Vor rund zehn Jahren startete Hyundai den ersten Versuch eines Luxus-Ablegers. Nun repräsentiert der Genesis G80 eine eigene Marke.
Genesis ist zurück. Nein, nicht die Band – das Auto. Daheim in Korea dominiert der luxuriöse Ableger des Hyundai-Konzerns bereits die Vorstandsparkplätze und hat es mittlerweile auch in den USA aus dem Schatten von Lexus oder Infiniti geschafft. Nun aber soll die Zeit reif sein, das Abenteuer auch nach Europa zu tragen.
Rund zehn Jahre nach dem gleichnamigen Hyundai-Flaggschiff lancieren die Koreaner ihre Nobelmarke nun auch bei uns. Dabei treten sie zunächst mit einer Doppelspitze an und nehmen Audi, BMW und Mercedes mit zwei technisch eng verwandten Modellen in die Zange: Für die Praxis schwören sie auf das große SUV GV80 – fürs Prestige bringen sie als G80 eine Fünfmeter-Limousine gegen E-Klasse & Co in Stellung.
Mit 46.900 Euro kein Schnäppchen
Dass es den Koreanern bei dem Stufenheck trotz der übermächtigen Wettbewerber an Selbstbewusstsein nicht mangelt, zeigt nicht nur das stolze Design. Schließlich erinnert der G80 mit seinem riesigen Chromgrill an Bentley und fängt mit seiner markanten LED-Signatur mit zwei horizontalen Leuchtelementen an Bug, Flanke und Heck die Blicke. Auch die Preise zeugen von einer gewissen Souveränität: Mit einem Grundpreis von 46.900 Euro ist der koreanische Herausforderer bei zugegeben besserer Ausstattung kaum günstiger als die Platzhirsche aus dem deutschen Süden, die alle bei runden 50.000 Euro starten. Schnäppchen sehen jedenfalls anders aus.
Dafür bieten die Koreaner aber auch einen Luxus, wie man ihn in dieser Klasse erwarten kann: Feines Leder, schmucke Nähte, offenporiges Holz und viel Liebe zum Detail bei Schaltern und Tastern lassen auf Anhieb Oberklasse-Flair aufkommen. Und Platz gibt es bei 3,01 Metern Radstand auf allen Plätzen mehr als genug.
Ambiente wie im Grand Hotel
Doch können auch der große, vom Fahrer vergleichsweise weit entfernte Touchscreen über dem Armaturenbrett, die digitalen Instrumente mit ihrer spektakulären 3D-Grafik und die Kombination aus Drehring und Touchpad auf dem Mitteltunnel nicht darüber hinwegtäuschen, dass Genesis einen eher klassischen, fast konservativen Luxus pflegt. Wo sich die deutschen Hersteller um moderne Lounge-Atmosphäre bemühen, wirkt der Genesis wie ein ehrwürdiges Grand Hotel. Genau wie die ausgesprochen gemütliche Abstimmung von Lenkung und Fahrwerk mag das den Amerikanern gefallen, die mit Abstand die größte Kundengruppe der Koreaner stellen. Doch zwischen Hyperscreens und Curved Cockpits wirkt das Innenleben des Genesis für Europäer eher verstaubt als verführerisch.
Dabei mangelt es dem Auto nicht an Hightech – das beginnt bei einer ausgesprochen verständigen Sprachsteuerung und reicht über das adaptive Fahrwerk mit Kamerasteuerung bis hin zum intelligenten Autobahn-Assistenten mit Abstands- und Spurregelung oder dem Video-Blick in den toten Winkel.
Benziner und Diesel – aber kein Plug-In
Nur unter die Haube wähnt man sich in der Vergangenheit. Denn so sehr es Vielfahrer auch freuen mag, dass Genesis sich weiter zum Diesel bekennt, so schmerzlich vermisst man einen politisch korrekten Plug-In-Hybriden oder wenigstens ein 48-Volt-System. Zumal die Motoren nicht eben zu den sparsamsten zählen. Und mit nur vier Zylindern ist in dieser Klasse auch kein Staat zu machen
Das Basis-Modell fährt mit einem 2,2-Liter-Diesel, der es auf 210 PS bringt und die Hinterräder antreibt. Für 51.700 Euro aufwärts gibt’s alternativ einen 2,5 Liter großen Benziner mit 304 PS und Allradantrieb. Auf dem Papier ist das keine schlechte Wahl. Zumal die Drehmomentkurve bei 422 Nm gipfelt, der Sprint auf Tempo 100 in 6,0 Sekunden gelingt und bei Vollgas die üblichen 250 km/h drin sind. Doch in der Praxis wirkt der Motor bisweilen ein wenig angestrengt, die Achtgang-Automatik schaltet unmerklich, aber auch ein wenig behäbig und selbst bei knappem Zeitplan macht der G 80 keine große Lust auf die linke Spur.
Elektro-Version offiziell angekündigt
Engagiert oder gemütlich, progressiv oder klassisch – das sind Fragen des persönlichen Geschmacks. Und was die wenig zeitgemäßen Antriebe angeht, hat Genesis ja bereits eine Elektro-Version angekündigt, mit der die Koreaner Audi, BMW und Mercedes in dieser Klasse dann sogar etwas voraushätten. Deshalb ist der G80 durchaus ein Einstand nach Maß und auf Augenhöhe mit der etablierten Konkurrenz.
Aber an den Autos alleine wird es ohnehin nicht liegen, weiß auch Dominique Boesch: „Wir wissen, dass sich anspruchsvolle Kunden heute nach dem gewissen Extra sehnen“, sagt der Europa-Chef: „Unsere Mission wird es sein, viel mehr als nur exzellente Fahrzeuge anzubieten.“ Deshalb verspricht er den Kunden neben einem transparenten Preisgefüge ohne Rabattschlachten und einem direkten Online-Vertrieb mit nur drei europäischen Händlern in München, Zürich und London vor allem ein Rundum-Sorglos-Paket. Soll heißen: Hol- und Bringdienst für sämtliche Wartungs- und Werkstattermine, kostenloser Leihwagen und über Jahre Gratis-Updates, die „over the air“ ins Auto übertragen werden. (SP-X)