Nun hat auch Toyota sein erstes Elektroauto. Bei einem ersten Test hinterlässt der bZ4X einen positiven Eindruck, auch wenn zwei Dinge irritieren.
Bei der Testfahrt in Kopenhagens Innenstadt recken nicht wenige der zahllosen Radfahrer die Hälse, verfolgen das leise summende SUV mit ihren Blicken. Auch wenn Elektroautos in Dänemarks Metropole schon lange keine Seltenheit mehr sind, sorgt der erste rein elektrische Toyota allein durch sein recht extravagantes Kleid für Aufmerksamkeit.
Und durch seine Bezeichnung, die schwer über die Lippen kommt. „bZ4X“ prangt da am Heck, wobei die ersten Buchstaben am wichtigsten sind. Denn „bZ“ steht für das englische „Beyond Zero“, drückt damit das neue Toyota-Motto aus. „Über die Null hinaus“ wollen die Japaner mit allen bZ-Modellen, die demnächst noch dazukommen werden, gegen den Klimawandel angehen, wobei nicht nur die Emissionen gemeint sind. Es geht auch um alle Dienstleistungen rund um das E-Auto.
Toyota hat E-Mobilität bisher vernachlässigt
Nun also doch, Toyota wird jetzt „richtig“ elektrisch. Zwar gilt der Konzern seit 1997 als Vorreiter der damals neuen Antriebsart. Der erste Prius kombinierte seinen Verbrennungsmotor mit der Kraft einer kleinen Batterie, die vor allem zum Spritsparen im Stadtverkehr diente. Mehr als 20 Millionen sogenannte Hybride in vielen verschiedenen Modellen hat Toyota seitdem verkauft. Alle mit dem Manko, dass sie zwar deutlich weniger Schadstoffe in die Luft blasen, aber eben doch klassische Verbrenner sind.
Den lange verschleppten Wandel zum reinen E-Auto erklärte Toyota mit der noch nicht ausreichenden Zahl von Ladestationen und der damit verbundenen Mühsal und Reichweitenangst der Kunden. Weil das Netz der Strom-Zapfsäulen nun langsam dichter wird, sieht der Mega-Konzern seine Zeit nun für gekommen.
Länge von 4,70 Meter
Das erste Modell sollte, ähnlich wie damals der Prius, allein schon optisch durch sein Äußeres als besonderer Toyota zu erkennen sein. So überrascht der gut 4,70 Meter lange Hochbeiner durch eine stark konturierte Seitenansicht, die je nach Lichteinfall für spannende Schattenspiele sorgt. Zugleich wird die Umgebung, wie vorbeifahrende andere Autos oder das Straßenleben, dadurch wie im Zerrspiegel eines Panoptikums dargestellt.
Eher konservativ ist die Frontpartie geraten mit glatter Motorhaube und einem schmalen Schlitz für LED-Schweinwerfer und Kühlergitter. Zu guter Letzt umspannt eine Rücklicht-Spange das Heck und verleiht dem Hinterteil so einen Hauch an Wuchtigkeit und Modernität. In Summe ist das Design mit Blick auf die doch eher konservative Toyota-Kundschaft recht gewagt und lehnt sich ein wenig an den Auftritt der Edel-Marke Lexus an.
Wohlfühlatmosphäre im Innenraum
Wohnzimmer-Atmosphäre herrscht dagegen im Innenraum mit wohl konturierten Sitzen, Bespannungen aus nachwachsenden Materialien und glatten Flächen in Klavierlack-Optik. Das schmale Zentralinstrument mit Tacho und Verbrauchsanzeige ist weit an die Frontscheibe gerückt und so hoch angebracht, dass auf ein Head-Up-Display verzichtet werden kann.
Zur Gediegenheit zählt auch der 12,3-Zoll-Monitor in den Top-Modellen (sonst nur 8 Zoll) unter dem noch echte Druckschalter bedient werden können. Darunter einer für den Umgang mit dem Allradantrieb, der dem Flaggschiff des bZ4X vorbehalten ist. Die Elektronik kann auf Wasserdurchfahrten, auf verschneites oder matschiges Terrain, sogar auf Krabbelkünste über kleinere Hindernisse oder recht steile An- und Abstiege an Hängen vorbereitet werden. „Ein SUV mit Geländequalitäten“, sagt Chef-Entwickler Ido Daisuke und beruhigt: „Keine Sorge, die Batterie ist wasserdicht“.
