Die neue KTM 690 SM verleiht der Supermoto-Szene neue Impulse. Bis auf ein Detail wurde bei dem Motorrad aus Österreich alles optisch und technisch grundlegend geändert.
Von Thilo Kozik
Auf den ersten Blick ist an den Fußrasten der neuen KTM 690 SM nichts Besonderes. Aber in gewisser Weise sind sie die bemerkenswertesten Teile dieses neuen Alpenbrenners, denn sie sind das Einzige, was vom Vorgängermodell übrig geblieben ist. Selbst wenn sich die Bezeichnung 690 SM mehr nach Modellpflege anhört - dieses Motorrad ist ein Meilenstein für die österreichische Hardenduro-Manufaktur.
Nachfolger des ersten Serien-Supermoto
Zwanzig Jahre nach dem Debüt des ersten LC4-Singles und neun Jahre nach Premiere der SM 620, der ersten Serien-Supermoto der Welt, steckt hier ungeachtet diverser Updates und Hubraumerweiterungen erstmals ein von Grund auf neu konzipierter LC4-Motor drin. Wobei die KTM-Grundkonstruktion mit Flüssigkeitskühlung, einer obenliegenden Nockenwelle und Vierventiltechnik unverändert beibehalten wurde.
Aber der neue Single verfügt über eine Einspritzanlage, einen grundlegend neu gezeichneten Zylinderkopf, eine zentral angeordnete Ausgleichswelle, Semi-Trockensumpfschmierung mit Ölvorrat im Motor, Sechsganggetriebe und sogar eine Anti-Hopping-Kupplung. Der ganze Aufwand wird mit einem 20-prozentigen Leistungsaufschlag übers ganze Drehzahlband belohnt, am Ende stehen für Einzylinder höchst beachtliche 64 PS bei 7500 Touren zu Buche.
Enorme Sitzhöhe
Doch auch der Rest ist neu von der gewöhnungsbedürftigen Rabenschnabelfront über den Gitterrohrrahmen und die Federelemente bis zu den vertikal stehenden Schalldämpfern unterm roadsterähnlichen Heck. Die Ansage hinter der Silhouette ist klar: Pass bloß auf, ich will nicht nur spielen!
Beim Aufsitzen dann das typische KTM-Supermoto-Feeling: Die enorme Sitzhöhe von 875 Millimetern und eine schmale Taille geben einen harten, geraden Weg vor; zum gemütlichen Landstraßencruisen lädt das Ambiente nicht wirklich ein. Etwas enttäuschend fällt der Motorsound aus den beiden himmelwärts gerichteten Töpfen aus, doch schon die Zucker zum Aufwärmen der Einheit verdeutlichen die neue Sanftmut der Antriebsquelle. Äußerst präzise reagiert die Einspritzanlage auf Gasgriffbefehle, doch die einzylindertypisch maue Leistungsentfaltung unter 3000/min kann das nicht wettmachen.
Auszeichnung in den Serpentinen
Erst ab 3500 Umdrehungen fühlt sich der Single richtig wohl und drückt machtvoll bis zur Redline bei 7800/min. Durchgeschaltet bis in den sechsten Gang und lang gemacht stehen dann 186 km/h auf der endlich neugestalteten Tachoeinheit, was exakt der homologierten Geschwindigkeit entspricht.
Doch bei der Präsentation im Hinterland der Costa Brava dominierten eher winklige Streckenabschnitte mit kleinen Serpentinenstraßen, auf denen ein leichtes, agiles Motorrad mit knackigen Bremsen, reichlich Bodenfreiheit und gripfreudigen Reifen gefragt ist. Mit 152 fahrfertigen Kilos (ohne Benzin) und giraffenähnlichen Federwegen von 210 mm vorn wie hinten konnte sich die KTM in all diesen Punkten auszeichnen.
Beeindruckend kontrolllierbar
Schon der leichteste Druck am konifizierten Lenker genügte, um die SM in die Kehren tauchen zu lassen. Beeindruckend kontrollierbar fetzt die Supermoto durch die Radien und bleibt auch bei Topspeed stabil. Das ist sicherlich auch ein Verdienst der neuartigen Druckgussschwinge, die nach außen offen ausgeführt die stabilisierenden Verbindungsstreben erkennen lässt.
Dem frechen Landstraßenauftritt stellt die Radialbremse von Brembo einen adäquaten Gegenpartner bereit. In der Wirkung tadellos, doch geht ihr der Biss einer guten Doppelscheibenanlage ab. Dieses wäre jedoch wiederum nicht gut für die Anzeige auf der Waage, also verzichteten die Entwickler darauf.
Sportpaket für 300 Euro
Etwas überrascht, dass die SM über lediglich in der Zugstufendämpfung einstellbare Federelemente verfügt. Trotzdem genügt das Gebotene für diese Art der Straßenhatz vollauf, überhaupt werden Amateur-Drifter wie unsereiner eher an den eigenen als an den Fähigkeiten der Maschine kratzen.
Soll es jedoch wettbewerbsmäßig zur Sache gehen, kommt man um die Prestige-Version der SM 690 mit voll einstellbarer WP-Gabel und -Federbein nicht herum. Doch dürfte sich auch so mancher Normalo für diese in edlem Grau gehaltene Variante der 690er interessieren, denn mit gerade mal 300 Euro Aufschlag kommt sie nicht viel teurer als die Standart, die mit 8398 Euro zu Buche schlägt.