Der Listenpreis liegt bei 324.000 Euro. Dafür bekommt man nicht nur eine Eigentumswohnung, sondern auch ein Auto – einen Bentley Mulsanne Speed. Was die Luxuslimousine zu bieten hat, zeigt unser Test.
Als die Queen kürzlich Berlin besuchte, hatte sie neben einer umfangreichen Entourage und zahlreichen Kostümen, Hütchen und Handschuhen natürlich auch ihren Dienstwagen mit von der Themse an die Spree gebracht; einen eigens für das gekrönte Oberhaupt umgebauten Bentley Arnage, mit höherem Dach – wegen des Kopfschmucks – und Rund-um-Verglasung, damit Madame gut rauswinken kann.
Wir wollten wissen, wie es sich als Königin reist, und haben uns den Arnage-Nachfolger Bentley Mulsanne geschnappt – zwar nicht mit royalem Umbau, dafür aber in der extraschnellen Speed-Ausführung.
Erstaunlich handlich
Verglichen mit den elf Millionen Euro, die die britische Staatslimousine Wert ist, erscheinen die knapp 324.00 Euro Listenpreis für den Mulsanne Speed fast wie ein Schnäppchen; schließlich bekommt man dafür mehr als 5,58 Meter Auto, die übrigens – auch ohne Chauffeur – erstaunlich handlich sind. Selbst die engen Einbahnstraßen in der Münchner Innenstadt stellten kein großes Hindernis dar und auch das Einparken geht, eine entsprechend große Lücke vorausgesetzt, leicht von der Hand. Aber mal ehrlich: Kaum jemand dürfte einen Mulsanne kaufen, um dann selbst hinter dem Steuer zu sitzen.
Deshalb verlassen wir den linken Vordersitz schnell wieder und öffnen die schweren Fondtüren, die Einlass gewähren in eine mit dem Leder von nicht weniger als 14 Rindern ausgekleidete Sofalandschaft. Getrennt von einer breiten Mittelkonsole können es sich zwei Passagiere auf vollverstellbaren Plätzen bequem machen; eine kleine Fußstütze, Massagefunktion und ein Kuschel-Kissen sorgen für royalen Komfort-Feinschliff. Wer will, klappt per Knopfdruck das kleine Tischchen vor sich aus, das gleichzeitig eine elektrisch ausfahrende iPad-Halterung beinhaltet, und arbeitet ein wenig; W-Lan ist natürlich an Bord und in den Kopfstützen der Vordersitze können zusätzliche Bildschirme eingebaut werden.
Kühlschrank an der Rücklehne
Angenehmer ist es aber, in den Kühlschrank zu greifen, der in der Rückenlehne montiert ist – da, wo Otto-Normalverbraucher maximal einen Ski-Sack hat – und sich ein Gläschen Champagner (zwei Flaschen passen rein) einzuschenken. Drei handgeschliffene Kristall-Sektflöten sind im Preis dabei, was man bei über 9.500 Euro extra aber auch erwarten kann. Und damit einem niemand beim Trinkvergnügen zuschaut, kann man Seitenfenster und Heckscheibe mit einer schweren, schwarzen Samt-Gardine komplett verdunkeln; allerdings kosten die Vorhänge auch noch einmal über 6000 Euro Aufpreis.
Dafür stecken aber auch einige hundert Stunden Handarbeit in einem Mulsanne. Mit welcher Liebe zum Detail die Limousine am Stammsitz in Crewe gefertigt wird, zeigen nicht nur die filigranen Luftmengenregler, die an Orgel-Registerzüge erinnern, oder die immer wieder auftauchende, geriffelte Metalloberfläche – beispielsweise am Gang-Wahlhebel, auf der Innenseite (!) der äußeren Türgriffe oder am Funkschlüssel. Wohin das Auge reicht, entdeckt es kleine, feine Details, die einen Bentley erst zu einem wirklich royalen Automobil werden lassen.
