EWE Go gehört bundesweit zu den großen Anbietern öffentlicher Ladeinfrastruktur. Im Interview spricht dessen Chef Ilker Akkaya u.a. über den Ausbau der Ladeinfrastruktur, die Krise bei der E-Mobilität und hohe Strompreise.
Der Mobilitätsdienstleister EWE Go hat sich ambitionierte Ausbauziele bei der Ladeinfrastruktur für Elektroautos gesetzt. «Für dieses Jahr haben wir knapp 800 Ladepunkte in der Planung. Perspektivisch wollen wir über 15.000 Ladepunkte verfügen», sagte EWE Go-Chef Ilker Akkaya im Interview mit der Autogazette. Dieses Ziel soll in den «nächsten acht bis zehn Jahren» erreicht werden, wie der Manager hinzufügte.
Derzeit betreibt die Tochter des Oldenburger Energieversorgers EWE bundesweit 3000 Ladepunkte und gehört damit zu den großen Anbietern öffentlicher Ladeinfrastruktur.
Wunsch nach schnelleren Genehmigungen
Dass das Ausbautempo bei der Ladeinfrastruktur unzureichend ist, kann Akkaya mit Blick auf die derzeit vorhandenen öffentlichen Ladepunkte nicht erkennen. «Der Ausbau der Ladeinfrastruktur läuft gar nicht so schlecht, auch wegen des Deutschland-Netzes. Hier haben wir zuletzt auch zwei Lose gewonnen. Stand heute geht der Ausbau der Ladeinfrastruktur schneller voran als die Zahl der Neuzulassungen», so der EWE Go-Chef.
Allerdings wünscht sich Akkaya schnellere Genehmigungsprozesse. «Sie dürften manchmal mit Blick auf die unterschiedlichen Standorte ebenso schneller kommen wie der Netzanschluss. Hier stehen wir mit Blick auf die Bürokratie nach wie vor Herausforderungen gegenüber. Doch man muss festhalten, dass wir bereits heute bequem von A nach B kommen.»
«Laden ist nicht gleich Tanken»
Autogazette: Herr Akkaya, die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der Unternehmen mit mehr als 200 Tankstellen ab dem 1. Januar 2028 verpflichtet, mindestens einen Schellladepunkt mit mindestens 150 kW zu errichten. Begrüßen Sie diesen Entwurf?
Ilker Akkaya: Aus Kundenperspektive bringt es natürlich eine Sicherheit zu wissen, dass ich dort, wo ich früher getankt habe, zukünftig auch laden kann. Ich bin jedoch der Auffassung, dass wir eine solche Gesetzgebung gar nicht brauchen, da der Markt dafür sorgt, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur voranschreitet. Zudem muss man festhalten, dass Laden nicht gleich Tanken ist; das Geschäftsmodell ist ein anderes.
Autogazette: Der Gesetzentwurf wurde von Vertretern der Tankstellenbranche als Planwirtschaft bezeichnet. Sie teilen diese Auffassung?
Akkaya: Wie gesagt: Der Markt wird den Ausbau der Ladeinfrastruktur vorantreiben. Deshalb benötigt man meines Erachtens auch nicht eine solche Gesetzgebung.
«Schneller ist immer besser»
Autogazette: Laut Ladesäulenregister der Bundesnetzagentur gab es im November des Vorjahres 115.308 öffentliche Ladepunkte, darunter 22.000 Schnelllader. Ist das Ausbautempo zu gering?
Akkaya: Der Ausbau der Ladeinfrastruktur läuft gar nicht so schlecht, auch wegen des Deutschland-Netzes. Hier haben wir zuletzt auch zwei Lose gewonnen. Stand heute geht der Ausbau der Ladeinfrastruktur schneller voran als die Zahl der Neuzulassungen.
Autogazette: Also braucht es kein schnelleres Ausbautempo?
