Kurz, leicht und wendig – so stellt sich Alpine den elektrischen Flottflitzer vor. Die A290 der Renault-Tochter glänzt dabei nicht mit hoher Reichweite, dafür aber viel Fahrfreude.
Wie das so ist mit einem Trend. Einmal gesetzt, kommt kaum noch jemand daran vorbei. Bei E-Autos heißt das immer öfter: moderne Akku-Technik – aber bitte modelliert wie Ikonen der Verbrenner-Ära. So hat auch die vollelektrische Alpine A290 ein historisches Vorbild. Und was für eines: Man schrieb das Jahr 1980, als Renaults Mittelmotor-Kracher R5 Turbo erstmals pausbackig über die Straßen donnerte.
Zuvor war der sportliche Stadtflitzer – schmaler und mit Frontantrieb – schon als R5 Alpine unterwegs. An diese Historie will die 2012 wiederbelebte Marke nun anknüpfen. Zum großen Glück nicht mit einem SUV, von denen es schon viel zu viele gibt.
Nur knapp 1,5 Tonnen Leergewicht
So trägt der 3,99 Meter kurze Flottflitzer keine kleine Bürde. Die 1955 von Jean Rédélé im französischen Dieppe gegründete Marke Alpine hat früh mit kompromisslos leichten und wendigen Fahrzeugen wie A110 und A310 für Furore gesorgt. Der Geist des Motorsports werde im Alltag erlebbar, versprach Alpine-Boss Laurent Rossi schon bei der Vorstellung der ersten Studie. Das war tatsächlich nicht zu viel versprochen.
Mit ihren gerade mal 2,53 Metern Radstand, aber wuchtigen 1,82 Metern Spurbreite sorgt die A290 trotz der vergleichsweise hohen Karosserie für jede Menge Agilität um die Hochachse und eine ordentliche Portion Fahrspaß. Zu danken ist das dem in der Hauptsache erfreulich geringen Leergewicht von knapp 1,5 Tonnen, einem klugen Drehmoment-Management und einer für einen Kleinwagen ungewöhnlich aufwendigen Mehrlenker-Hinterachse. Ein paar schicke Details haben sich auch die Designer gegönnt: die X-förmigen Lichter nach dem Vorbild kreuzweise abgeklebter Rennwagen-Scheinwerfer etwa oder das einem Formel-1-Boliden nachempfundene Lenkrad.
Die Plattform teilt sich die A290 mit dem Renault R5 E-Tech, doch bei Optik wie Technik durfte es dann doch etwas mehr sein. Bäckchen, Spoiler und anderer Zierrat sorgen dafür, dass die Alpine den R5 in der Länge um sieben Zentimeter und in der Breite um vier überragt. Zudem fährt der Ableger mit dem großen A im Logo ausschließlich mit dem größeren 52-kWh-Akku vor, in der Basisversion GT gelangen 130 kW (177 PS) an die Vorderräder, die Performance-Variante wartet mit 160 kW (218 PS) auf. Da sind dann zwar nur noch offizielle 364 Kilometer Aktionsradius drin – aber Reichweite ist nun mal nicht die Kernkompetenz des Wagens. Man kauft ja auch keinen Porsche, um Sprit zu sparen.
19-Zöller mit speziellen Michelin-Reifen
Für langweilige Alltagsfahrten bräuchte es schließlich keine elektronische Differenzialsperre, keine 19-Zöller, keine speziellen Michelin-Reifen und keine ausgefeilte Aerodynamik. Und selbstverständlich hätte man sich die Overboost-Taste aus rot eloxiertem Aluminium sparen können, über die sich die maximale Power abrufen lässt – für zehn Sekunden und nur auf trockener Straße. Wer aber Mini als Konkurrenz sieht, muss halt tatsächlich den Geist des Motorsports beschwören.
Und so leuchtet beim GTS-Modell die dritte Stelle im Tacho schon nach gerade mal 6,4 Sekunden – und rauf geht’s immerhin bis Tempo 170. Um da runterzukommen, muss man eine ordentliche Scheibe haben. Exakt 32 Zentimeter Durchmesser haben sie beim A290, und die Brembo-Zangen verbeißen sich derart darin, dass es eine Freude ist. Besonders gut gelungen ist den Ingenieuren überdies das „Blending“. Jene aus der Destillierkunst entlehnte Fertigkeit des Mischens – in diesem Fall von mechanischer und elektrischer Verzögerung. Und zwar so, dass das Gefühl im Fuß stets gleichbleibt. Schade nur, dass es der in bester Rallye-Manier steil aufragende Handbremshebel des einstigen Showcars nicht in die Serie geschafft hat.