1100 Nm Drehmoment
Das einzige allerdings, was dem Beinamen Speed in dem neben Leder mit reichlich hochglänzendem Klavierlack dekorierten Innenraum gerecht werden könnte, sind die Karbon-Zierleisten in den Türen, die, natürlich, auch nicht ohne Extra-Geld zu haben sind. Abgesehen davon beschleunigt die Speed-Ausführung wohl eher das Stammtisch-, pardon, Golfcub-Getuschel. Denn den Unterschied von nun 395 kW/537 Pferdestärken zu den standardmäßigen 377 kW/512 PS des 6,75 Liter großen V8 wird kein Fahrer und erst recht kein Fond-Passagier merken, und auch das Plus von 80 Newtonmeter ist in Anbetracht von nun 1.100 Newtonmeter Drehmoment eher zu vernachlässigen.
Was diese enorme Zahlen allerdings bedeutet, merkt man durchaus, wenn der Fahrer Vollgas gibt: Kurzweilige 4,9 Sekunden vergehen, dann zeigt der Tacho 100 km/h an. Das ist in etwas so schnell wie ein Porsche 911, mit dem Unterschied, dass der 1,4 Tonnen wiegt - und der Bentley satte 2.685 Kilogramm auf die Waage bringt. Leichtbau ist den Briten nämliche ein Fremdwort. Das merkt man spätestens wenn man den aus den Vollen gefrästen, kühlen Metall-Tankdeckel abschraubt. Oder wenn man einen der drei jeweils über ein Pfund schweren Aschenbecher in die Hand nimmt, die in einem Miss-Marple-Krimi jederzeit als Mordwaffe taugten.
So brachial der Brite aus dem Stand losspurtet, so zackig meistert er auch den Zwischensprint. In Windeseile hat die Achtgang-Automatik den richtigen Gang gefunden um aus dem reichlich vorhandenen Drehmoments schöpfen zu können. Wer es noch schneller will, kann den Sportmodus aktivieren, dann hält das Getriebe die Drehzahl konstant bei über 2.000 Touren, damit die beiden Turbolader noch schneller ansprechen. Auf übertriebenen Krawallklang hat Bentley zum Glück verzichtet, der Achtender arbeitet jederzeit ausgesprochen zurückhaltend. Und auch den Windgeräuschen haben die Ingenieure eine Abfuhr erteilt; selbst bei 200 km/h säuselt es nur ganz leicht an den großen Außenspiegeln.
Spitze liegt bei 305 km/h
Dann hat man das Potential allerdings noch nicht einmal zu zwei Drittel ausgeschöpft: Erst bei Tempo 305 (mit aufpreispflichtiger Hochgeschwindigkeits-Option) ist Schluss – der Mulsanne Speed ist damit die schnellste Serienlimousine der Welt. Um das auszuprobieren, braucht es allerdings viel freie Straße; nicht unbedingt zum Beschleunigen, wohl aber zum Abbremsen. Denn gut drei Tonnen Lebendgewicht lassen sich auch mit 40-Zentimeter-Stoppern nicht ohne weiteres zum Stillstand bringen. Außerdem sollte man sich dem Geschwindigkeitsrausch möglichst auf einer Strecke ohne Kurven hingeben, denn die Masse zollt bei jeder Biegung der Physik ihren Tribut.
Für ein gekröntes Haupt ziemen sich solche Spritztouren sicher nicht. Also mahnen wir den Fahrer zur gemütlichen Gangart und genießen die himmlische Ruhe im Fond und das sanfte Schaukeln, wenn wieder einmal grobe Unebenheiten im Asphalt ausgebügelt werden müssen. Wer so unterwegs ist, braucht nicht zwingend die Kraft der acht Zylinder, deshalb legt der Mulsanne Speed bei moderater Leistungsabfrage kurzerhand vier Brennkammern still – natürlich ohne dass der Fahrer irgendwas davon mitbekommt. Bei einem Durchschnittsverbrauch von 14,6 Liter – nach EU-Norm gemessen – ist das aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Doch für den Verbrauch interessieren sich in dieser Liga wenn überhaupt sowieso nur die Behörden und sicher nicht die Kunden. Erst recht nicht, wenn sie ein Krönchen auf dem Haupt tragen. (SP-X)