Bärenstarke Kombis sind etwas für Menschen mit widerstreitenden Interessen: Soll es ein Sportwagen sein oder lieber doch ein Familienauto? Bei der Entscheidung helfen Angebote wie der Cupra Leon ST.
Wer heute im Straßenbild einen Pkw mit den charakteristischen kupferfarbenen Design-Akzenten sieht, weiß in der Regel nicht, dass die ersten Kapitel der Cupra-Story schon vor mehr als 50 Jahren geschrieben wurden. Als „Abteilung für Spezialfahrzeuge“ schuf der spanische Hersteller 1971 einen Firmenteil, der die motorsportlichen Aktivitäten bündeln sollte. Das Kunstwort „Cupra“ ist als Zusammenfassung von „Cup Racer“ zu verstehen, denn seit den 90er Jahren wurden Markenpokal-Rennen ausgetragen. Seat setzt inzwischen voll auf die Marke Cupra mit ihrem deutlich dynamischeren Image und fährt gut damit.
Adrenalinfördernde Längs- und Querdynamik ist es auch, was man vom Modell Leon ST erwarten darf. In einem aufgeladenen Vierzylinder-Motor werden satte 310 PS zubereitet, die mit einer Durchzugskraft von 400 Newtonmetern an beide Achsen weitergereicht werden. Zum Vergleich: Ein Porsche 718 Cayman, der ebenfalls von einem Vierzylinder angetrieben wird, hat aktuell zehn Pferdestärken und 20 Newtonmeter weniger. Kein Wunder also, dass der schnelle Spanier den Zweisitzer aus Zuffenhausen auch beim Sprint von null auf hundert um zwei Zehntel schlägt.
Spurt mit Allradantrieb
Unter diesen Aspekten könnte man den Cupra Sportstourer als reines Vernunfts-Auto ansehen, denn er ist nicht nur temperamentvoller als der Cayman und bietet mehr Platz für Passagiere und Gepäck, sondern obendrein auch noch rund 12.000 Euro günstiger. Doch wer möchte ernsthaft Äpfel mit Birnen vergleichen? Die Aufgabe, die Motorkraft auf die beiden Achsen zu verteilen, wird von einem Siebengang-DSG übernommen. Das arbeitet so flink, dass man kaum in Versuchung gerät, die Schaltwippen zu betätigen und im Idealfall unter fünf Sekunden auf 100 km/h gespurtet wird. Am Ende der Tachoskala könnte der fixe Leon wohl noch etwas mehr als 250 km/h, hier wird aber elektronisch abgeregelt.
Zum Fahrwerk kann es mindestens zwei Meinungen geben: Was die einen als unnötige Härte eines Familienkombis wahrnehmen, sehen andere vielleicht als gefühlsechte Sportwagen-Attitüde an. Tatsache ist, dass die aufgezogenen 35er-Niederquerschnittsreifen auf 19er-Alufelgen (natürlich mit Kupferglanz) keinen Komfortgewinn bringen, auch wenn man die Dämpferreglung auf „Comfort“ eingestellt hat. Von den Supersport-Schalensitzen darf man ohnehin nicht erwarten, dass ihre Polsterung die Schläge von Querfugen oder Schlaglöchern irgendwie abmildern.
Kernig und ausgewogen
Seinen leistungswilligen Charakter untermauert der fitte Kombi erst recht im Cupra-Fahrmodus, wo zu kernigem Sound, gieriger Gasannahme und bereitwilligem Ausdrehen der Gänge auch noch die Unmittelbarkeit der Progressivlenkung kommt. Freilich neigt der Wagen bei allem muskulösen Auftreten nicht dazu, seine Insassen zu überfordern, sondern bleibt stets ausgewogen und neutral.
Da der sportliche Leon nicht unter knapp 52.000 Euro zu haben ist, wurden außer den Sitzschalen noch einige appetitfördernde Beigaben in die Serienausstattung gepackt. Zum Beispiel das Multifunktions-Lenkrad mit Wahltaste für die Fahrmodi, Beheizbarkeit der Vordersitze, schlüssselloses Zugangssystem und Voll-LED-Scheinwerfer. Außenspiegelkappen in Carbon-Kupfer-Finish bringen zwar keinen Funktionsvorteil, kosten als Sonderausstattung aber 770 Euro. Ferner hatte der Testwagen eine elektrische Heckklappe (+865 Euro) und ein elektrisches Glas-Panoramadach (+1385 Euro). Einschließlich des Performance-Pakets und weiteren Extras belief sich der Testwagenpreis auf 64.460 Euro.
Verschwundene Knöpfe
Ein sportlicher Preis für ein sportliches Auto also, das allerdings als Kombi gegenüber Schrägheck-Limousinen vielseitiger ist. Mal eben beim Baumarkt vorgefahren, schluckt der Kofferraum des bissigen Familien-Renners 620 bis 1600 Liter Volumen. Das Raumgefühl ist gut, lediglich die hohe Seitenlinie schränkt es subjektiv etwas ein. In der Bedienbarkeit des durchdigitalisierten Cockpits gibt es zwar Defizite, aber kann man es Seat vorwerfen, dass es für den Innenausbau die Systeme aus dem Wolfsburger Konzernregal nehmen muss? Durch herkömmliche Knöpfe und Schalter ist zwar noch kein Auto unmodern geworden, aber mit etwas Geduld und Eingewöhnungszeit sind die zahlreichen Touch-Menüs am Ende doch leicht beherrschbar.
Zwar soll es laut Hersteller möglich sein, den Cup-Racer mit 8,5 Liter durchschnittlich je 100 Kilometer zu bewegen, mit der Praxis hat das jedoch wenig zu tun. Niemand legt sich einen 310-PS-Boliden zu, um ihn dann spaßbefreit durch die Landschaft kriechen zu lassen. Bei artgerechter Haltung entwickelt der Vierzylinder einen soliden Durst, die Vergnügungssteuer ist anschließend an der Zapfsäule zu entrichten. Die 9,9 Liter Testverbrauch, die bei unseren Fahrten am Ende herauskamen, geben eine Ahnung davon, dass der Spritkonsum auch leicht zweistellig werden kann.
Obwohl im Sommer die Leon Baureihe durch ein Facelift verjüngt und mit einer neu gestalteten Frontpartie auf die Kundschaft zurollt, wird das Topmodell noch nicht so bald zum „alten Eisen“ gehören. Bei den Händlern, so ist von Seat zu erfahren, warten noch viele dieser Fahrzeuge auf Kunden und der später erscheinende Spitzen-Leon wird mit dann 333 PS sicher nicht günstiger anzuschaffen sein, als die getestete Version.