Akkaya: Schneller ist immer besser, auch wir würden uns das mit Blick auf die Genehmigungen wünschen. Sie dürften manchmal mit Blick auf die unterschiedlichen Standorte ebenso schneller kommen wie der Netzanschluss. Hier stehen wir mit Blick auf die Bürokratie nach wie vor Herausforderungen gegenüber. Doch man muss festhalten, dass wir bereits heute bequem von A nach B kommen. Natürlich gibt es Regionen, wo das noch nicht der Fall ist, aber da unterstützt das Deutschlandnetz.
Autogazette: Das Gros der öffentlichen Ladepunkte sind AC-Lader. Bräuchte es nicht deutlich mehr Schnelllader, also DC-Lader, auch in den Städten?
Akkaya: Wir gehen davon aus, dass der DC-Ausbau forciert wird. Während lokale Anbieter wie beispielsweise die Stadtwerke den AC-Ausbau weiter vorantreiben dürften, sind es bei den landesweiten Playern eher die DC-Lader. Fairerweise muss man sagen, dass der Ausbau an Schnellladern allein schon wegen der Netzanschlussleistung länger dauert als der AC-Ausbau.
«Wer ein E-Auto fährt, muss weiter laden»
Autogazette: Wir erleben in Deutschland gerade eine Nachfrageschwäche bei der E-Mobilität. Spüren Sie auch Auswirkungen beim Ladeverhalten?
Akkaya: Nein, da sehen wir keine Auswirkungen. Wer ein E-Auto fährt, der muss weiter laden. Zudem sind die, die mit einem E-Auto unterwegs sind, damit auch sehr zufrieden. Sie schätzen nicht nur das Fahrgefühl, sondern auch die Wirtschaftlichkeit. Doch wie wir aus Kundenbefragungen wissen, gibt es durchaus eine Verunsicherung gerade bei denjenigen, die darüber nachdenken, auf ein eigenes E-Auto umzustellen. Das liegt auch an der teilweise nicht nachvollziehbaren politischen Diskussion.
Autogazette: Sie zielen damit auch auf die Diskussion um ein Verbrenner-Aus ab?
Akkaya: Auch, aber nicht nur. Es geht auch darum, dass der Umweltbonus von heute auf morgen gestrichen wurde. Es besteht bei den Menschen eine Verunsicherung darüber, was mit unserer Industrie geschieht, wenn das Verbrenner-Aus kommt. Sie fragen sich: Schadet das dem Wirtschaftsstandort Deutschland? Doch ich glaube nicht, dass die derzeit geführten Diskussionen und mögliche kommende Entscheidungen wie beispielsweise zum Verbrenner-Aus etwas ändern werden: In der Industrie sind die Weichen Richtung E-Mobilität gestellt.
Autogazette: Tragen nicht auch die hohen Strompreise im privaten Bereich als auch an den öffentlichen Ladesäulen zur Nachfrageschwäche bei?
Akkaya: Wir kalkulieren unsere Preise so, dass sie aus Kundenperspektive nachvollziehbar sind, es einen transparenten Preis gibt. Wir verlangen nur den Preis für die Kilowattstunde Strom, keine weiteren Gebühren. Wenn Sie sich bei uns in der App registrieren, können Sie an unseren Säulen für 59 Cent die Kilowattstunde laden.
«Ich empfehle unsere App zu nutzen»
Autogazette: Ist das ein fairer Preis?
Akkaya: Ja, für mich ist das ein fairer Preis. Er beinhaltet die Kosten für den Ausbau der Lade-Infrastruktur ebenso wie die Kosten für den Strombezug samt einer Marge. Sie müssen immer sehen, dass wir den Strom langfristig beziehen, ihn nicht am Spotmarkt kurzfristig einkaufen.
Autogazette: Ist ein Preis von 79 Cent auch fair? Genau das habe ich beispielsweise als Spontanlader zu zahlen, wenn ich mit meiner EnBW-App beispielsweise an einem EWE-Lader bei McDonad´s in Theeßen lade.
