«Sollten keine neue Abwrackprämienlösung anstreben»

Rudolf Krebs, Leiter Elektro-Traktion bei Volkswagen

«Sollten keine neue Abwrackprämienlösung anstreben»
Rudolf Krebs (l.) und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. © VW

Rudolf Krebs spricht sich gegen eine Kaufprämie für Elektroautos wie in Frankreich aus. «Ich glaube nicht, dass wir so etwas wie eine neue Abwrackprämienlösung anstreben sollten», sagte der Leiter Elektro-Traktion des VW-Konzerns im Interview mit der Autogazette.

Der Leiter Elektro-Traktion des Volkswagen-Konzerns, Rudolf Krebs, hält nichts von einer Kaufprämie für Elektroautos wie in Frankreich. «Es muss eine Kombination aus Anreizsystemen geben. Die Nationale Plattform Elektromobilität hat sich zur Aufgabe gemacht, Deutschland zu einem Anbietermarkt zu machen. Das bedeutet, dass man vor Ort produzieren muss und entsprechend in die seriennahe Forschung und Pilotprojekte investiert. Hier sollte die staatliche Förderung einsetzen», sagte Krebs im Interview mit der Autogazette.

«Hat sich nie ausgezahlt, Konsum zu fördern»

Krebs sprach sich vielmehr für «fiskalische Anreize wie eine vergünstigte Kfz-Steuer» und bessere Abschreibungsmöglichkeiten aus. «Ich glaube nicht, dass wir so etwas wie eine neue Abwrackprämienlösung anstreben sollten.» Es habe sich noch nie ausgezahlt, Konsum zu fördern. Das sehe man am Beispiel der Solarenergie. «In Deutschland hat man zwar den Endkunden gefördert, doch das Geld wurde in China verdient, weil dort die Solarzellen produziert wurden. » Deshalb brauche man indirekte Kaufanreize, «die wir solange in Form fiskalischer Anreize benötigen, solange der Preis für Elektroautos noch höher ist als die Bereitschaft des Kunden, dafür zu zahlen».

«Haben das Thema nicht vernachlässigt»

Autogazette: Herr Krebs, ärgert es Sie, dass nicht VW als Europas größter Autohersteller die ersten Elektroautos in Serie auf den Markt gebracht hat, sondern die Kollegen von Mitsubishi, Peugeot und Citroen?

Rudolf Krebs: Das ärgert mich überhaupt nicht, so etwas haben wir bereits bei anderen Themen erlebt. Als ich 1996 zu Volkswagen kam, gab es bereits direkteinspritzende Ottomotoren von Mitsubishi. Wenn Sie sich heute den Markt anschauen, dann sind die erfolgreichsten Direkteinspritzer die TSI-Motoren von Volkswagen.

Autogazette: VW-Chef Martin Winterkorn hat betont, dass man sich bei der Elektromobilität weltweit an die Spitze der Bewegung setzen wolle. Ist das überhaupt noch möglich, nachdem man das Thema lange vernachlässigt hat?

Krebs: Ich glaube nicht, dass wir das Thema vernachlässigt haben. Seit den 70er Jahren beschäftigen wir uns im Rahmen unserer Konzernforschung mit Elektromobilität und haben diverse Forschungsfahrzeuge aufgebaut. Wir haben zu jedem Zeitpunkt sehr genau gewusst, wie der Stand der zur Verfügung stehenden Technik ist. In den vergangenen Jahrzehnten haben wir immer wieder Elektrofahrzeuge wie Golf CityStromer und Audi Duo auf den Markt gebracht – und das waren nicht nur Experimentalfahrzeuge. Doch diese Autos wurden damals vom Kunden nicht angenommen. Heute ist das anders: Nicht nur die Kunden verlangen nach Elektroautos, sondern die ganze Volkswirtschaft.

Der Golf blue-e-motion VW

Autogazette: Wie realistisch ist die Ankündigung von Herrn Winterkorn, dass Elektroautos bis zum Jahr 2018 drei Prozent des Gesamtabsatzes von VW ausmachen sollen?

Krebs: Das ist eine sehr realistische Größenordnung. Dabei muss man natürlich sehen, woher die Kunden für Elektroautos kommen. Der Kunde, der heute auf dem Land lebt, wird sich eher kein Elektroauto kaufen. Er wird weiter höchstzufrieden sein mit einem BlueMotion-Diesel oder einem effizienten Ottomotor...

«Für die Stadt ist das ein Segen»

Autogazette: ...Sie haben also eher den Kunden in den Großstädten im Auge...

Krebs: ... absolut. Gerade in den Megacitys sehen wir dramatische Probleme mit Blick auf die individuelle Mobilität. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass die Elektromobilität gerade in Ländern wie China oder Japan, aber auch in südamerikanischen Metropolen, eine riesige Rolle spielen wird. Dort sehen wir teilweise bereits heute katastrophale Verkehrsverhältnisse und eine enorme Umweltbelastung. Mit der Elektromobilität kann man zumindest viele Umweltprobleme in den Griff bekommen. Für die Stadt ist das ein Segen.

