Der Porsche 911 Carrera ist der Sportwagen schlechthin. Eventuelle Schwächen werden dem Boliden aus Zuffenhausen verziehen – wenn man überhaupt eine findet.
Von Peter Eck
Taschentücher heißen "Tempos", Suppenwürze ist "Maggi" und bei Sportwagen fällt den meisten Deutschen auf Anhieb "Porsche" ein. Und damit meint man nicht solch durchaus formidable Fahrzeuge wie den Cayman oder den Boxster. Vielmehr steht einem fast automatisch ein anderes Auto vor Augen – mit Kotflügeln, höher als die Motorhaube, mit prägnantem Dachverlauf und unverwechselbarem Heck: der 911.
Siebte Porsche 911-Generation seit 1963
Das Besondere dieses Fahrzeug offenbart sich ganz subjektiv auch darin, dass dem hartgesottenen Tester beim Anblick dieses Fahrzeugs immer noch die Knie ein wenig weicher werden und er den Probanden zudem nach zwei Wochen höchst ungern wieder Richtung Zuffenhausen entlassen hat. Aber der Reihe nach.
Der neue 911er ist seit letztem Jahr erhältlich. Wir sprechen von der siebten Generation seit 1963, 2013 feiert die Ikone also ihren 50. Geburtstag. Porsche lieferte uns die Version "S" an, jene mit 400 Pferdestärken statt 350 in der "Normalversion". Die 50 Mehr-PS und etwas extra Ausstattung lassen sich die Stuttgarter mit rund 14.400 Euro teuer bezahlen. Inklusive dem bei unserem Testwagen eingebauten Doppelkupplungsgetriebe PDK lag schon der Grundpreis dieses 11ers bei knapp 106.000 Euro. Insofern: alles beim alten.
Porsche 911 als Sportwagen vom Allerfeinsten
Was man allerdings für sein Geld bekommt, ist ein Sportwagen vom Allerfeinsten. Vielleicht kann man mit einem roten Renner aus Maranello noch eine Idee schneller um die Kurve jagen, das Gesamtpaket aus Image, Fahrleistung, Qualität, Alltagstauglichkeit und Werterhalt sucht in dieser Liga aber sicher seinesgleichen.
Die Herzen sind bislang noch jeder 911-Generation zugeflogen. Dabei haben wir, wie im richtigen Leben, aus lauter Liebe stets auch einige Schwächen übersehen (wollen). So waren die 911er bislang im Innenraum maximal auf Kompaktklasseniveau, zeigte das Fahrwerk bei hohen Geschwindigkeiten beim Geradeauslauf Schwächen und neigte in Kurven auf schlechtem Asphalt zum Versetzen.
Gut elf Liter Verbrauch für den Porsche 911 Carrera S
Das alles gehört in der neuen Generation der Vergangenheit an. Der neue 911er, davon konnten wir uns während unserer 14 Tage mit diesem Auto überzeugen, ist einerseits der bislang sportlichste und er ist gleichzeitig der mit großem Abstand alltagstauglichste.
Das gilt sogar, mit kleinen Abstrichen, beim Verbrauch. 8,7 Liter allerdings teuren Super Plus genehmigt sicher der Carrera "S" mit Doppelkupplung laut Norm. Wir brauchten zwar im Schnitt fast drei Liter mehr, aber dies ist einerseits angesichts der gebotenen Leistung immer noch nicht zu viel, vor allem aber kann man mit nur etwas Zurückhaltung leicht zumindest die 10-Liter-Grenze knacken.
Optimales PDK für den Porsche 911 Carrera S
Vorwerfen könnte man dem 911er nur, dass er kein konsequenter Sportler ist: (zu) hart, ruppig und mit schlechten Manieren. Aber wollen wir ihm das wirklich vorwerfen? Ist es nicht im Gegenteil gerade eine Stärke dieses Fahrzeugs, dass man mit ihm ganz entspannt zur Arbeit cruisen kann und nur bei Bedarf, und wann hat man heute schon dazu mal die Gelegenheit, das Raubtier aus dem Käfig lassen muss? Wir meinen: ja!
Wobei zur Alltagstauglichkeit sicher auch das immerhin dreieinhalb Tausender kostende PDK gehört, also das Doppelkupplungsgetriebe von Porsche. Zwar sind die Zeiten steinhart zu tretender Kupplungspedale schon längst vorbei und das serienmäßige manuelle Siebengang-Getriebe (!) leistet ebenfalls gute Arbeit. Doch eigentlich kann das PDK alles besser: schneller und präziser schalten, dabei Sprit sparen und dem Fahrer auf dessen Wunsch trotzdem die Möglichkeit zum manuellen Gangwechsel geben.
Porsche 911 Carrera S nahezu makellos
Mit dem im Vergleich zum Vorgänger um zehn Zentimeter gewachsenen Radstand fährt sich der neue 911 nahezu makellos. Zudem streckt sich das Fahrzeug dadurch optisch nochmals, weil das Dach weniger kuppelförmig wirkt. Außerdem haben sich die Überhänge vorne und hinten verkürzt und die relativ großen Rückleuchten der letzten Generation sind schmalen, technisch wirkenden Leuchtbändern gewichten. Das alles hat das Design-Team um Chef Michael Mauer so konsequent und doch behutsam umgesetzt, dass der 911er der siebten Generation Puristen nicht abschrecken wird, neue Generationen von Sportwagen-Fahrern – vor allem solche aus Nordamerika und China – aber zu Marke und Modell hinführen kann.
Kein Zweifel, der deutscheste aller Sportwagen ist so gut wie nie zuvor. Die Goldmedaille für den alltagstauglichsten Supersportler geht nach Zuffenhausen. (SP-X)