Von Kosten und Kompetenzen

Vor dem Elektro-Gipfel

Der Elektro-Gipfel der Autobranche mit der Kanzlerin soll die Entwicklung zum E-Auto beschleunigen. Doch die große Unbekannte ist nach wie vor die Batterietechnik. Noch ist sie alles andere als verbraucherfreundlich.

Von Martin Woldt

Bei Volkswagen kann man nie vor einer Überraschung sicher sein. Stand doch letzen Donnerstag plötzlich ein Elektro-Golf vor dem Verkehrsministerium in Berlin, um den Minister Peter Ramsauer zu einer Proberunde abzuholen. Der Rosenkavalier am Steuer war kein geringer als VW-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg. Und wie es scheint, ist es ihm gelungen, Ramsauer sogar ein bisschen schwindlig zu fahren. Jedenfalls berichtete Hackenberg hinterher: „Der heutige Termin diente dem Bundesminister Ramsauer dazu, sich ein Bild vom aktuellen Stand der Technik zu machen. Ich kann mit Stolz sagen, dass er sich von unserer Arbeit sehr beeindruckt zeigte."

Mehr Resultate gefordert

So so. Von Ramsauer selbst gibt es noch kein Statement zu diesem Überfall. Aber dass es weniger um sein Herz als um seine Geldbörse bei dieser Probefahrt ging, hat er sich hoffentlich denken können. Gelten doch er und seine Staatssekretäre als etwas sperrig, wenn es darum geht, den Autoherstellern mit einer mindestens vierstelligen Summe X bei der Einführung, genauer dem Kauf des Elektroautos entgegenzukommen. Man mauert, weil man mit den bislang vorgelegten, üppig geförderten Forschungsresultaten insbesondere in der Batterietechnik unzufrieden ist. Ob der Golf und der bei der Probefahrt angekündigte, demnächst startende Flottenversuch mit dem „Golf blue e motion“daran etwas ändern können?

Geschätzte Parameter

Das Elektroauto iMieV von Mitsubishi Foto: Mitsubishi

Das hinge von einigen Parametern ab, die Volkswagen uns bislang nicht mitteilen konnte oder wollte. In einer allgemeinen Erklärung ist die Rede von einer Lithium-Ionen-Batterie mit einer Speicherkraft von 26,5 Kilowattstunden (kWh), mit der der E-Golf, abhängig vom Einsatz von Klimaanlage oder Heizung, bis zu 150 Kilometer weit fahren soll. Das spricht für den aktuell verbreitetsten Lithium-Akku-Typ, dessen Kosten Fachleute mit ungefähr 1.100 Dollar pro Kilowattstunde veranschlagen, sodass man sich hier wohl einen etwa 25.000 Euro teuren Akku vorstellen muss, der den Golf insgesamt auf mindestens 40.000 Euro verteuert. Nur, um sich mal ein ungefähres Bild zu machen, denn es handelt sich ja noch um einen Prototyp. Gleichwohl zeigt es, wie weit auch Volkswagen noch vom durch die Politik geforderten Leitmarkt fürs Elektromobil und damit vom Verbraucher entfernt ist.

Beleidigter ADAC

Lithium-Ionen-Batterie aus dem S 400 Bluehybrid von Mercedes Foto:Mercedes

Dass das Elektroauto womöglich noch länger eine Verheißung als ein verbrauchertaugliches Angebot ist, dämmerte dieser Tage auch dem ADAC. Etwas verschnupft kündigten die Verbraucherschützer ihre Abwesenheit auf dem Elektromobilitätsgipfel mit der Kanzlerin am kommenden Montag in Berlin an. Man sei sich etwas überflüssig vorgekommen. Weder in den Hintergrundgesprächen, noch in den Podiumsdiskussionen sind die Anwälte des Autofahrers angemessen beteiligt. „Ein Unding“, wie Sprecher Dieter Wirsich findet. „Welche Zeitung man auch aufschlägt, sie sind voll von Geschichten über die Elektromobilität. Es kann nicht sein, dass der Verbraucher da in den Diskussionen am Montag nur eine Nebenrolle spielt.“ Die Wahrnehmung ist nicht von der Hand zu weisen. Womöglich weiß die Autoindustrie, speziell die deutsche, auch nicht, wie sie ihrem Kunden gerecht werden soll. Sie will ihn einerseits zum E-Auto locken, um das Geschäft nicht an andere zu verlieren. Sie muss ihn andererseits auf Distanz halten, denn harte Euros werden vorerst nur mit den Kompetenzen um Diesel und Benziner verdient. Denn mit den Elektro-Kompetenzen ist es noch nicht weit her. Weil im Elektroauto der Motor kaum mehr als ein Nebenaggregat, das Herz aber unbestritten die Batterie ist.