Autogazette: Ist China auch für Ihre E-Mobilitätsstrategie der wichtigste Markt?

Krebs: Nun, es ist auf jeden Fall ein Markt, der schnell bedient werden muss. So hat sich die chinesische Regierung selbst zum Ziel gesetzt, bei der Elektromobilität ganz vorne mit dabei zu sein und die eigenen Unternehmen zu befähigen, mit der Elektromobilität selbst erfolgreich zu sein.

Der Lavida blue-e-motion VW

Autogazette: Was heißt, dass Sie den Markt schnell bedienen wollen? Kommt das Elektroauto Lavida früher als 2013 in China auf den Markt?

Krebs: Wir haben in den Joint Ventures verschiedene Fahrzeugkonzepte aufgebaut, um zu zeigen, was möglich ist und diese Auto real zu testen. Welches Fahrzeug kommen wird, darüber wird gerade zusammen mit unseren Joint Venture-Partnern entschieden. Sie können aber sicher sein, dass der Einführungszeitraum der gleiche sein wird wie in Europa.

Autogazette: Also ab dem Jahr 2013?

Krebs: Ja, das ist der Zeitraum, den wir dafür ins Auge gefasst haben.

«Auch mit Elektroautos vermeidet man keine Staus»

Autogazette: Werden die Elektroautos in China dann als VW auf den Markt kommen oder macht man sich Gedanken über eine Submarke?

Krebs: Das ist noch nicht ganz klar, da die Gesetzeslage noch offen ist. Wir haben Informationen, dass die chinesische Regierung den Versuch unternimmt, die Elektromobilität nur dann mit einer Lizenz oder einem Zertifikat zu versehen, wenn sich dahinter eine einheimische Marke befindet. Doch das ist noch in der Diskussion. Unter Umständen kann es also der Fall sein, dass wir unsere Elektroautos in China nicht als Volkswagen auf den Markt bringen, sondern unter einer anderen Bezeichnung.

Autogazette: Machen Sie sich Gedanken, auch Autos für die Megacity anzubieten, die nicht über eine Reichweite von 150 Kilometern wie beim E-Golf verfügen, sondern weniger?

Krebs: Es gibt Hersteller, die der Auffassung sind, dass für Megacitys auch Autos mit geringerer Reichweite reichen. Doch auch mit Elektroautos vermeidet man keine Staus. Und wenn man mit einem Elektroauto beispielsweise bei großer Hitze im Stau steht, verbrauchen Sie elektrische Energie, um ihr Fahrzeug zu klimatisieren. Für solche Fälle sollte man dann entsprechend mehr Energie an Bord haben. Deshalb streben wir eine Reichweite zwischen 150 bis 160 Kilometern an, die in den verschiedenen Ländern auf hohe Akzeptanz stoßen wird.

Autogazette: Der Anspruch von VW ist es, als Mehrmarkenkonzern das Elektroauto für Alle in Großserie zu bringen. Was bedeutet das mit Blick auf den Verkaufspreis? Wird es günstiger sein als ein Mitsubishi i-MiEV, für den 34.390 Euro aufgerufen werden?

Krebs: Die Preise leiten sich natürlich von den Preisen der Batterien ab, die heute noch sehr teuer sind. Wir wollen unsere Konzernstärke dazu nutzen, weltweit die günstigsten Module zu bekommen. Das ist der Anspruch.

«Ein E-Auto lässt sich leichter verleasen»

Der Elektro Up! VW

Autogazette: Was ist denn ein marktfähiger Preis für das Jahr 2013, wenn der E-Golf kommt?

Krebs: Eine schwierige Frage. Meine Vertriebskollegen sind gerade dabei, das herauszufinden. Wir wissen ja noch nicht einmal, ob man die überwiegende Anzahl der Fahrzeuge verkauft oder über Leasingkonzepte vertreibt. Ich denke, dass sich ein E-Auto leichter verleasen als verkaufen lässt. Dann aber das komplette Fahrzeug – und keinen Split zwischen Batterie und dem restlichen Fahrzeug.

Autogazette: Ursprünglich sollte der Kleinwagen VW Up das erste Elektroauto von VW auf dem Markt sein, nun wird es der Golf sein. Warum dieser Sinneswandel?

Krebs: Es gibt keinen Sinneswandel. Es bleibt dabei: Wir bringen Mitte 2013 zunächst den Volkswagen Up! blue-e-motion, kurz darauf den Golf blue-e-motion.

Autogazette: Die Bundesregierung lehnt nach wie vor Kaufanreize für Elektroautos ab. Glauben Sie, dass ein Durchbruch der Elektromobilität ohne Anreizprogramme möglich ist?

Krebs: Ich bin selbst Mitglied im Lenkungskreis der Nationalen Plattform Elektromobilität…

Autogazette: ...und entsprechend desillusioniert...

Krebs: ...nein, so schlimm ist es noch nicht. Wir haben eine Plattform, in der wir übergreifend diskutieren können. Das hilft schon einmal, das Thema voranzubringen.