Akkaya: Was Sie über die App eines Fremdanbieters zahlen, liegt nicht in unserer Hand. Ich empfehle unsere App zu nutzen, dann zahlen sie dort nur die besagten 59 Cent pro Kilowattstunde.
Autogazette: Wo bleibt für den Kunden die Preistransparenz? Um den günstigsten Preis zu sehen, muss ich ihn mit unterschiedlichen Anbietern auf meinen Apps vergleichen.
Akkaya: Mit unserer EWE Go-App können sie an über 500.000 Ladepunkten europaweit laden, damit besteht für den Kunden eine Preistransparenz. Bei uns laden Sie für 59 Cent, bei anderen Anbietern ggfls für 64 Cent.
«Wir schauen uns jeden McDrive-Standort an»
Autogazette: Lassen Sie uns bei McDonalds bleiben. Sie kooperieren mit der Fastfood-Kette und sind mit ihren Ladestationen bereits an über 500 McDonald‘s-Standorten vertreten. Wie viele Stationen folgen?
Akkaya: Es gibt aktuell über 1000 Standorte von McDonald‘s, die große Mehrzahl davon sind McDrive-Restaurants. Wir schauen uns jeden McDrive-Standort an.
Autogazette: Wie viele Standorte peilen Sie denn an?
Akkaya: Ganz exakt könne wir das nicht benennen, denn auch McDonalds baut ja sein Netz an Restaurants aus. Unser Ziel ist es, dass es überall dort, wo es McDrive gibt, auch eine Ladestation von uns gibt. Wir haben uns bewusst für die Kooperation mit McDonalds entschieden, weil wir keine Station in einem Ladepark auf der Grünen Wiese wollten, sondern dort sein wollten, wo es eine Point of Interest gibt, es also auch Toiletten und Verpflegung gibt.
Autogazette: Sie setzen an Ihren Ladestationen auf Schnelllader mit einer Leistung von 150 kW. Muss mit Blick auf die Innenstädte auch mehr über Schnelllader als über 11 kW Stationen nachgedacht werden?
Akkaya: In der Vergangenheit hatten wir an unserem Firmensitz in Oldenburg auch AC-Lader, aber es stimmt: An den Fernstraßen setzen wir auf DC-Lader. Ich glaube auch, dass wir in den Städten zunehmend immer mehr Schnelllader sehen werden, auch wenn es da weiter einen Mix geben wird. Denken Sie nur an Laternenparker.
«Für dieses Jahr haben wir 800 Ladepunkte in der Planung»
Autogazette: EWE Go hat 2019 mit 500 Ladepunkten angefangen, heute haben sie rund 3000. Welches Ausbau-Ziel haben Sie sich in den kommenden fünf Jahren gesetzt?
Akkaya: Sie müssen zwischen Ausbau und Inbetriebnahme unterscheiden. Zu Letzterem gehört, dass sie auch den Netzanschluss, die Trafostation und die Abnahme durch den Netzbetreiber sichergestellt haben müssen. Aber man kann sagen, dass wir pro Jahr mit 200 bis 250 Standorten planen, wobei jeder Standort über eine unterschiedliche Anzahl von Ladepunkten verfügen kann, Das reicht von vier bis 68 Ladepunkten. Für dieses Jahr haben wir knapp 800 Ladepunkte in der Planung. Perspektivisch wollen wir über 15.000 Ladepunkte verfügen.
Autogazette: Perspektivisch heißt was?
Akkaya: Von derzeit rund 3000 Ladepunkten wollen wir in den nächsten acht bis zehn Jahren über die genannten 15.000 Ladepunkte verfügen.
Autogazette: Welches Invest ist pro Ladestation nötig?
