Unter dem Dach des Stellantis-Konzerns scheint sich die Marke Alfa Romeo gefangen zu haben. Das Modell Tonale kommt in Deutschland besonders gut an.
Bei der italienischen Traditionsmarke Alfa Romeo sind Licht und Schatten auf einzigartige Weise vereint. Der mit viel Ruhm und Ehre emotional aufgeladenen Motorsport-Historie standen viele Jahre Qualitäts-Probleme und ein immer schmaler werdendes Modellangebot gegenüber. Der Absatz des Kompakt-SUVs Tonale konnte in Deutschland zwischen 2022 und 2023 um rund 80 Prozent gesteigert werden – auch wenn sich die Stückzahlen gemessen an den gesamten Neuzulassungen im Promille-Bereich bewegen.
Für diesen Test stand das Einstiegsmodell des aus vier Antriebsvarianten bestehenden Tonale-Angebots zur Verfügung. Es wird von einem 130 PS starken Turbobenziner angetrieben, der mittels 48-Volt-Technik von einem 15 kW leistenden Elektromotor unterstützt wird. Dieser Leistung, die mit einer Durchzugskraft von 240 Newtonmetern abgerufen werden kann, stehen mindestens 1600 Kilogramm Eigengewicht gegenüber. Da scheinen Zweifel angebracht, ob die Performance des Fünftürers mit dem sportlichen Image der Marke kompatibel ist.
Fünf Jahre Garantie und digitales Scheckheft
Das Modell Tonale hat einen klaren Auftrag: verloren gegangenes Vertrauen zurück zu gewinnen. Dafür hat sich der Hersteller nicht nur bei Material und Verarbeitung ins Zeug gelegt, sondern auch bei den so genannten „weichen Faktoren“. Als erster Alfa überhaupt lockt der Wagen mit einer fünfjährigen Garantie und auch das digitale Scheckheft, das mit fälschungssicheren Datensätzen Fahr-, Service- und Reparatur-Ereignisse speichern kann, soll langfristig positiv auf die Wertstabilität der Fahrzeuge wirken.
Übertriebene Bescheidenheit in der Preisgestaltung kann man dem Hersteller nicht vorwerfen: Gut 40.000 Euro werden für das Standardmodell mindestens fällig. Um den Appetit der Kundschaft anzuregen, hat Alfa das aus den drei Ausstattungslinien Sprint, Veloce und Tributo Italiano bestehende Angebot aber um eine „Edizione Speciale“ ergänzt: Für 39.000 Euro Grundpreis bietet es eine Reihe von wünschenswerten Sonderausstattungen wie etwa 20-Zoll-Alufelgen, Matrix-LED-Scheinwerfer, Alu-Sportpedale, Sperrdifferenzial, diverse Assistenten und Rückfahrkamera. Auch Alu-Schaltwippen an der Lenksäule gehören zum Lieferumfang, sie sind wegen ihrer Größe aber eher Hindernisse für die Betätigung von Blinker- und Scheibenwischerhebel.
Auskömmliche Platzverhältnisse
In der Kabine geht es sehr wohnlich und komfortabel zu. Da wird der Tonale den Erwartungen an erlesene italienische Haute Couture durchaus gerecht. Ordentliche Materialauswahl, stimmige Designs und gute Haptik an den Bedienelementen wissen zu gefallen. Da fehlt es nicht an sportlicher Ausstrahlung und auch die Platzverhältnisse sind auskömmlich. Vorn ist zwischen den Türverkleidungen 1,44 m Platz, hinten sind es noch 1,41 m. Nach VDA-Mess-Methode stehen zwischen 500 und 1550 Liter Gepäckraum zur Verfügung. Was man bei einem Auto dieser Preisklasse lieber nicht sehen möchte, sind offenliegende Inbus-Schrauben wie zum Beispiel an der Befestigungsstruktur der Sitze.
Das Cockpit des Wagens sieht nicht nur schick aus, die verschiedenen Bedienebenen sind auch benutzerfreundlich, weil man bei Alfa nicht dem neuen Fetisch der Schalter-Reduzierung huldigt. Viele Funktionen werden über den 10,25 Zoll großen Touch-Bildschirm abgerufen, die Darstellung erfolgt in hoher Auflösung und reaktionsschnell. Die Kartengrafik hat eine gute Detailtiefe, nur könnten die Symbole für den Abruf von Hintergrund-Funktionen größer sein, um Fehl- oder Mehrfach-Bedienungen auszuschließen.
Gedämpfter Sportsgeist
Was dem 1,5 Liter großen Vierzylinder zugutegehalten werden kann, ist seine unaufdringliche Arbeitsweise. Er geht ohne großes Tam-Tam zu Werke, selbst dann nicht, wenn man über den „DNA“-Schalter den Fahrmodus wechselt. Der Sportsgeist ist freilich nicht sehr ausgeprägt, was zum Teil an der Schaltcharakteristik der Siebengang-Automatik liegt, aber auch daran, dass mit 130 Pferdestärken nur schwer Bäume auszureißen sind. Knapp zehn Sekunden gibt der Hersteller als Wert für den Standardsprint auf 100 km/h an, das Doppelte ist als Höchstgeschwindigkeit vorgesehen. Mit sieben Litern Super je 100 Kilometer lag der Testwagen 0,9 Liter über dem Prospektwert.
Was dem Antrieb an dynamischer Attitüde fehlt, wird vom Fahrwerk ausgeglichen. Es ist betont straff angestimmt, wobei die montierten 20-Zoll-Felgen und die entsprechend geringe Gummi-Überdeckung ihren Teil dazu beitrugen. Fahrbahn-Unebenheiten wurden entsprechend kaum gefiltert auf Kabine und Insassen übertagen. Doch wer sänftengleich über die Fahrbahn schweben will, schaut sich in der Regel nicht bei Alfa um. Der Vierzylinder-Turbo arbeitet leise und der 48-Volt-Generator schiebt im unteren Drehzahlbereich mit an.
Per Saldo sammelt der Tonale Punkte in Qualitäts-Anmutung und Verarbeitung, hat zu Recht bei der Kundenakzeptanz Boden gut gemacht. Für ein sportlich orientiertes Publikum halten andere Antriebsvarianten als der 130-PS-Fünftürer mehr Spaßpotenzial bereit. Die „Edizione Speciale“ schöpft ihre Attraktivität in erster Linie aus den zusätzlichen Ausstattungsmerkmalen, die in einem preislich attraktiven Paket zusammengefasst sind.