Der Tonale ist das jüngste Modell von Alfa Romeo. Er bringt fast alles mit, um den Italienern gute Absatzzahlen zu bescheren.
Alfa Romeo ist so etwas wie der FC Schalke 04 der Autobauer. Eine ewige Liebesgeschichte. Die großen Erfolge liegen schon ein paar Tage zurück, aber in den Herzen der Fans lodert immer die Hoffnung auf bessere Tage.
Die könnten nun kommen. Für Schalke und für Alfa. Der Neuzugang der Tifosi heißt Tonale, benannt nach einem Pass in den Dolomiten. Der ist zwar kein heißblütiger Stürmer, dürfte aber bei Alfa endlich wieder für gute Transfersummen sorgen. Schließlich spielt der Tonale in der lukrativen Liga der Kompakt-SUVs.
Bis 2027 komplett unter Strom
Die taktische Ausrichtung ist dabei unmissverständlich: Der Spielplan steht unter dem Projektnamen “La metamorfosi” – die Verwandlung. Bis 2027 will Alfa komplett unter Strom stehen, 2024 kommt mit dem Mito-Nachfolger das erste rein elektrische Modell, Alfa-Boss Jean-Philippe Imparato verspricht bis dahin jedes Jahr ein neues Modell.
Der 4,53 Meter lange Tonale läutet die elektrifizierte Zukunft schon mal ein bisschen ein. Dafür zieht er sich über die schon recht betagte Technik-Plattform des Jeep Compass/Renegade (seit 2005) ein grün schimmerndes Trikot. Da sich auf dieser Basis kein kompletter E-Antrieb mehr realisieren lässt, begnügt sich Alfa mit drei Benzin-Hybridvarianten. Zwei Mild-Hybrid und ein Plug-In. Die Mild-Hybriden kommen mit einem 1,5 Liter-Turbo-Vierzylinder, 48 Volt-Bordnetz samt kleiner Batterie und Frontantrieb in den Leistungsstufen 130 und 160 PS.
Der 13,5 Kilo schwere Akku sitzt zwischen den Vordersitzen und soll den Tonale in erster Linie ein bisschen flottere Beine machen und zumindest beim Rangieren komplett elektrisch einparken. Der Verbrenner ist dann komplett entkoppelt. Der Plug-In-Hybrid startet im Herbst und hat 275 PS Systemleistung. Die elektrische Reichweite soll bei rund 64 Kilometern liegen, der 122 PS starke E-Motor an der Hinterachse macht den Tonale dabei zum Allradler.
Diesel kommt mit 130 PS
Für Diesel-Fans reicht Alfa ab Juni noch eine 130 PS-Version nach. Die Preisliste beginnt mit dem 130 PS starken Tonale Hybrid Super für 35.500 Euro, die 160 PS-Version Tonale Hybrid TI kostet 42.500 Euro, der Plug-In-Hybrid dürfte bei knapp unter 50.000 Euro starten.
Ein weiterer Baustein, der Alfa zurück in die erste Liga führen soll, ist die sogenannte NFT-Technologie (Non-Fungible Token). Dahinter steckt ein weltweit erstmals in einem Serienmodell angebotenes digitales Scheckheft, das, mit Erlaubnis des Eigentümers, alle Fahrzeug- und Werkstattdaten über das gesamte Autoleben speichert. Es basiert auf dem nicht manipulierbaren Blockchain-Konzept, einer kontinuierlich erweiterbaren Liste von Datensätzen. Alfa erhofft sich von der neuen Technik vor allem höhere Ablösesummen, also einen stabilen Wiederverkaufswert.
Kunden zurückgewinnen
Überhaupt ist Vertrauen die neue Währung, mit der die Traditionsmarke zurückzahlen möchte. Imparato sagt: “Der Tonale ist ein Ruf an alle Alfa Romeo Fans, die wir verloren haben.” Damit dieser erhört wird, erhält der SUV als erster und bislang einziger Alfa eine Fünfjahres-Garantie.
Zudem versprechen die Italiener ein ganz neues Qualitätslevel. “Einen Meilenstein” nennt Alfa den Tonale. Tatsächlich. Wohl kein Alfa zuvor war so sorgsam zusammengesetzt. Nichts wackelt, nichts knistert. Was man im Innenraum anfasst, ob Oberflächen, Verkleidungen, Knöpfe oder Regler, ob Sitze oder Kofferraumabdeckung, alles scheint aus einer neuen (Stellantis-)Truhe entnommen, zu der die Italiener bislang keinen Schlüssel hatten. Motto: Die bösen Geister der Vergangenheit sollen es sich hier gar nicht erst gemütlich machen
Erinnerungen an Historie
Trotzdem und zum Glück fährt die Vereinshistorie immer mit. Schon die Namen der vier Ausstattungsvarianten klingen so herrlich nach gestern: Super, Sprint, TI und Veloce. An der Front sowie am Heck erkennen wir das Drei-Augen-Design eines Alfa Zagato RZ oder Breras. Die ansteigende Seitenlinie zitiert den Alfa GT, die großen Telefon Scheiben-Räder tauchen ebenso aus unseren Erinnerungen auf wie das leicht geschüsselte Lenkrad oder die angedeuteten Tuben oberhalb des neuen Digital-Tachos, in dem wir sogar die feine Jäger-Grafik aus dem Duetto-Spider auszumachen glauben.
Das alles mixt Alfa mit einem modernen Multimedia-System, das in Tempo und Darstellung endlich State of the Art ist, obwohl die Bedienung ohne Übung nicht wirklich intuitiv von der Hand geht. Dafür zieht Alexa mit ein und hört aufs Wort. Das hilft.
Mehr Wunschdenken
Weniger hilfreich ist da schon Imparatos Ansage, im Tonale stecke mehr Alfa als jemals zuvor. Das mag das Fanlager beruhigen, entspricht aber mehr Wunschdenken als der Realität. Auch wenn die von uns gefahrene 160 PS-Version in der Beinarbeit einen durchtrainierten Eindruck vermittelt, straff und trittsicher, lässt die Lenkung doch viel an Sportsgeist vermissen.
Gerade um die Mittellage ist sie zu leichtgängig und indifferent, was sich leider auch im Sportprogramm nicht grundlegend ändert. Für die City ist das völlig okay, doch bei schneller Kurvenfahrt fehlt der Lenkung das Zielwasser, mit dem Stelvio oder Giulia so dynamisch um die Ecken biegen.
Kein Sturmtalent
Auch als neues Sturmtalent geht der auffällig leise Tonale kaum durch. Was in erster Linie an dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe liegt. Die ist ebenfalls nicht mehr ganz taufrisch und beantwortet den Kickdown mit einer Atempause, bevor der Wunsch nach zügiger Beschleunigung zum Motor weitergereicht wird. Dass dann die Batterie zusätzlich per E-Boost mit anschiebt, ist nicht wirklich zu spüren.
So bleibt am Ende ein schwammiges Bild. Als neues Teammitglied im Stellantis-Konzern hat der Tonale deutlich an Qualität gewonnen. Die typischen Alfa-Tugenden bleiben dabei allerdings ein wenig auf der Strecke. Das Cuore Sportivo schlägt nicht im Takt der Marke. Das macht den Tonale zu einem von vielen. Schön anzuschauen, aber leider nicht einzigartig. (SP-X)