Akkaya: Das ist nicht pauschal zu sagen: Eine einfache Ladestation kostet einen fünfstelligen Betrag. Kommen dann mehrere Stationen an einem Standort zusammen, braucht man auch eine Trafostation: Dann reden wir von einem sechsstelligen Betrag. Kommt dann noch eine Überdachung und anderes hinzu, dann steigt dieser Betrag weiter.
«Ladeinfrastruktur ist ein Langfristgeschäft»
Autogazette: In 2023 hatten sie rund 42 Millionen Euro in den Ausbau der Ladeinfrastruktur investiert. Wieviel werden es in diesem Jahr?
Akkaya: Konkrete Zahlen nenne ich Ihnen nicht: Aber gehen Sie davon aus, dass es deutlich mehr werden wird. Wir werden aber nicht nur in neue Standorte investieren, sondern auch bestehende ausweiten. Auch damit soll der Hochlauf bei der Ladeinfrastruktur forciert werden.
Autogazette: Derzeit ist Ihr Geschäft nicht profitabel, aber wann haben Sie sich zum Ziel gesetzt?
Akkaya: Ladeinfrastruktur ist ein Langfristgeschäft – und die Frage der Profitabilität ist auch eine der Skalierung. Aber ich will Stand heute in den nächsten zwei Jahren mit dem Geschäft profitabel sein.
«Wir prüfen regelmäßig unsere Preise»
Autogazette: Sehen Sie fürs Laden am Schnelllader einen Preis von unterhalb von 59 Cent pro Kilowattstunde?
Akkaya: Wir prüfen regelmäßig unsere Preise und vergleichen sie mit den Preisen an der Strombörse in Leipzig. Sollten sich die Strompreise weiter reduzieren und sich der Markt weiter wie bisher entwickeln, bin ich zuversichtlich, dass wir hier weitere Preisanpassungen nach unten vornehmen. Allerdings muss man mit Blick auf die Kosten festhalten, dass nur zu 30 Prozent an öffentlichen Ladepunkten geladen wird, der teuersten aller Lademöglichkeiten, der Rest erfolgt am Arbeitsplatz oder zu Hause. Entsprechend bleibt ein E-Auto auch bei den reinen Ladekosten einem Verbrenner gegenüber im Vorteil.
«Die Wende im Verkehr zur E-Mobilität wird kommen»
Autogazette: Mittlerweile werden auch dynamische Stromtarife in Deutschland immer beliebter, die es in anderen Ländern schon seit längerem gibt? Haben Sie auch den Eindruck, dass wir uns mit solchen Innovationen besonders schwer tun?
Akkaya: Auch wir würden es uns wünschen, dass es in Deutschland schneller vorangeht. Denn wer variable Tarife zu Hause mit einem Smart Meter nutzt, der kann Geld sparen. Auch vor dem Hintergrund, dass er sein Auto als Speicher nutzen kann. Leider ist das Einspeisen ins Stromnetz derzeit noch nicht erlaubt. Auch bei EWE haben wir dynamische Tarife im Angebot. Leider dauert es bei uns immer etwas länger, bevor so etwas in die breite Masse kommt. Wir als EWE können unseren Kunden aber das Angebot bei solchen Lösungen machen, wenn sie danach verlangen.
Autogazette: Die Bundesregierung hält unverändert am Ziel von 15 Million E-Autos bis 2030 fest. Wie realistisch ist dieses Ziel?
Akkaya: Diese 15 Millionen E-Autos sehe ich bis 2030 nicht, aber neun Millionen sehe ich als realistisch an. Aber bei allen Diskussionen ist wichtig festzuhalten: Die Wende im Verkehr zur E-Mobilität wird kommen, weil alle Marktteilnehmer in der Wertschöpfungskette sich dafür entschieden haben. Ich gehe davon aus, dass die derzeit in Deutschland vorherrschende Verunsicherung sich legt und es im kommenden Jahr schon anders ausschaut, wenn neue Modelle kommen und die Ladeinfrastruktur noch besser geworden ist.
Das Interview mit Ilker Akkaya führte Frank Mertens