Lancia wagt mit Ypsilon ungewissen Neustart

Als E-Version und Hybrid

Lancia wagt mit Ypsilon ungewissen Neustart
Die E_Version des Lancia Ypsilon unterwegs im Piemont. © Lancia

Lancia kehrt zurück. In Italien kommt der neue Ypsilon bereits am 8. Juni auf den Markt, in Deutschland Mitte kommenden Jahres. Kann der Neustart gelingen?

Der Anspruch ist groß. „Unser Benchmark ist Audi und Mini“, sagt Luca Napolitano, der Chef der italienischen Automarke Lancia. Er hat den Auftrag von Stellantis-Carlos Tavares bekommen, die Marke neu zu beleben – und das im Premiumbereich. So gehört Lancia wie DS und Alfa Romeo zu den Premium-Marken des Konzerns.

Doch zuletzt spielte die Marke im internationalen Autogeschäft keine Rolle mehr. Im Jahr 2017 hatte sich Lancia daraus zurückgezogen – bot den Ypsilon nur noch auf dem Heimatmarkt Italien an. Hier erfreute sich das Modell mehr oder minder großer Beliebtheit. Rund 45.000 Kundinnen und Kunden entschieden sich im Vorjahr für den Zweitürer. In vier Jahrzehnten wurden von den vier Generationen drei Millionen Einheiten abgesetzt.

Ypsilon als Hybrid und E-Variante

Nun gibt es also einen Neustart für die Marke im beliebten B-Segment. Und Napolitano – seit dem 1. Juni auch Vertriebs- und Marketingchef von Stellantis – fällt die alles andere als leichte Aufgabe zu, der Marke neues Leben einzuhauchen. Gelingen soll das mit einer Neuauflage des Ypsilon, der in Italien offiziell ab Juni als Hybridvariante und auch als reine Elektroversion eingeführt wird. Dort kosten die Modelle 24.900 Euro bzw. 34.900 Euro. Für den deutschen Markt liegen noch keine Preisinformationen vor.

Lancia-Chef Luca Napolitano bei der Vorstellung des Ypsilon in Turin. Foto: Mertens

Dort, so ließ Napolitano wissen, kommen die beiden Modelle erst Mitte Jahres – und das, obwohl Deutschland der wichtigste europäische Automarkt ist. Ob das am angedachten neuen Agentur-Modell liegt, mit dem Stellantis in Deutschland seine Autos verkaufen will, dazu wollte der Lancia-Chef am Donnerstag bei einem Round-Table mit Journalisten in Turin nichts Konkretes sagen. Zunächst starte man in Italien, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Portugal und Spanien. Ob es klug ist, gerade in Deutschland so spät zu starten, ist fraglich – aber ganz offensichtlich geht es auch darum, mit seinen (auch finanziellen) Ressourcen umsichtig umzugehen.

In Deutschland jedenfalls ist geplant, den Neustart der Marke mit 20 bis 25 Händler an 25 Standorten bundesweit anzugehen – im Idealfall soll das in einem Umfeld mit weiteren Premiummarken wie Alfa oder DS erfolgen, wie ein Stellantis-Sprecher sagte.

Incentives in Italien

Dass die Wiederbelebung der Marke in Italien erfolgt, scheint angesichts eines gerade aufgelegten Incentivierungsprogramms – analog der einstigen deutschen Abwrackprämie – der italienischen Regierung indes keine schlechte Wahl zu sein. Ob davon auch die batterie-elektrische Variante profitiert, bleibt abzuwarten. In Italien spielen E-Autos kaum eine Bedeutung, kommen auf einen Marktanteil zwischen 4 bis 5 Prozent.

Welchen Mix sich die Marke zwischen Hybrid- und BEV-Modell erwartet, dazu sagt man nichts Konkretes. Das hänge von den Märkten ab. Die Verteilung dürfte indes das geringste Problem für Lancia sein – eher geht es darum, die Kundinnen und Kunden dazu zu bewegen, sich für einen Lancia – und nicht für einen Audi A1 oder Mini zu entscheiden. Die lange Historie der Marke mit ihren Erfolgen im Rallyesport macht dies nicht zum Selbstläufer – aber das weiß auch das Team um Napolitano.

E-Antrieb wie im Corsa

Doch kann Lancia diesem Premiumanspruch mit einem E-Antrieb gerecht werden, der so auch in anderen Konzernmodellen wie beispielsweise einem Opel Corsa zum Einsatz kommt?

Napolitano findet (natürlich) schon – und bittet darum, den Ypsilon nicht mit dem Corsa zu vergleichen. Diese Bitte ist legitim: Ja, auch der Kleinwagen-Stromer aus Rüsselsheim bedient sich aus dem Konzernregal, ist mit einem Elektromotor mit einer Leistung von 156 PS und einer Akku-Kapazität von 51 kW unterwegs. Im Innenraum aber gibt es dann doch große Unterschied. Bei den Italienern hat man viel daran gesetzt, durch die Materialauswahl für Wohlfühlatmosphäre zu sorgen. Das ist gelungen – die Materialien– größtenteils recycelt – sehen gut aus und fühlen sich auch so an.

