E-Autos sind für viele Kunden emotionslos. Sie suchen Autos, die die Gefühle ansprechen: dazu gehört ein Modell wie der Abarth 695.
Er hoppelt, röchelt, schnauft und provoziert große Gefühle bei Insassen wie Außenstehenden. Ob Zorn und Verdruss oder Bewunderung und Freude – eine Fahrt mit dem kleinen Krawallo ist auch ein wilder Ritt im Wellenbad der Emotionen. Fast möchte man meinen: Schön, dass es so etwas noch gibt.
Das trifft auch auf die Größe zu: Mit einer Länge von 3,66 Meter ist die Italo-Ikone zugleich ein krasser Gegenentwurf zum scheinbar unaufhaltsamen Wachstum der Autos.
Auf sportlich getrimmt
Neben den vielen SUVs, Vans und Crossover-Modellen wirkt der Abarth 695 fast ein wenig verloren. Unscheinbar ist er indes nicht. Dafür sorgt bei unserem Testexemplar, ein Tributo 131 Rally, unter anderem der Zweifarb-Metallic-Lack, 17-Zöller mit Diamond-Cut-Finish, vier Auspuffendrohen und der mächtige Dachkantenspoiler.
Die werden auch beim Blick in den Innenraum mehr als deutlich. Alupedale, Echtcarbon am extragriffigem Lederlenkrad, Alcantara-Armaturenbrett sowie die eigentlich für Rennwagen gemachten Sabelt-Sportsitze stimmen auf ein nicht ganz alltägliches und von gewissen Härten durchsetztes Fahrerlebnis ein. Die eigentliche Basis zeichnet sich durch dröge Hartplastikwelten aus, doch unseren 695 erlebt man als optisches wie haptisches Kleinod.
Basis ist der Fiat 500
Was die vielen feinen Extras nicht kaschieren: Die Basis des Abarth, der klassische Fiat 500, hat mehr als 15 Jahre auf dem Buckel. Selbst Neuerungen wie das digitale Kombiinstrument oder der 7-Zoll-Infotainmenbildschirm können darüber nicht hinwegtäuschen, zumal das an Bord befindliche Uconnect-Multimediasystem in puncto Konnektivität schon nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist. Im Tipo zum Beispiel bietet Fiat eine neuere Version, bei der unter anderem die Einbindung von Android Auto deutlich besser gelingt.
Ganz nach alter Väter Sitte muss noch ein echter Schlüssel in ein Schloss gesteckt und zum Motorstart gedreht werden. Kernig erwacht der 1,4-Liter-Vierzylinder zum Leben. Das Triebwerk hat Fiat schon lange im Programm. Letztes Modell, indem sich der auf Krawall gebürstete Turbo austoben darf, bleibt der Abarth.
180 PS in höchster Ausbaustufe
Im Fall des 695 darf er zudem in seiner höchsten Ausbaustufe mit 180 PS antreten, was für einen kleinen Eintonner durchaus reicht. Übermotorisiert ist das nicht, ein gewisses Gefühl von Souveränität kann er dennoch vermitteln. Vor allem im Vergleich zum schwächeren 595 gefällt die leicht bessere Beschleunigung bei Zwischensprints.
Der Hubraum ist gleich, doch die 180-PS-Variante bietet das sattere Vortriebsgefühl. Richtig giftig wirkt und klingt er, wenn man die Skorpion-Taste drückt. Dann hängt der Abarth noch gieriger am Gas und dröhnt um ein paar Dezibel markanter durch die Gegend. Unterwegs in der Stadt scheint nicht jeder das pubertäre Gehabe zu goutieren. Jedenfalls haben wir den ein oder anderen nicht immer freundlichen Blick registriert.
Wenig Platz im Fond
Auch im 695 selbst konnten wir gelegentliche Unmutsäußerungen aus der zweiten Reihe vernehmen. Manche Bodenschwelle brachte Sohnemann in Zwangskontakt mit dem Dachhimmel, der sich dann alles andere als amüsiert zeigte. Alltags- und familientauglich ist der Giftzwerg (gemeint ist der Abarth!) jedenfalls nicht.
Autobahntouren haben mit dem 695 dennoch ihren Reiz, denn hier kann man das für einen Kleinstwagen extraordinäre Dynamikpotenzial an die Grenze führen. Immerhin 225 km/h sind möglich, wirklich wohl fühlt man sich jenseits der 200 allerdings nicht. Und auch ein Blick auf die Tankanzeige mahnt zu gemäßigter Gangart. 8,7 Liter haben wir auf 100 Kilometer verfeuert. Für ein Sportwagen ist das ok, für einen Kleinstwagen aber gewiss kein Ruhmesblatt. Verblüfft hat uns auf langer Tour, wie entspannt man selbst nach hunderten Kilometern die Zwangshaltung im Schalensitz erlebt.
Selbst kleine Unebenheiten sind zu spüren
Eine verbindliche Seitenführung kann beim 695 jedenfalls nicht schaden, denn der kleine Wirbelwind zeigt sich gegenüber flotten Links-rechts-Manövern sehr aufgeschlossen. Allerdings zeigt er auch hier ein lebhaftes und erlebnisorientiertes Naturell.
Trotz Regeltechnik scharren häufig die Vorderräder, windet sich die Karosserie um die eigene Hochachse und teilt das sportliche Fahrwerk den Insassen selbst kleine Unebenheiten akribisch mit. Insgesamt fährt sich der quirlige Italiener ein wenig kapriziös, weshalb Richtung turbulentem Grenzbereich ein höheres Maß an Aufmerksamkeit nicht schaden kann. Doch wie eingangs erwähnt: Langweilig ist der Abarth 695 eben nicht. Günstig übrigens auch nicht, denn für die Limousine als Handschalter werden mindestens 31.000 Euro fällig. Für dieses Geld bekommt man auch schon ein gut gemachtes E-Auto. (SP-X)