«Es muss eine Kombination aus Anreizsystemen geben»

Autogazette: Braucht man denn nun Anreizprogramme?

Krebs: Es muss eine Kombination aus Anreizsystemen geben. Die Nationale Plattform Elektromobilität hat sich zur Aufgabe gemacht, Deutschland zu einem Anbietermarkt zu machen. Das bedeutet, dass man vor Ort produzieren muss und entsprechend in die seriennahe Forschung und Pilotprojekte investiert. Hier sollte die staatliche Förderung einsetzen. Ferner sollte es fiskalische Anreize wie eine vergünstigte Kfz-Steuer geben. Zudem müssten die Abschreibungsmöglichkeiten verbessert werden. Ich glaube nicht, dass wir so etwas wie eine neue Abwrackprämienlösung anstreben sollten.

Autogazette: Wieso nicht?

Krebs: Ich halte sie nicht für sinnvoll. In der Regel hat es sich noch nie ausgezahlt, dass man Konsum gefördert hat. Das beste Beispiel ist die Solarenergie. In Deutschland hat man zwar den Endkunden gefördert, doch das Geld wurde in China verdient, weil dort die Solarzellen produziert wurden.

«Werden keine Abwrackprämie 2 sehen»

Rudolf Krebs VW

Autogazette: Für Sie wäre es also nicht zielführend, wenn die Bundesregierung wie in Frankreich 5000 Euro für den Kauf eines Elektroautos bezahlt?

Krebs: Nein, das wäre es nicht, einfach aus der Angst heraus, dass dann das Gleiche passiert wie mit der Solarenergie. Aber hier hat sich die Bundesregierung ja schon entsprechend geäußert. Wir werden keine Abwrackprämie 2 sehen. Was wir brauchen, sind indirekte Kaufanreize, die wir solange in Form fiskalischer Anreize benötigen, solange der Preis für Elektroautos noch höher ist als die Bereitschaft des Kunden, dafür zu zahlen.

Autogazette: Wie beurteilen Sie angesichts der derzeitigen Rahmenbedingungen das Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2020 nicht nur eine Millionen Elektroautos auf den deutschen Straßen zu haben, sondern auch Weltleitmarkt bei der Elektromobilität zu sein?

Krebs: Ich glaube schon, dass das möglich ist. Wir brauchen dafür den Schulterschluss und eine entschlossene Reaktion der Regierung. Die Diskussion mit der Regierung und den beteiligten Ministerien wird fair geführt. Allerdings, das gebe ich gerne zu, sind wir von einer Industrieförderung wie in den USA, wo ganze Batteriefabriken von der Regierung bezahlt werden, weit entfernt.

«Ein Subventionswettlauf macht keinen Sinn»

Ein Blockheizkraftwerk von VW VW

Autogazette: Unterstützen Sie den Vorstoß von Bundesverkehrsminister Ramsauer, der sich bei der Förderung von Elektroautos gegen einen Subventionswettlauf zwischen den europäischen Ländern ausspricht und die Förderung reglementiert sehen will?

Krebs: Auf jeden Fall. Es macht doch keinen Sinn, wenn wir hier in einen Subventionswettlauf eintreten, der die Staatskassen leert. Es kann nicht sein, dass hier der eine Staat gegen den anderen ausgespielt wird. Wir haben ein gemeinsames Europa und wir haben auf vielen Ebenen eine Einigung gefunden, warum soll das nicht auch bei diesem Thema geschehen.

Autogazette: Wer über nachhaltige Mobilität spricht, muss auch über neue Mobilitätskonzepte sprechen. VW tut das nicht. Spielt Car-Sharing für Sie keine Rolle?

Krebs: Auch bei uns gibt es Untersuchungen, inwieweit ein solches Carsharing-Konzept profitabel sein könnte. Das prüfen gerade unsere Kollegen vom Vertrieb. Wir suchen da nach Wegen, ein besseres Geschäft zu machen.

Autogazette: Elektromobilität macht nur mit erneuerbaren Energien Sinn. Derzeit erzeugen die Energieversorger ihren Strom aber vor allem mit Kohle oder Kernenergie. Für Sie ein Problem für den Durchbruch der E-Mobilität?

Krebs: Ich glaube nicht, dass das ein Hemmnis ist. Wir haben einen starken Zuwachs an regenerativen Energien, bei vielen Anbietern können Sie heute schon zertifizierten Naturstrom beziehen. Zudem hat Volkswagen zu meiner Zeit in unserem Werk in Salzgitter ein Blockheizkraftwerk entwickelt, das die Lichtblick AG zukünftig in Tausenden von Häusern einsetzen wird. Diese Blockheizwerke können mit einem Wirkungsgrad von über 90 Prozent Strom erzeugen. Wir machen uns nun darüber Gedanken, wie wir diese Blockheizkraftwerke für die Elektromobilität nutzen können, indem wir sie intelligent mit den Fahrzeugbatterien der Elektrofahrzeuge in ein Zusammenspiel bringen.

Das Interview mit Rudolf Krebs führte Frank Mertens

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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