Elektromobilität in der Praxis erfahrbar machen

Fehlende bürgernahe Praxis

Elektromobilität in der Praxis erfahrbar machen
Das eTukTuk (Mitte) ist das weltweit einzige mit Elektromotor. © Anke Müller

Elektrofahrzeuge bleiben aufgrund von fehlenden praktischen Erfahrungen in der Nische. Im NH-Hotel an der Friedrichstraße können Gäste und Einheimische schon seit zwei Jahren Erfahrungen sammeln – jetzt sogar zu Wasser.

Von Thomas Flehmer

Das Ziel gilt bei vielen Experten bereits seit der Verkündigung als nicht haltbar. Eine Millionen Elektrofahrzeuge sollen laut Bundeskanzlerin Angela Merkel bis zum Jahr 2020 die deutschen Straßen bevölkern. Die Realität sieht anders aus: Knapp 7000 Neuzulassungen von reinen Elektrofahrzeugen gab es in den ersten acht Monaten des Jahres 2014 – und selbst wenn noch Plugin-Hybride dazugezählt werden, liegt das angestrebte Ziel in weiter Ferne.

Ziel: Berlin als Vorbild für Elektromobilität

Die Berliner Agentur für Elektromobilität eMO, die die regionalen Potenziale im Zuge des von der Bundesregierung für drei Jahre geförderten "Internationalen Schaufensters Elektromobilität Berlin-Brandenburg" bündelt, setzt die Ziele für die kommenden Jahre etwas kleiner an und wollen bis 2020 "ein international anerkanntes Vorbild der Elektromobilität sein", wie es in dem 2011 aufgelegten Programm heißt.

Was in der Theorie ein wenig verschroben klingt, bedeutet aber nichts anderes, als "die Sichtbarkeit und Akzeptanz der Elektromobilität in Berlin zu erhöhen", wie Gernot Lobenberg, der Leiter der Berliner Agentur, sagt.

Carsharing und Logistik als favorisierte Gebiete der E-Mobilität

Zwar beteiligen sich über 100 Partner aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft an über 30 Kernprojekten in der Hauptstadtregion, doch auch diese laufen noch eher in einer Nische ab. Für Lobenberg zunächst kein so großes Problem.

Er favorisiert den Einsatz von E-Mobilität neben "dem Carsharing vor allem bei der Logistik. Wir würden einen großen Sprung schaffen, wenn zum Beispiel die BSR oder DHL und Hermes elektrisch betriebene Fahrzeuge einsetzen", sagte Lobenberg der Autogazette.

Emissionsfrei auf dem Wasser

Die eMobility Lounge in Berlin-Mitte.
Die eMobility Lounge in Berlin-Mitte. Anke Müller

Während die eMO den Einsatz im Flottenbereich ansetzt, gibt sich das NH-Hotel in der Friedrichstraße bürgernah. Seit zwei Jahren befindet sich in der Lobby eine so genannte eMobility Lounge, die nun einem Relaunch unterzogen wurde. Hier können sich Hotelgäste kostenlos E-Bikes ausleihen oder gegen kleine Gebühren Segways, Elektro-Roller oder Elektroautos mieten. "Wir sind immer noch das einzige Hotel mit diesem Angebot", sagt Hotel-Manager Till Esser, "und jetzt sind wir auch auf dem Wasser unterwegs."

Denn mit der in Berlin ansässigen Reederei Riedel, die das erste solarbetriebene Fahrgastschiff, das für den Linienverkehr zugelassen ist, wurde eine Partnerschaft vereinbart. 49 Personen finden auf der 14 Meter langen Sun Cat III Platz, deren Dachfläche mit Solarzellen mit bis zu sechs Kilowatt samt Energiespeicherung besetzt ist. 280 Euro kostet die Stunde, um auf der Spree herumgefahren zu werden.

Weltneuheit eTukTuk

Selbst tätig muss man beim weiteren neuen Angebot werden. Das eTukTuk bietet acht Personen Platz. Doch anders als in Asien, wo die TukTuks zum alltäglichen Straßenbild gehören, wird der eTukTuk halt elektrisch durch die Straßen Berlin chauffiert. Beide Angebote richten sich speziell an Gruppen von Veranstaltungen in dem Hotel, sind aber auch für die Einheimischen buchbar.

Rund fünf bis acht Gespräche führt der an der eMobility Lounge platzierte Concierge über das Thema Elektromobilität, wie Hendrik Schneider, Geschäftsführer von Yoove Mobility, die sich um den reibungslosen Ablauf der Lounge kümmert. Nach einem kurzen Einführungsgespräch "fahren die Gäste mit dem jeweiligen Mobil emissionsfrei durch die Stadt. Bei Wiederkehr kommt es dann meist zu einem weitaus hintergründigen Gespräch über die Elektromobilität."

Lobenberg nimmt diesen Ansatz als praktisches Vorbild und wird ihn bei den Flotten- und Gewerbekunden umsetzen. Rund 300 Gäste kommen zu einem Tag der offenen Tür zur eMo, bei dem nicht nur 19 Pkw, zwei Motorräder sowie drei Pedelecs und zwei Kleinlaster gefahren und somit erfahren werden können. Zudem bietet die Agentur Workshops über das Leasing von Elektrofahrzeugen sowie den wirtschaftlichen Einsatz und die Ladeinfrastruktur an, um dem Ziel internationales Vorbild einem weiteren Schritt entgegenzukommen.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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