreudige und leise Sechszylinder macht Motoren mit mehr Brennräumen auch in dieser Klasse entbehrlich. Mehr Leistung braucht man auch nicht. Ob eine Limousine wie der 740i nun in 5,5 Sekunden oder vielleicht in 4,5 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h beschleunigt, dürfte für den tatsächlichen Fahrer oder Chauffeur unerheblich sein. Die Höchstgeschwindigkeit ist ohnehin bei 250 km/h abgeregelt.
In Deutschland und den meisten Ländern Europas verkauft BMW in dieser Klasse weitaus mehr Diesel als Benziner. Im Rest der Welt wird der Otto präferiert und dieser Motor zeigt warum. Viel Drehmoment ab Leerlauf, schnelles, geschmeidiges Hochdrehen, dabei keinerlei Aggressivität verströmend, sondern gelassene Kraft. Perfekt für eine Business-Limousine. Und das bei einem Normverbrauch von sieben Litern, den wir allerdings nicht erreichten.
Unser Testverbrauch inklusive vieler schneller Passagen lag bei 9,7 Litern, ist aller Ehren wert und wäre vor wenigen Jahren kaum realisierbar gewesen. Dazu passt das Fahrwerk, das auch schlechte Landstraßen glättet und zugleich eine Agilität zulässt, die man bestenfalls einem 3er dieser Marke zugetraut hätte. Dass sich BMW diesen und den nicht ganz so nötigen Fortschritt ordentlich bezahlen lässt, ist erwartbar. Stolze 88.300 Euro ruft der Händler für den 740i ohne weitere Extras auf. Aber diese Art der Preisgestaltung ist bei den Wettbewerbern aus Stuttgart und Ingolstadt leider ganz ähnlich. (SP-X)