Er war der liebste Audi der Deutschen in den zurückliegenden Jahren, daran hat auch der SUV-Boom nichts geändert: Das Modell A4 führt souverän die markeninterne Zulassungs-Statistik an. Nun kommt der Nachfolger auf den Markt. Wir haben den S4 getestet.
Eine grundlegende Renovierung soll Limousine und Kombi fit machen für die zweite Hälfte ihres Lebenszyklus, ab September steht der geliftete A4 bei den Händlern.
Die Identifikation mit ihrer Firma ist bei Forschern und Entwicklern in Audi-Diensten, ebenso wie bei Angehörigen der Kommunikations-Abteilung, enorm groß. Deshalb ist manchem der Druck anzumerken, der von immer neuen Meldungen über fortgesetzte Diesel-Manipulationen ausgeht. Andere versuchen, tapfer lächelnd, „Business as usual“ zu machen, wie zum Beispiel jetzt bei der Präsentation des neuen Audi A4.
Jeder fünfte verkaufte Audi ist ein A4
Der erfreut sich bei den deutschen Kunden immer noch ordentlicher Beliebtheit, was ungewöhnlich für ein Auto ist, dessen Runderneuerung ansteht. Mit rund 28.700 Neuzulassungen holte der A4 im ersten Halbjahr die Silbermedaille hinter der C-Klasse von Mercedes. Für den Ende 2018 vorgestellten neuen 3er BMW blieb bisher nur Bronze, was allerdings daran liegt, dass der Touring genannte Kombi noch nicht verfügbar war. Weltweit ist jeder fünfte verkaufte Audi ein A4, insgesamt wurden rund 7,5 Millionen Exemplare ausgeliefert.
Als Personenwagen der unteren Mittelklasse hat der A4 für die Marke Audi insofern eine besondere Bedeutung, weil mit ihr der Aufbruch in das Allrad-Zeitalter begann. Die Vorgänger-Baureihen mit den Modellbezeichnungen Audi 80 und Audi 90 fanden als gut gemeinte, aber wenig aufregende Fronttriebler ihre Kunden, denen mitunter nachgesagt wurde, gehäkelte Überzüge für Toilettenpapier-Rollen auf den Hutablagen spazieren zu fahren. Dass Audi etwas mit Sportlichkeit oder gar automobilem Luxus zu tun haben könnte, wäre ihnen nicht in den Sinn gekommen. Doch mit einem harmlos aussehenden Audi 80 auf dem Genfer Automobilsalon 1980 machten die Ingolstädter den ersten Schritt in Richtung automobiles Oberhaus.
Fahrversuche mit dem Iltis
Bei winterlichen Fahrversuchen war dem Audi-Ingenieur Jörg Bensinger aufgefallen, dass der für die Bundeswehr entwickelte Volkswagen „Iltis“, obwohl mit nur 75 PS motorisiert, unter den Bedingungen von Schnee und Eis nicht nur die besten Testergebnisse erzielte, sondern auch leistungsstärkere Autos deutlich distanzierte. Wenn man folglich herkömmliche Personenwagen mit einem Vierrad-Antrieb ausrüstete, müsste es deutliche Vorteile im Fahrverhalten bringen.
Einen Verbündeten fand Bensinger schnell im damaligen Audi-Chef Ferdinand Piëch. Dem als Technik-Freak bekannten Manager gefiel die Idee. Sie passte ausgezeichnet zu seinem Plan, die Marke mit den vier Ringen ihres hausbackenen Flairs zu entkleiden. Der erste Prototyp mit einem Fünfzylinder-Turbomotor und 200 PS wurde in Auftrag gegeben. Zu Jahresbeginn 1980 war das Auto fahrbereit und wurde der Öffentlichkeit vorgestellt.
Ein Urahn des heutigen A4 ist also dafür verantwortlich, dass der „Quattro“-Antrieb in fast alle Audi-Baureihen Einzug hielt. Legendäre Werbespots wie die Auffahrt einer Skisprung-Schanze und Motorsport-Erfolge – unter anderem mit Walter Röhrl am Steuer – prägten das Marken-Image und ermöglichten Audi, zu den etablierten Premium-Marken Mercedes und BMW aufzuschließen. Die Einführung des Allradantriebs fällt in die gleiche Zeit wie der erste Versuch gehobener Eleganz und Ausstattung. Welches Selbstbewusstsein heute im A4 steckt, ist leicht daran zu erkennen, dass er um sieben Zentimeter länger ist als der damalige Audi 200.
Viel verändern ohne aufzufallen
Die Kunst eines gelungenen Facelifts besteht darin, möglichst viele Merkmale eines Pkw zu verändern, ohne dass es gleich auffällt. Der A4 hat einen breiteren Single-Frame-Grill zu bieten, flachere Scheinwerfer, die Lichtkanten an der Schulterlinie ist jetzt dreigeteilt und betont die leicht ausgestellten Radhäuser. Die Neigung der C-Säule wurde akzentuiert und die Heckleuchten erhielten eine segmentierte Grafik. Vom Start weg sind Viertürer, Avant und Allroad zu haben, nur die um 88 Millimeter verlängerte Chauffeurs-Version bleibt weiterhin den chinesischen Käufern vorbehalten.
