Lamborghini Huracan STO: Granate mit Papieren

Lamborghini Huracan STO: Granate mit Papieren
Haube, Kotflügel und vordere Stoßfänger sind zu einem Bauteil verschmolzen © Lamborghini

Zuwachs in Lamborghinis Huracan-Familie. Der STO ist zwar im Grunde ein Rennwagen, verfügt aber über eine Straßenzulassung.

Es ist eine der schönen Adrenalin-Erfahrungen für betuchte Zeitgenossen: Mit dem eigenen Super-Sportwagen auf einer echten Rennstrecke schnelle Kreise zu ziehen – und danach im selben Auto auf der Landstraße nach Hause zu düsen. Lamborghini hat mit den diversen Huracan-Versionen das richtige Rüstzeug dazu. Als Coupé mit Allrad- oder Heckantrieb oder im offenen Spyder für Frischluftfans.

Wer gerne mit Helm und feuerfestem Anzug unterwegs ist, ist mit dem Huracan Super Trofeo EV 02 oder dem noch potenteren GT3 Evo gut bedient. Dreimal in Folge gewann letzterer die 24 Stunden von Daytona in Florida. Und genau an diesen Siegertypen orientiert sich nicht nur optisch der neue Lamborghini Huracan STO. Die drei Buchstaben stehen für den größten Unterschied: Der Neuling hat sich dank diverser technischer Änderungen wie serienmäßige elektronische Hilfsmittel eine Straßenzulassung verdient und trägt so ein ganz normales Nummernschild.

Nur 38 Liter Kofferraum und kaum Sicht nach hinten

Viel Kleinarbeit in Sachen Gewicht und Aerodynamik. Foto: Lamborghini

Bei unserem Test-Lambo ist es ein italienisches. Logisch, hier ist die Heimat des Sportwagenbauers, der seit 1998 zu Audi gehören und damit Teil des Volkswagen-Konzerns ist. Doch so ein Auto hat die einstige Traktorenmarke noch nie auf dicke Räder gestellt. Eine Granate im Kurvengewusel einer Rennstrecke und ein alltagstaugliches Edel-Coupé draußen im Verkehrsgefühl zwischen Kleinwagen, Bussen und dicken Brummis.

Wobei „alltagstauglich“ relativ ist. Zwei passgenaue Sportsitze, Familienväter unter den Lamborghini-Fans brauchen also das dicke Lambo-SUV Urus als Erstwagen. Im Huracan gibt es nur 38 Liter Kofferraum und auch keine direkte Sicht durchs Heckfenster wegen diverser Sportattribute wie dem gewaltigen Heckspoiler, einer „Haifisch“-Flosse oder einer Art Schnorchel, die sich vom Dach bis zur hinteren Kante zieht und den Zehnzylinder mit Atemluft versorgt.

Viel Detailarbeit bei Gewicht und Aerodynamik

Festgeschnallt im Hosenträgergurt beginnt das Huracan-Erlebnis. Foto: Lamborghini

Martialisch und dennoch fast elegant wirkt die Frontpartie mit ihren Lambo-typischen Scheinwerfer-Schlitzen, in denen Tagfahr-LED ein gekritzeltes W oder zwei V nachzeichnen. Haube, Kotflügel und vordere Stoßfänger sind zu einem Bauteil verschmolzen, Luftkanäle versorgen den Kühler, Schlitze in den Kotflügeln nutzen den Fahrwind zu höherem Anpressdruck den der Front des STO. Dem ganzen Auto sieht man an, wieviel Kleinarbeit die Designer dem Thema Aerodynamik und dank reichlich Karbon auch dem Abspecken widmeten.

Das Testrevier ist die Rennstrecke Vallelunga, eine knappe Autostunde nördlich von Rom. Das Einsteigen erfordert Knickarbeit im Hüftbereich, um auch den Helm unter der oberen Fensterkante hindurchzuschleusen. Einsteiger mit „Rücken“ müssen den gewissen Kniff erst üben. Dann eine Fülle von Kippschaltern über der Mittelkonsole für all die Funktionen, die ein Straßenauto nun mal braucht. Anstatt eines Griffes für die Gangwahl des siebenstufigen Doppelkupplungsgetriebes müssen die Schaltpaddels hinterm Lenkrad herhalten. Die Wahlknöpfe für Vorwärts, Rückwärts oder „Neutral“ sind unter einer knallroten Klappe versteckt. Hochkant darüber ein Bildschirm fürs Navi oder diverse vor allem rennspezifische Anzeigen.

5,2-Liter-Saugmotor mit 640 PS

Nicht nur der horrende Preis von fast 300.000 Euro sorgt für Respekt – auch der Schub. Foto: Lamborghini

Festgeschnallt im Hosenträgergurt, mit bellendem Motor im Rücken und festem Griff am Sportlenkrad beginnt das Huracan-Erlebnis. Nicht nur der horrende Preis von fast 300.000 Euro sorgt für Respekt, auch der Schub des Leichtgewichts mit seinem 640 PS starken 5,2-Liter-Saugmotor. Der enthemmte Tritt aufs Pedal am Beginn einer Geraden verdient das Prädikat atemberaubend. Erst recht dann das als Normalfahrer viel zu frühe Bremsen vor der ersten Biegung. Die Bremsanlage wird in ähnlicher Form auch in der Formel 1 verwendet, ist besonders hitzebeständig und packt gewaltig zu. Bei langsamer Fahrt in der Boxengasse gibt sie sich dann lammfromm und als geschmeidig dosierbar, was später im Straßenverkehr hilfreich ist.

Die gefühlt schnellen Testrunden werden später durch per Funk ermittelte Daten, die die eigene Leistung mit der eines Profis auf der gleichen Strecke vergleicht, für Ernüchterung sorgen. Die Huracan-Runden waren zwar kein laues Lüftchen, aber weit entfernt von dem Hurrikan, den so ein Auto in professionellen Händen entfachen kann. Aber genau das wollten die Väter den Straßen-Rennwagens ja. Finanziell gut gestellte Kunden sollen, wenn sie denn wollen, auf von Lamborghini organisierten Rennstrecken-Events ihre Fähigkeiten auf die Probe stellen und vielleicht verbessern. Und danach mit immer noch leuchtenden Augen im Golfklub ihre Spielpartner beeindrucken.

Kleiner Trost für Normalverdiener: Die Gefahr von einem Lamborghini Huracan STO von der linken Spur verscheucht zu werden, ist eher gering. Denn zur Massenware taugt so ein Supersportwagen nun gar nicht. (SP-X)

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