Die Leute bei Aston Martin haben ein Problem. Immer wenn der Name der britischen Traditionsmarke in einer Runde Autofans fällt, schwärmt einer mit allergrößter Wahrscheinlichkeit: Ach ja, das Bond-Auto.
Tatsächlich hat kein anderer Untersatz des britischen Agenten jemals eine so große Wirkung entfaltet, wie der DB5 in den Filmen „Goldfinger“ und „Feuerball“ in den 60er-Jahren. So groß war diese, dass auch in späteren Filmen (etwa: Skyfall) immer wieder auf das ikonische Fahrzeug zurückgegriffen wurde.
Und wo ist da das Problem? Natürlich spielen die Macher bei Aston Martin gerne mit dem Bond-Image, schließlich beschert es ihnen nicht nur kostenlose Werbung, sondern wirkt auch stilbildend auf das britisch-coole Image der Marke. Aber Image hin, DB5 her – Aston muss nach vielen harten Jahren am Rande des Abgrunds seine aktuellen Modelle schließlich in der Gegenwart verkaufen. Dieser Spagat ist für die Briten nicht so ganz einfach zu bewältigen. Von daher stellte sich für uns bei unserem Testwagen, dem DB 11 Coupé, schon die Frage: Gibt es für Aston Martin überhaupt ein Leben jenseits von James?
Aston Martin bleibt ein Hingucker
Auf der Straße ist das Coupé auf jeden Fall schon mal ein absoluter Hingucker, auch wenn auf Anhieb kaum jemand die Marke dahinter erkennt. Aber die Form des 2+2-Sitzers ist eben fast makellos und mit allen Zutaten klassischer Sportwagen versehen. Wir finden eine lange Motorhaube, eine hohe Gürtellinie mit wenig seitlichem Glasanteil und selbst das Heck – bei vielen Sportwagen ein optischer Schwachpunkt – fällt so selbstverständlich elegant aus, wie man es sich nur wünschen darf.
Allerdings hatten wir von einem Aston Martin auch nichts weniger erwartet, als eine atemberaubende Optik. Etwas skeptischer waren wir da schon in Sachen Fahrqualitäten. Doch, Überraschung! Der Nachfolger des von 2004 bis 2016 gebauten DB 9 steht auf einer ganz neuen Plattform, die es den Briten ermöglicht, einen echten Gran Turimso auf die Räder zu stellen.
Der DB 11 fährt sich in eben jener Einstellung, nämlich GT, immer sportlich, aber auch für Langstrecken noch kommod genug. Schaltet man dagegen in den Sport-Modus, wechselt das Coupé seinen Charakter, wird laut, böse und radikal. Das funktioniert technisch prächtig, will aber zur souverän-eleganten Ausstrahlung des Fahrzeugs nicht so recht passen.
Exakte Bremsen, stimmiges Paket
Das Gesamtpaket aus Motor (dazu kommen wir noch) und Achtgang-Automatikgetriebe stimmt aber, die Lenkung ist exakt, die Bremsen packen beherzt zu und an Sitzen bzw. der Sitzposition gibt es zumindest für normal gewachsene Menschen nichts auszusetzen. Man darf nur die Angabe „Viersitzer“ nicht ernst nehmen. Das Coupé ist ein Zweier mit zusätzlicher Ablagemöglichkeit auf den „Rücksitzen“.
Als Antrieb hatten wir uns für den V8 entschieden und das nicht wegen der 21.000 Euro Aufpreis zum V12, was zwar nicht wenig Geld ist, bei einem Basispreis von 184.000 Euro aber nun auch nicht mehr unbedingt entscheidend ins Gewicht fallen dürfte. Nein, der V8 liegt vielmehr viel weniger stark auf der Vorderachse, immerhin ist er 115 Kilo leichter. Zudem handelt sich bei ihm um einen Motor von Mercedes, genauer gesagt von AMG. Falls Sie es noch nicht wussten: Daimler ist mit fünf Prozent an Aston Martin beteiligt, was es den Briten erleichtert, auf Motoren und Technik der Schwaben zurückzugreifen.
Motor leistet 510 PS
Im DB 11 leistet der aus dem AMG GT bekannte Motor 375 kW/510 PS und entwickelt ein Drehmoment von bis zu 675 Newtonmetern, das zwischen 2.000 und 5.000 U/min permanent anliegt. Die Fahrleistungen: Nach 4,0 Sekunden ist Tempo 100 erreicht, maximal sollen 300 km/h möglich sein. Das haben wir aber nicht ausprobieren können. Den Normverbrauch hat Aston Martin ganz knapp unter die 10 Liter gedrückt, was schön aussieht, aber natürlich in der Praxis nicht einzuhalten ist.
Die Formel: Je größer und stärker der Motor, desto höher die Abweichung von der Norm, gilt auch hier. Aber wer 200.000 Euro für ein Auto ausgibt, wird sich von über 14 Litern realem Durchschnittsverbrauch kaum schrecken lassen.
Bekanntes Infotainment-System
Im fein eingerichteten Innenraum wird einem Mercedes-Fahrer das eine oder andere bekannt vorkommen, etwa das Infotainment mit dem üblichen Dreh-/Drücksteller und der etwas gewöhnungsbedürftigen Bedienung. Im Aston Martin wirkt das System aber irgendwie nicht ganz so souverän, sogar einen Bildschirmausfall mussten wir kurzfristig verkraften.
Aber das sind Kleinigkeiten, die letztlich vom optischen Auftritt des DB 11 und seinen Qualitäten als sportliches GT-Coupé klar überstrahlt werden. Selten hatten wir ein Fahrzeug im Test, dass in der Redaktion und auf der Straße so einhellig positive Reaktionen hervorrief. Und da die meisten Menschen wie erwähnt die Marke auf den ersten Blick ja gar nicht erkannt hatten, dürfen wir die Gentlemen bei Aston Martin beruhen: Ja, ein DB 11 funktioniert auch ohne Bond-Legende, einfach, weil es ein wunderschönes, prächtig motorisiertes Coupé ist. (SP-X)