Audi RS Q8: Unvernunft inklusive

Audi RS Q8: Unvernunft inklusive
Der Audi RS Q8 hat 600 PS und verfügt über ein Allradlenkung. © Audi

Braucht man so etwas? Einen SUV mit einem V8 und einer Leistung von 600 PS? In Zeiten, in denen über den Sinn dieser Fahrzeuge diskutiert wird, eher nicht.

Für Audi stellt sich eine solche Frage indes nicht. Das SUV-Coupé dürfte trotz seines Preises von mindestens 127.000 Euro dürfte genügend Kunden finden. Wer in Anbetracht des stattlichen Preises auf eine volle Hütte hofft, wird indes enttäuscht. Blättert man durch die vielseitige Aufpreisliste, findet man Extras im Wert von grob geschätzt rund 80.000 Euro, mit denen sich selbst ein Top-Modell wie der RS Q8 noch aufwerten lässt.

Das Angebot reicht vom Dynamikpaket (unter anderem mit Keramikbremsanlage) für fast 14.000 Euro, über die 6.450 Euro teure Bang-&-Olufsen-Stereoanlage bis zu den Radschrauben mit Diebstahlsicherung für 35 Euro, die verhindern sollen, dass jemand die edlen 23-Zöller mopst.

Design behutsam modifiziert

Warum aber gibt jemand mitunter rund 200.000 Euro für den Audi RS Q8 aus? Ganz sicher nicht nur wegen des Designs. An der Karosserie hat die verantwortliche Audi Sport GmbH, der Quattro-Nachfolger, nur dezent Hand angelegt. Natürlich gibt es eine aggressivere Frontschürze, freilich sind die Backen etwas breiter, und auch das Heck mit markantem Spoiler und dicken Endrohren macht was her – das aber hätte es im Zubehör-Handel deutlich günstiger gegeben.

Das Cockpit des Audi RS Q8. Foto: Audi

Nein: Die einen werden sicher einfach zuschlagen, weil sie es sich halt leisten können und sich RS am Stammtisch besser macht als Nur-S. Die anderen aber, weil sie der Faszination des schier Unmöglichen erliegen werden, das die Ingenieure – wieder einmal – vollbracht haben. Egal ob man sich bei Mercedes, BMW oder eben Audi umschaut, es ist schlichtweg beeindruckend, welche Agilität und Dynamik sich mit der richtigen Technik selbst einem leer 2,4 Tonnen schweren Blechkoloss, der dazu noch eine nicht gerade windschnittige Form hat, beibringen lässt.

Glänzender Fahreigenschaften

Das Bonmot der „scheinbar außer Dienst gestellten Naturgesetze“ mag überstrapaziert sein, genauso treffend aber ist es auch im Falle des RS Q8. Als wäre Sir Newton nie gewesen, pfeilt der Audi durch Kurve um Kurve ohne auch nur mit der Wimper zu zucken und in einem Tempo, das man manch’ schnittigerem Sportwagen nicht zutrauen würde.

Möglich machen es die nahtlose Zusammenarbeit von Allradantrieb und Allradlenkung, Sportdifferenzial und 48-Volt-Wankstabilisierung sowie die überarbeitete Fahrwerks- und Lenkungsabstimmung – und natürlich optimal trainierte Regelsysteme. Mit dem Rubens-Heck zu wackeln ist quasi nicht möglich, und wenn es dem Audi doch zu viel wird, kündigt er seinen Missmut lediglich mit einem gut kontrollierbaren Schieben über die Vorderräder an.

Kann man – abgesehen vom Preis – an so einem Auto überhaupt Kritik üben? Das aktuelle, durch und durch digitalisierte Cockpit gibt ebenso wenige Anlass zu Tadel wie die perfekten Sportsitze oder das Platzangebot, und selbst wer weniger sportlich unterwegs sein will kann dank adaptivem Luftfahrwerk mit dem RS Q8 auch noch ziemlich kommod dahingleiten.

Ausgerechnet aber das Herzstück eines jeden Sportwagens, der Motor, erweist sich als Schwachstellchen – zumindest, wenn man auf sehr hohem Niveau jammern möchte. Zwar stellt der aufgeladene Vierliter-V8 besagte 600 PS bereit und stemmt noch beeindruckendere 800 Newtonmeter Drehmoment auf die Kurbelwelle. Mehr braucht es auch auf keinen Fall, reicht die Kraft doch für einen Standardsprint in 3,8 Sekunden und maximal 305 km/h. Allerdings dürfte das Triebwerk ruhig noch einen Ticken bissiger reagieren und direkter am Gas hängen.

12 Liter Verbrauch

Das große Heck des Audi RS Q8. Foto: Audi

Das fällt vor allem im Komfortmodus, wo der Achtender üblicherweise weit unterhalb der Zweitausend-Touren-Marke rumbummelt und, beim spontanen Überholmanöver etwa, Achtgang-Automatik und Turbolader erstmal in Bereitschaft versetzet werden müssen, ehe es so richtig zur Sache geht. Wahrscheinlich ist dieser Hauch von Turboloch kaum messbar, zumindest mit dem Wissen um die 600 Pferdchen unter der Haube und die RS-Insignien ist er aber spürbar.

Verkürzt wird die Verzögerung durch den Dynamik-Modus, nach längerer Zeit des Dahinrollens müssen aber auch hier beim plötzlichen Tritt aus Gas erstmal alle Systeme wieder in Stellung gebracht werden. Schließlich schnurrt der V8 auch im Sport-Modus nicht immer mit 4.000 Touren oder mehr vor sich hin. Klanglich wäre das vielleicht ein Genuss, in Sachen Verbrauch aber ganz sicher nicht. Fließen doch so schon, trotz Mild-Hybrid-System, über zwölf Liter pro 100 Kilometer durch die Benzinleitung, und in der Praxis ganz sicher noch weitaus mehr. Auch das könnte man dem RS Q8 vorwerfen. (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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