Hälfte des Gesamtpreises

Je nach Konzept und Größe wird bei den als zukunftsträchtig angesehenen Lithium-Ionen-Batterien mit Spannen zwischen 10.000 und 25.000 Euro operiert. Was nicht selten der Hälfte des Gesamtfahrzeugpreises entspricht. Verbraucherfreundlich ist das nicht, hängt aber mit den insgesamt nur unzureichend verstandenen elektrochemischen Abläufen in der Batterie zusammen. So spiegeln sich in den Summen etwa zu zwölf Prozent die Materialkosten wieder. Eingesetzt werden neben Lithium vor allem Kupfer, Aluminium und teure Elektrolyte. Kostenintensiv etwa ist Kobalt, ein seltenes Schwermetall, das unter anderem Probleme beim Recycling macht. Noch teurer ist etwas anderes. Ein gutes Drittel der Kosten sei notwendig, um die Batterie zu wärmen, zu kühlen und im Betrieb zu überwachen, erklärt Dirk Uwe Sauer, Experte für Batterie-Systemtechnik an der Technischen Universität Aachen. „Jede der über hundert Zellen so einer Batterie besitzt einen eigenen Temperatursensor, der sie gegebenenfalls abschaltet, falls sie sich ungewöhnlich stark erhitzt.“ Der Aufwand treibt nicht nur den Preis, er senkt auch den Wirkungsgrad, weil der Eigenverbrauch die Gesamtsystemleistung mindert.

Teure Herstellungskosten

Bereits jetzt wird kabelloses Aufladen von Elektroautos geforscht
Tankstutzen des Smart fortwo e-drive Foto: Mercedes

Auch den Herstellungsprozess solcher Lithium-Ionen-Batterien sieht Sauer als beträchtlichen Kostenfaktor an. „Wir haben es hier mit anspruchsvollen Bedingungen zu tun.“ Basen, Säuren, Metalle, Salze, hohe Potentiale verlangten eine möglichst fehlerfreie Fertigung, die außerdem der Beanspruchung in einem Fahrzeug gerecht werden muss. „Gerade hier haben die asiatischen Hersteller einen erheblichen Vorsprung“, sagt Sauer. In Asien werden von fünf großen Herstellern jährlich etwa zwei Milliarden Zellen für mobile Anwendungen produziert, die sich vom Grundsatz nur wenig von denen in Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos unterscheiden.

Verbreiteter Expertenmangel

Sauer ist der Meinung, dass es einige Zeit dauern könnte, bis auf dieser Ebene der Anschluss gelingt. Was wiederum mit einem anderen eher indirekten Kostenfaktor zusammenhängt. In Deutschland gibt es viel zu wenige Experten, die sich mit der Elektrochemie von modernen Batterien auskennen. „Selbst wenn ich einen neuen Lehrstuhl dafür einrichten wollte, wäre er schwer zu besetzen.“ Als sich die Entwicklung zum Hybrid- und Elektroauto abzeichnete, warben Hersteller wie Volkswagen oder Daimler Experten bei Batterieherstellern wie Varta ab, die sie in den eigenen Reihen schon lange nicht mehr hatten.

Halber Preis bis 2020?

Der Opel Ampera an der Ladestation Foto: Opel

Der Preis der Batterie wird noch auf absehbare Zeit ein Problem bleiben. Erst bei einer Massenfertigung spekulieren die Experten mit günstigeren Kosten. Bis 2020 rechnet das Beratungsunternehmen Boston Consult mit einer Halbierung. Nicht von ungefähr fordern Hersteller und Autoexperten wie Willi Dietz vom Institut für Automobilwirtschaft in Nürtingen-Geislingen deswegen staatliche Subventionen beim Kauf eines Elektroautos. Gegenwärtig rechne sich ein Elektroauto erst nach einer Laufleistung von 150.000 Kilometer. Mit einer Kaufhilfe von 5000 Euro wäre das schon nach 100. 000 Kilometern der Fall.

Kooperation statt Subventionen

Das klingt auch noch nicht nach einer verbraucherfreundlichen Lösung. Aber es würde gewiss etwas den Druck lindern, dem sich die Hersteller unter den gegenwärtigen Bedingungen ausgesetzt sehen. Doch wäre es der geforderten schnellen Entwicklung des Elektroautos dienlich? Etliche Experten sind der Ansicht, dass eine schnellere Entwicklung nur gelingen kann, wenn die Branche insgesamt zu neuen Kooperationsformen findet. „Meine Hoffnung für den Gipfel bei der Kanzlerin wäre, dass es gelingt, die Kräfte besser zu bündeln. Es macht überhaupt keinen Sinn, dass jeder Automobilhersteller in seine eigene Richtung entwickelt“, sagt etwa Dirk Uwe Sauer. Und vielleicht bringt Ramsauer, das ja auf eine Idee, was die am Montag zu gründende „Nationale Plattform für Elektromobilität“ leisten muss, eher er seine Geldbörse zückt.

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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