Aston Martin macht auch beim DB11 das Understatement zur obersten Maxime. Der Nachfolger des DB9 zeigt dabei sogar ein Herz für Nachbarn – ehe er seine Zurückhaltung fallen lässt.
Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung in der Villa Collalto. Und um halb acht auch. Zwar haben die Mechaniker gerade ein Dutzend Supersportwagen in Hof des toskanischen Landgutes aufgefahren, doch die Gäste schlummern friedlich weiter. Denn selbst wenn es bei Aston Martin noch kein Hybrid- und erst recht keinen Elektroantrieb gibt, ist der neue DB11 das leiseste Auto, das die Briten je gebaut haben.
Oder kann es zumindest sein, wenn der Fahrer höflich ist und den Frieden mit seinen Nachbarn liebt. Nicht umsonst hat der neue Grand Turismo, der im Oktober zu Preisen ab 204.900 Euro die Nachfolge des DB 9 antritt, eigens einen Silent Start-Mode bekommen. Mit ihm bleiben beim Anlassen die Schallklappen geschlossen und man hört vom mächtigen Zwölfzylinder kaum mehr als ein heißeres Flüstern.
Aston Martin DB11 in 3,9 Sekunden auf 100
Das passt zu einem Auto, das Understatement zur obersten Maxime macht und deshalb weder akustisch nach Aufmerksamkeit heischt noch alle Blicke fangen will. Natürlich fällt ein Aston Martin auf. Schon weil man ihn nicht an jeder Ecke sieht. Aber gemessen an der Konkurrenz ist der DB11 eine eher stille Schönheit, der jede Übertreibung peinlich ist. Keine Linie zu viel ziert deshalb seine in Form und Format nur mäßig modifizierte Karosse. Die Kiemen in den Kotflügeln und die Nüstern auf der Haube sind vergleichsweise dezent, die Leuchten schlicht und schmal und pubertäres Flügelwerk sucht man gleich ganz vergebens. Mehr als einen winzigen Heckspoiler gibt es nicht. Und selbst der fährt nur aus, wenn das Sportprogramm aktiv und man besonders schnell unterwegs ist.
Aber bevor hier ein falscher Eindruck entsteht: Nur weil der DB11 so zurückhaltend auftritt, ist er kein Langweiler. Im Gegenteil: Man muss nur ein wenig fester aufs Gas treten, dann lässt er alle Zurückhaltung fahren und aus dem Tiefstapler wird ein Tiefflieger, der kaum mehr Grenzen kennt. Wenn man dann noch mit den beiden Schaltern am Lenkrad Fahrwerk und Antrieb scharf schaltet, dann dreht der neue 5,2-Liter-V12-Turbo mit seinen 447 kW/608 PS auf, den Aston Martin bei Ford in Köln bauen lässt, und brüllt wie entfesselt. Die Achtgang-Automatik von ZF wechselt die Gänge wie mit Hammerschläge und der DB11 stürmt voran, dass es eine wahre Freude ist. Von 0 auf 100 in 3,9 Sekunden und bei Vollgas 322 km/h – da ist für Understatement dann nicht mehr viel Platz.
Aston Martin DB11 benötigt keine Inszenierung
Spektakulär sind aber nicht allein die Fahrleistungen, sondern mehr noch die Art, wie man diese erlebt. Denn auch da macht der DB11 einen großen Unterschied zur Konkurrenz. In einem Lamborghini sind solche Vollgasorgien automobile Pornographie, Ferrari macht daraus das große Drama und bei Bentley lacht man höhnisch über die Gesetze der Fahrphysik, die mit Opulenz und Ignoranz ausgehebelt werden. Doch bei Aston Martin ist die Schnelligkeit so selbstverständlich, dass sie keine große Inszenierung braucht.
Dabei hilft dem DB11 neben der leichten Alustruktur und der durch das ins Heck verlagerte Getriebe ausgeglichenen Gewichtsverteilung vor allem sein innovatives Aerodynamik-Konzept. Denn die Briten entlüften nicht nur geschickt die vorderen Radhäuser mit von unten genoppten Stegen in den Kiemen, damit der Bug bei hohem Tempo nicht zu leicht wird. Sie lenken den Fahrtwind auch entlang der C-Säule durch einen Tunnel, der unter dem Kofferraumdeckel endet und die Luft so ausströmen lässt, dass sie einen unsichtbaren Spoiler bildet und das Heck so noch fester auf die Fahrbahn drückt.