
Das erste E-Modell von Alfa Romeo muss natürlich auch in einer Sportversion auf den Markt. Da hatten die Italiener ein glückliches Händchen.
Wie bekommt man Neuwagenkäufer dazu, auf ein E-Auto umzusteigen? Diese Frage treibt alle Hersteller um, und sie antworten mit den verschiedensten Konzepten. Mit einem Innenraum, der so auch jedem Verbrenner gut stehen würde, reiht sich jetzt Alfa Romeo in die Riege der Traditionalisten ein. Als nur 4,17 Meter langes SUV stößt der Junior in ein boomendes Segment. Kleine, bezahlbare E-Autos als Gegenpol zu den vielen großen, schweren und teuren Elektro-SUV sind beliebt, und mit einem Einstiegspreis von 39.500 Euro bleibt der Alfa unter der für viele Käufer magischen 40.000-Euro-Schwelle.
Allzu lange hatte Alfa Romeo ein trauriges Nischendasein gefristet, stand sogar auf der Kippe. Erst mit dem vor zwei Jahren eingeführten Kompakt-SUV Tonale geht’s langsam wieder bergauf. Doch echte Alfisti vermissen beim Tonale die sportliche DNA der Marke. Genau die wollen die Italiener nun ihrem erste E-Auto mit auf den Weg geben. Sie wollen die vielen Fans zurückgewinnen, die mangels neuer Modelle bei BMW, Audi oder Cupra gelandet sind. Der Junior nutzt die gleiche elektrische Basis wie die Konzernmodelle Jeep Avenger oder Fiat 600e. Dazu gehört auch die relativ kleine Batterie mit 54 kWh, die hier für rund 400 Kilometer Reichweite gut sein soll. Der 115 kW (156 PS) starke Stellantis-Standardmotor findet sich ebenfalls unter dem ansehnlich gefalteten Blech.
E-Motor mit Torsen-Sperrdifferenzial
Für eine erste Testfahrt stellten die Italiener jedoch ihr Sahnestück zur Verfügung, den 200 km/h schnellen und 48.500 Euro teuren Junior Veloce. Dessen 207 kW (280 PS) starker Synchronmotor wurde inhouse entwickelt und zudem erstmals in einem Elektroauto mit einem mechanischen Torsen-Sperrdifferenzial kombiniert. Dazu gibt’s verstärkte Stabilisatoren und ein um 2,5 Zentimeter tiefergelegtes Sportfahrwerk. Außerdem wiegt der Veloce nur 1.585 Kilo, gut 200 Kilo weniger als die meisten E-Autos in diesem Segment.
Schalensitze und Sportlenkrad sind mit schwarz-rotem Velours bezogen, der ganze Innenraum wirkt hochwertiger als bei den Konzernbrüdern. Ein übersichtliches digitales Infodisplay hinterm Lenkrad ahmt Rundinstrumente nach und zeigt die Geschwindigkeit direkt im Blickfeld. Eine breite Mittelkonsole trennt den kokonartigen Arbeitsplatz des Fahrers vom Beifahrer, das mit 10,25 Zoll vernünftig dimensionierte Display samt den darunter platzierten Tasten wendet sich leicht dem Fahrer zu. Alles wie gehabt.
Keine Chance für Seitenneigung
Selbst in Fahrt lässt der Junior kurz vergessen, dass ein E-Motor anschiebt. Der nur im Innenraum hörbare künstliche Motorsound klingt kernig, aber nicht aufdringlich. Der Junior liegt satt auf der Straße, reizt die Grenzen der Physik weit aus. Das fast brettharte Fahrwerk unterdrückt jegliche Seitenneigung, die super-direkte Lenkung lässt den Wagen mit kleinen Bewegungen am Volant zackig ums Eck eilen. Vor allem aber das Differenzial scheint zu wirken. Sobald ein Rad durchzudrehen droht, wird das überschüssige Antriebsmoment zum gegenüberliegenden Rad geleitet. So zieht sich der Junior förmlich in die Kurve, bleibt auch bei hohem Tempo stabil.
Keine Frage: Alfa kann Fahrwerk und die Übertragung dieser Kompetenz ins Elektrozeitalter ist den italienischen Ingenieuren bestens gelungen. So dynamisch fährt sich kein anderes kleines E-Auto. Allerdings empfiehlt sich vor dem Kauf eine ausgiebige Proberunde, ob das relativ harte Fahrwerk auch im Alltag passt. Ein Blick ins Heckabteil: 400 Liter Stauraum sind mehr als bei der Konkurrenz. Ein variabler Boden lässt sich in zwei Stufen einsetzen, um das Beladen zu erleichtern. Für den großen Ikea-Einkauf taugt der Junior trotzdem nicht, denn bei geklappten Rücklehnen steigt der Ladeboden steil nach vorne an.
Allrad-Version Ende des Jahres
er Rest ist schnell erzählt: An der Ladesäule fließen maximal 100 kW Strom und wie alle neuen E-Autos lässt sich die Software des Junior over the Air aktualisieren. Eine vernünftige Routenplanung sucht passende Stromspender aus und berechnet die nötigen Ladezeiten, die LED-Scheinwerfer lassen sich auf Wunsch um eine Matrix-Funktion erweitern. Wer allerdings alle Nettigkeiten genießen will, muss noch die beiden optionalen Pakete bestellen und landet dann bei knapp 54.000 Euro. Toppen lässt sich das Ganze mit der für Ende 2024 angekündigten Allrad-Version.
Wer noch immer an der E-Mobilität zweifelt, könnte im Junior Ibrida eine Alternative finden. Der Hybride mit 48-Volt-Technik und 21 kW starkem E-Motor kostet lediglich 29.500 Euro, muss allerdings ebenso wie der schwächere E-Motor auf die sportlichen Attribute und das Sperrdifferenzial verzichten. (SP-X)