Lamborghini Huracan: Nur das Maximum zählt

Lamborghini Huracan: Nur das Maximum zählt
Der Lamborghini Huracan ist mit einem V10-Motor unterwegs. © Lamborghini

Wer einen Sportwagen wie den Lamborghini Huracan Evo fahren will, der verlangt nach möglichst viel Leistung. Ob ein V10-Motor noch in die Zeit passt, ist dabei eine andere Frage.

Doch diese Frage stellt sich Maurizio Reggiani ehr nicht. Er kommt schnell auf den Punkt. „You can’t go down“, sagt der Entwicklungsvorstand von Lamborghini, und er meint damit, dass man in der Welt der Supersportwagen niemals mit dem Erreichten zufrieden sein dürfe.

Im Gegenteil: „You must every time go up“– immer stärker, immer schneller, möglichst immer faszinierender müssen die Autos werden, und das gilt ganz offensichtlich sogar, wenn es gar kein neues Modell gibt, sondern nur eine Modellpflege, auch Facelift genannt.

Im Huracan röhrt ein V10-Motor

Beim Lamborghini Huracan, dem kleinsten Modell im Programm, der mit 5,2 Liter großem V10-Motor aber auch schon in der ersten Liga spielt, haben die Verantwortlichen an dem gearbeitet, was man die Seele eines Sportwagens nennen könnte. Nicht vom Motor ist hier die Rede, im neuen Huracan Evo dröhnt, röhrt und kreischt nun das 640 PS starke Aggregat aus dem vormaligen Spitzenmodell der Baureihe, dem Huracan Performante. Was den Evo jedoch mehr abhebt vom 2014 eingeführten Original-Huracan, ist die komplett neuartige Fahrwerksabstimmung, gespickt mit elektronischen Finessen.

So traditionell sich Lamborghini gerne gibt, was besonderen Ausdruck findet im Festhalten an hochdrehenden Motoren, die ohne Turbolader auskommen (außer im SUV-Modell Urus), so sehr befassen sich die Ingenieure doch mit dem, was die Moderne hergibt.
So wurden dem Allrad-Auto drei komplett neue Technologien unter das ikonische Kampfjet-Design gepackt: eine Hinterachslenkung, ein Torque-Vectoring-System und eine zentrale Steuereinheit, für deren Bezeichnung es sich lohnt, italienisch zu lernen: Lamborghini Dinamica Veicolo Integrata, oder etwas leidenschaftsloser: LDVI.

Spitze liegt bei 325 km/h

Schneller und stärker: das verlangt der Kunde von einem Lamborghini. Foto: Lamborghini

Vor der Erklärung kommt der Fahrversuch, der Lamborghini Huracan Evo steht bereit auf dem Formel-1-Kurs von Bahrain. Drei lange Geraden prägen diese Strecke ebenso wie ein, zwei enge bis sehr enge Kurven und ein interessantes Asphaltgeschlängel im Inneren des Kurses, über das man recht schnell fahren kann – allerdings auch wieder nicht so schnell, wie es der Motor des Huracan Evo vorsieht.

325 km/h werden als Höchstgeschwindigkeit angegeben, die erreicht der Evo in Bahrain nicht, aber am Ende der Zielgeraden zeigt der Tacho doch 270 km/h an, und die serienmäßigen Keramik-Bremsscheiben müssen ihr Bestes geben, um dem Wagen noch ein gefahrloses Einlenken in die folgende Rechtskurve zu ermöglichen. Was folgt, sind eine kurze Gerade und daran anschließend eine Links-Rechts-Links-Kombination vor der nächsten Spitzkehre, und nun ist größte Aufmerksamkeit gefordert, um mit dem rasant beschleunigenden Zehnzylinder (600 Newtonmeter Drehmoment, 2,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h) nicht an der einen oder anderen Stelle übers Ziel hinauszuschießen.

Hat man sich an diese Besonderheiten von Auto und Strecke gewöhnt, kann man auf den Zuwachs an Agilität achten, den die Hinterachslenkung dem Auto verschafft. Zwar verstellen sich die Hinterräder nur ganz wenig, nämlich mit einem maximalen Lenkwinkel von einem Grad), doch das genügt, um den Radstand virtuell geringer werden zu lassen und damit das Auto handlicher zu machen. Dies geschieht bei den relativ niedrigen Geschwindigkeiten, die Haarnadeln und enge Kurven nun mal erfordern. Ist man schnell unterwegs, etwa auf der Autobahn, so drehen sich die Hinterräder nicht gegenläufig zu den Vorderrädern, sondern parallel – das macht den Radstand virtuell länger, was die Stabilität, etwa beim Spurwechsel, erhöht.