Ein Tischchen für den Kaffee

Die Designer haben sich im Innenraum des 4,08 Meter langen Ypsilon dann auch einiges einfallen zu lassen, um Eigenständigkeit zu zeigen. Dazu gehört auch ein kleines Tischchen unterhalb des Armaturenbretts.

Ansehnlich: der Innenraum des neuen Ypsilon mit dem Tisch unter dem Armaturenbrett. Foto: Lancia

Darauf kann man – wenn man beispielsweise eine Ladepause einlegt – seine Getränke abstellen. Die im hinteren Bereich angebrachte Ladeschalte ermöglicht indes das induktive Laden des Handys. Gut gedacht, aber leider nicht ganz alltagstauglich: Denn bei unseren Testfahrten flog das Handy in scharfen Kurven dann doch mal raus.

Zwei 10,25 Zoll Displays im Innenraum

Ansonsten ist der Innenraum mit seinen beiden je 10,25 Zoll großen Displays nett gestaltet. Positiv: Die Klimaanlage kann über die darunter liegenden Tasten bedient werden. Die Sprachsteuerung wollte bei den Tests indes nicht so, wie man sich das vorstellt. Das System hatte schlicht auf die Fragen bzw. Aufforderungen („Es ist zu warm. Bitte stelle die Temperatur runter) keine Antwort parat bzw. setzte sie nicht um. Aber noch ist ja etwas Zeit, diese für Deutschland anzupassen.

Doch wie fährt sich der Lancia Ypsilon mit dem bekannten Konzernantrieb? Gut, ausgesprochen gut sogar. Den Entwicklern ist es gelungen, sich hier von Corsa und Co. abzusetzen. Das Fahrwerk ist zwar komfortabel, aber ausreichend straff abgestimmt, um mit dem neuen Ypsilon auch mal flotter durch die Kurven zu fahren (auch wenn das Handy dann aus der Ladeschale fällt). Die Lenkung passt mit seiner direkten Abstimmung dazu gut. In 8,5 Sekunden wird übrigens der Sprint von 0 auf 100 km/h erledigt, die Spitzengeschwindigkeit endet bei 150 km/h.

Effiziente Verbrauchswerte

Vor allem erweist sich der Lancia als ausgesprochen effizient. Wer es auf der Landstraße im Eco-Modus etwas zurückhaltender angeht, der bewegt den Ypsilon mit einem Verbrauch von knapp über 10 kWh/100. Wer es etwas sportlicher angehen lässt (und den Sportmodus auswählt) der kann sich auf einen Verbrauch von unter 14 kWh/100 km einstellen.

Damit bleibt der Lancia – bei sommerlichen Temperaturen – unter dem Verbrauchswert von 14,2 bis 14,6 kWh/100 km. Leider bietet auch er, wie im Konzern üblich – nur eine Ladeleistung von 100 kW.

Gute Dämmung zeigt sich gerade im Hybrid

Auffällig: das Heck des Lancia Ypsilon mit dem großen Markenschriiftzug. Foto: Lancia

Im Angebot ist auch der 1,2 Liter-Hybrid mit 48-Volt-Hybridisierung, der über eine 0,9 kWh starke Batterie verfügt. Er verfügt über eine Leistung von 100 PS – die sich indes bei den Testfahrten als völlig ausreichend erwiesen. Mit ihm kann man in 9,3 Sekunden Temp 100 erreichen und bis 190 km/h schnell fahren. Vor allem aber ist er auch sehr genügsam, was den Verbrauch betrifft: Zwar kommt er nicht auf die nach WLTP in Aussicht gestellte Reichweite von 4,6 Liter/100 km, aber die 5,1 Liter bei unseren Testfahrten lassen sich sehen.

Noch stärker als in der ohnehin schon leisen E-Version zeigte sich beim Verbrennermodell, dass Lancia viel Wert auf eine geringe Geräuschentwicklung gelegt hat, entsprechend hat man der Dämmung einem großen Augenmerk geschenkt. Bei der Wiederbelebung der Marke kann Napolitano nicht nur auf den Ypsilon setzen, sondern es folgen zwei weitere, dann rein elektrische Versionen. Darunter ab 2026 ein Modell auf der neuen STLA-Medium-Plattform mit einer Reichweite von 700 Kilometer. Man wird sehen, wohin es die Marke bis dahin gebracht hat. Der Ypsilon ist ein überzeugender Aufschlag – aber ob das reicht?

Keine Beiträge vorhanden