Preis bei fast 60.000 Euro mit Allrad
Fast 60.000 Euro kostet der komplett ausgestattete bZ4X mit Allradantrieb, glänzt dafür aber mit gleich zwei E-Motoren von je 109 PS, die je eine Achse versorgen. Eine Elektronik verteilt Antriebs- und Durchzugskraft je nach aktueller Fahrsituation. Wie bei vergleichbar starken E-Autos beeindruckt der Toyota durch souveräne und natürlich ruckfreie Beschleunigung aus dem Stand heraus ebenso wie bei Zwischenspurts.
Die Lenkung ist derzeit noch konventionell, ab nächstes Jahr soll dann das sogenannte „Steer by wire“ kommen. Dabei sendet die Bordelektronik Lenkbefehle, so dass die klassische Mechanik ausgedient hat. So wählt der Computer den stets den idealen Winkel sogar bei 180 Grad-Biegungen. Doch heute schon verwöhnt der Unaussprechliche seine Insassen mit standesgemäßem Komfort mit Raumgefühl auch für die Hinterbänkler.
Vielzahl von Assistenten
Der Fahrer wird durch ein Paket an nahezu allen bekannten Assistenzsystemen unterstützt, die für das Einstiegsmodell in zwei Paketen für zusammen rund 8.000 Euro dazu bestellt werden können. Der Fronttriebler (ab 47.490 Euro) hat nur einen Motor vorn (150 kW/204 PS), bietet allerdings einen deutlichen Reichweiten-Vorteil.
Mit bis zu 510 Kilometern pro Batterieladung kommt er gut 100 Kilometer weiter als der schwerere Allrad-Toyota und kostet zudem satte 12.500 Euro weniger. Kein Wunder also, dass nach Toyota-Schätzungen gut 75 Prozent der künftigen Käufer zu Gunsten der Reichweite und der eigenen Finanzen auf den frontgetriebenen bZ4X setzen werden.
Geringe Leistung an Wallbox
Eine Schwachstelle beider Modelle will Toyota bis Ende des Jahres beheben. Derzeit kann der bZ4X an Wallboxen unverständlicherweise für ein neues Auto nur mit 6,6 kWh statt der üblichen 11 kWh geladen werden, muss also daheim stundenlang am Strom hängen. Mit dem Update sollen dann 11 kWh möglich sein. Unterwegs kann an einer 150-kWh-Schnellladesäule angedockt werden, die den Akku in 30 Minuten wieder zu 80 Prozent füllt.
Das Ausmerzen eines weiteren Mankos gegenüber der etablierten Konkurrenz wird noch länger dauern. Derzeit arbeiten Navigationssystem und Bordelektronik noch nicht zusammen, wenn es um die Planung von Ladestopps oder das Temperaturmanagement der Batterie auf den Kilometern vor dem Stopp an der Ladesäule geht. Eine Wärmepumpe, die die Batterie von Aufgaben entlastet, ist aber immerhin schon an Bord.
Neue Plattform in Arbeit
Der bZ4X, dessen „4“ für die Fahrzeugkategorie und das „X“ für Crossover stehen, ist nur der Anfang. Um die Japaner vom Elektro-Bummelzug der letzten Jahre in einen ICE zu verwandeln, bereitet Toyota auf der neuen Plattform des Neulings weitere Modelle vor, zunächst wohl einen kleineren, kompakten SUV.
Insgesamt 15 E-Mobile sollen bis 2025 bei den Händlern stehen. Gleichzeitig wird aber auch der Wasserstoff-Antrieb, der zurzeit schon den Mirai befeuert, weiterentwickelt. Bis 2035 will Toyota in Westeuropa nur noch abgasfreie Modelle anbieten. Und wird es nach der EU-Entscheidung in dieser Woche wohl auch müssen. (SP-X)