Eine Gewichtsverteilung von 57:43 erlaubt hohe Dynamik, die auch im Grenzbereich gut kontrollierbar bleibt. Die Lenkung arbeitet exakt und lässt sich auch unter Volllast nur wenig aus der Ruhe bringen. Kleiner Trost für weniger ambitionierte Fahrer: Mit der straffen, aber keineswegs unkomfortablen Abstimmung kommt man in der Südstadt ebenso klar wie auf der Nordschleife. Den künstlichen Motorsound hört man ohnehin nur innen.
Kontrolle bis weit in den Grenzbereich
Assistenz ist reichlich an Bord, im Sport-Modus indes lassen sich die Helferlein etwas zurückdrängen und mit einem langen Druck auf die ESP-Taste vorübergehend sogar ganz in die Pause schicken. Da zeigt sich dann das wahre Potenzial des Wagens inklusive eines gut kontrollierbaren Fahrverhaltens bis tief hinein in den Grenzbereich. Ein bisschen Erfahrung in Sachen Lastwechsel kann bei A290 unplugged zwar nicht schaden, Rufe nach einer Allrad-Version darf Alpine angesichts dieser Wendigkeit allerdings getrost überhören.
Sicher eingefasst von stark konturierten Sitzen kann man den Blick über das Cockpit mit zwei flachen Bildschirmen schweifen lassen. Erfreulich in Zeiten des Touchscreen-Overkills: Für die wichtigsten Funktionen darf man auf klassische Schalter drücken. Der wohl pfiffigste lässt nervige Warntöne von bis zu fünf Assistenzsystemen verstummen. Eine echte Wohltat. Ein weiterer Lenkrad-Gag: Über ein blaues Drehrädchen lässt sich die Rekuperation in drei Stufen variieren – ganz bis zum Stillstand allerdings reicht das One-Pedal-Driving leider nicht.
Gerüstet für bidirektionales Laden
Platz hat es vorne reichlich, in zweiter Reihe indes wird’s an den Knien eng – und auch der Einstieg erfordert reichlich Demut vor der Dachkante. Hinter voller Bestuhlung kommen trotz aller Kürze noch ordentliche 326 Liter unter, mit umgeklappten Sitzen packt die A290 sogar 1,1 Kubikmeter weg. Allerdings muss jedwede Fracht erst über eine hohe Ladekante gehievt werden. Pluspunkte beim Crashtest haben halt auch ihre Schattenseiten.
Wer der Versuchung der roten Taste nicht allzu oft erliegt und auch sonst Disziplin wahrt, kann die 300-Kilometer-Marke im Alltag durchaus schaffen. Darüber hinaus wird es schnell mühsam, weil sich die A290 in Sachen Ladeleistung eher wenig sportlich gibt. Bei nicht allzu üppigen 100 kW Gleichstrom zieht sich die 80-Prozent-Füllung dann doch 30 Minuten hin, an der heimischen Wallbox muss man knapp dreieinhalb Stunden einplanen.
Selbstbewusste Preise
Dafür ist Alpine bestens für bidirektionales Laden gerüstet. Die A290 spendet Strom an elektrische Geräte (V2L) ebenso wie ans Eigenheim (V2H). Sogar die Einbindung ins Stromnetz (V2G) ist möglich – sofern sich die Bundesregierung auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen verständigt. Dann ließe sich mit dem Wagen als Smart Grid-Puffer sogar ein bisschen Geld verdienen.
Vorher aber muss erst mal kräftig investiert werden. Die Türen zum Einstiegsmodell GT öffnen sich ab 38.700 Euro, für mehr Power werden 42.000 Euro fällig – und für die Top-Version GTS Premium Edition ruft Alpine 46.200 Euro auf, mit etwas Schnick und Schnack ist auch eine Fünf vorne möglich. Es ist halt wie früher bei den Verbrennern: Großen Spaß gibt’s nun mal nicht für kleines Geld.