Hochleistungsrechner im Einsatz

Diese Technik haben die Italiener nicht erfunden und auch nicht exklusiv im Einsatz, dennoch ist sie hilfreich, und wenn man die zusätzlichen Bauteile dafür im extrem knapp geschnittenen Lamborghini-Design unterbringen kann – warum nicht? Die Seele des Ganzen ist jedoch der LDVI-Rechner. Entwicklungsvorstand Reggiani sagt, die Steuerzentrale, an der alle Fäden der Fahrdynamikregelung zusammenlaufen, versetze das Auto in die Lage, vorausschauend zu agieren. Weil es 50 Mal pro Sekunde alle Daten auswerte, wisse es bald, was der Fahrer in der nächsten Kurve wolle.

Die Feinfühligkeit der neu programmierten Elektronik lässt sich besonders im Fahrmodus Sport austesten, in dem sich Fahrer und Auto wohler fühlen als in der etwas zu entspannten Einstellung Strada (Straße) oder im messerscharfen Corsa (Rennen). Das ESP ist im Sportmodus so eingestellt, dass das Auto spürbare Drifts zulässt, die aber nicht notwendigerweise in einen Dreher münden.

Auch dies ist keine ganz neue Technik, aber so sanft, so natürlich wird in diesen Fällen kein anderes Auto geregelt – das Mittelmotorprinzip (Motor hinter den Sitzen, aber vor der Hinterachse) und die daraus resultierende Gewichtsverteilung (43 Prozent vorn, 57 Prozent hinten) schaffen die Voraussetzung für den harmonischen Elektronik-Einsatz, aber am Ende ist die Technik ganz egal: Der Mensch am Lamborghini-Steuer wird sich beim driftenden Herausbeschleunigen aus Spitzkehren automatisch für einen sehr guten Fahrer halten.

Gemacht für die Rennstrecke

Der Lamborghini Huracan ist gemacht für die Rennstrecke, hier fühlt er sich wohl. Foto: Lamborghini

Und Corsa? Zeigt, dass man einen Supersportwagen nicht besitzt, um damit von A nach B zu fahren, ins Büro etwa. Wer 219.000 Euro für einen Huracan Evo ausgeben kann, sollte mit dem Auto regelmäßig auf Rundstrecken vorbeischauen und dort Fahr- oder besser noch Trainingszeit buchen. Erst dann weiß man die ansatzlosen Gangwechsel des siebenstufigen Doppelkupplungsgetriebes genauso zu schätzen wie das aggressive Hochdrehen des Motors.

Und erst in der Werkstattatmosphäre einer breiten Rennstrecke ist es gefahrlos möglich, sich bei schneller Fahrt mit der Technik des Torque Vectoring zu beschäftigen: Während der elektronische Allradantrieb das Drehmoment stufenlos und bedarfsgerecht zwischen Vorder- und Hinterachse verschieben kann, lässt die Torque-Vectoring-Elektronik auch variable Kraftzuteilung zwischen linkem und rechtem Rad einer jeden Achse zu. Der Endeffekt ist eine nochmals gesteigerte Spurtreue auch bei schnellerer Fahrt, das allgemein unerwünschte Untersteuern ist für den Huracan Evo kaum ein Thema.

Ein Plug-in-Hybrid wird kommen

Alles in allem ist es ein Genuss, die neue Ausbaustufe des Huracan zu fahren. Sein großer Saugmotor ist schon jetzt einer der letzten seiner Art, als V10 sowieso, und wenn in weiteren vier bis fünf Jahren ein ganz neues Modell herauskommt, dann wird man es sicher mit einer Plug-in-Hybridvariante zu tun bekommen. Der zusätzliche Elektromotor wird dann den Druck von unten bringen, den bei reinen Verbrennungsmotoren Turbolader erzeugen – und dafür wird sich das typische Lamborghini-Gefühl des gleichmäßig, spontan und unentwegten Hochdrehens verändern, vielleicht wird es sogar verschwinden.

Insofern verschafft der Kauf eines Lamborghini Huracan Evo (möglich ab März) nicht nur reichlich Glücksmomente, sondern könnte sich auch als kluge Investition in einen künftigen Klassiker erweisen, sofern man über das nötige Budget verfügt. (SP-X)

Keine Beiträge vorhanden

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein
Bitte geben Sie Ihren Namen ein