Das Leistungsspektrum der Diesel- und Benzinmotoren reicht von 136 bis 245 PS. Fünf Motorisierungen haben zur Markteinführung ein Mild-Hybrid-System (MHEV) auf 12-Volt-Basis an Bord, das den Verbrauch senken und gleichzeitig den Komfort erhöhen soll. Diese Breitenelektrifizierung liefert laut Audi einen „wichtigen Beitrag zur Effizienzsteigerung und Kraftstoffeinsparung“.
Man könnte es als Zeichen der Unverzagtheit werten, dass das sportliche Spitzenmodell ein Selbstzünder ist. Der Audi S4, sowohl als Limousine wie auch als Avant lieferbar, hat einen drei Liter großen V6-TDI-Motor und leistet 347 PS. Mit 700 Newtonmetern Drehmoment übertrifft er sogar das bisherige Topmodell RS4, dass es „nur“ auf 600 Newtonmeter bringt. Allerdings darf man annehmen, dass beim Erscheinen eines neuen RS4-Modells die alte Hackordnung wieder hergestellt wird. Auf ersten Testkilometern war der druckvolle Antritt des S4 eine Freude. Als erstes Modell der Baureihe bedient es sich eines elektrischen Verdichters, der schneller als jeder Abgasturbolader komprimierte Verbrennungsluft bereitstellen kann.
Turboloch? Was ist das?
Äußerst spontane Reaktionen auf Gashebelbewegungen sind die Folge, die Erinnerung an jenes „Turboloch“ genannte Phänomen verblasst mit jedem gefahrenen Meter mehr. Die Verführung zu dynamischer Fahrweise ist immens und man sollte in der Praxis besser nicht damit rechnen, dass der Wagen mit dem offiziellen Spritkonsum von 6,3 Litern je 100 km auskommt. Der S4 TDI trägt noch ein weiteres Novum zu den Kunden: Er hat im Hinblick auf weiteres Elektrifizierungspotenzial ein 48-Volt-Hauptbordnetz, dessen Spannung für die weiterhin verwendeten 12-Volt-Komponenten herunter transformiert wird. Nur akustisch lässt der S4 Wünsche offen, ein saftigerer Sound würde die Sinfonie aus Längs- und Querbeschleunigung noch eindrucksvoller machen.
Freilich wird das vorläufige Spitzenmodell über einen einstelligen Prozentsatz am Gesamtvolumen der A4-Baureihe wohl kaum hinauskommen. Wesentlich häufiger dürfte da schon der Allroad quattro 45 TFSI anzutreffen sein. Während sein Diesel-Pendant mit einem Sechszylinder ausgestattet wird, schöpft der Benziner aus einem Zweiliter-Vierzylinder, der herzhafte 245 PS mobilisiert. Mit 370 Newtonmetern rangiert das Drehmoment schon fast auf dem Niveau gleichgroßer Selbstzünder und das macht sich beim Fahren enorm bemerkbar. Das im Vergleich zum normalen Avant etwas höher gelegte Fahrwerk zeichnet sich durch einen robusten Federungskomfort aus, ohne dabei unkomfortabel zu sein. Die elektromechanische Lenkung erlaubt präzises Handling und zielgenaue Richtungswechsel. Laut Datenblatt kommt der Allroad mit 6,8 Litern im Mittel aus, bei den Probefahrten im Gebirge zeigte der Bordcomputer gen acht Liter.
Neues Touchdisplay
Ein vertrautes Detail im Cockpit wird der eine oder andere Kunde künftig bestimmt vermissen: Der Dreh-Drück-Steller auf der Mittelkonsole zur Betätigung des MMI-Infotainmentsystems ist kurzerhand ausgemustert worden. Stattdessen will sich Audi dem Bedienprinzip von Smartphones annähern und hat ein Touch-Display von 10,1 Zoll Größe mit akustischer Rückmeldung installiert. Seine Grafik ist „bewusst clean und reduziert gehalten“, sagt Audi. Das in anderen Baureihen bereits realisierte virtuelle Cockpit bleibt ebenso im Angebot wie das Head-Up-Display.
Für die schlichteste Variante des Neulings wird Audi 33.600 Euro verlangen. Das Modell mit der Typenbezeichnung „A4 35 TFSI“ hat einen Vierzylinder-Benziner mit 150 PS, Frontantrieb und eine 6-Gang-Handschaltung. Alle anderen Motorversionen sind mit einer 7- oder 8-Gang-Autoimatik ausgestattet. Der günstigste Diesel (136 PS) steht mit 38.900 Euro in der Preisliste. Erheblich tiefer in die Tasche greifen müssen die Kunden der S4-Limousine: 62.600 Euro werden aufgerufen, für die Kombiversion sind es noch einmal 1650 Euro mehr. Der A4 allroad quattro 45 TFSI kostet 50.100 Euro.
