Elektro-Flieger

Mercedes SLS AMG eDrive

Der neue deutsche Flügeltürer Mercedes SLS ist noch nicht einmal auf dem Markt, da sorgt er bereits für eine echte Sensation. AMG will den Supersportler mit einem Elektroantrieb auf den Markt bringen.

Von Stefan Grundhoff

Ein Supersportwagen mit einem grünen Feigenblatt vor dem Kühlergrill? Das hat es in dieser Liga bisher noch nicht gegeben. Gigantisch war die Aufruhr vor knapp zwei Jahren als Tesla mit einem pfiffigen Elektro-Spaßroadster die Automobilwelt schockte. Der elektrische Tesla ist mittlerweile längst auf dem Markt. Weitere Projekte sind eingestielt und selbst die Daimler AG stieg bei dem kalifornischen Kleinserienhersteller ein, um weitere Stromschneller zu vermeiden. Doch bis zum Jahre 2015 will die sportliche Mercedes-Tochter AMG mit Sitz im schwäbischen Affalterbach selbst ein Elektro-Fass aufmachen. Wenn der Mercedes SLS AMG Mitte September seine Weltpremiere auf der IAA in Frankfurt feiert, werden sich tausende von Besuchern an dem neuen deutschen Flügeltürer die Nase plattdrücken. 6,3 Liter Hubraum, V8-Power, 571 PS, Alukarosse, Doppelkupplung und knapp 320 km/h Spitze sind die Eckdaten von einem Männerspielzeug, wie es lange keines mehr gegeben hat.

Sportliche Speerspitze

«Bis 2015 werden wir den SLS mit einem Elektroantrieb auf den Markt bringen», weiß AMG-Chef Volker Mornhinweg um das Gewicht seiner Aussage, «es war unser erklärtes Ziel, einen eDrive in einem Supersportwagen zu bringen. Natürlich können wir einen SLS eDrive nicht über 300 km/h schnell machen. Aber wir profitieren von dem Allradantrieb, dem tieferen Schwerpunkt und dadurch, dass wir alle vier Räder einzeln ansteuern können.»

Mercedes und AMG haben in den letzten Jahren so manchen Motortrend verschlafen. Damit soll jetzt Schluss sein. AMG will als Speerspitze im Daimler-Konzern zeigen, dass sich sportliche Fahrleistungen und vernünftige Verbräuche nicht ausschließen. Technische Innovationen wie Zylinderabschaltung, Direkteinspritzung und Turboaufladung sollen nur den Anfang machen und den Flottenverbrauch im Hause AMG bis 2012 um 30 Prozent senken. «Auch Hybrid und Elektroantrieb sind für uns nicht tabu. Doch alle unsere Fahrzeuge werden typisch AMG bleiben. Kompromisslos sportlich und PS-stark», blickt Mornhinweg in die Zukunft.

Lautlose PS-Schleuder

Das Modell des SLS eDrive Foto: Daimler

Ein Flügeltürer mit Elektroantrieb und exzellenten Fahrleistungen bot bislang keiner. «Zunächst bietet unser Packaging exzellente Möglichkeiten, den Elektroantrieb in dem Wagen unterzubringen», so Mornhinweg, «man denke nur an den großen Platz, den V8-Triebwerk, Auspuffanlage und Getriebetunnel bieten.» Diese Komponenten im Gesamtgewicht von über 400 Kilogramm sollen bei den ersten Erprobungsträgern bereits Ende des Jahres ausgebaut und Elektromodulen ersetzt werden. Vier radnah angebrachte Elektromotoren leisten beeindruckende 392 kW / 532 PS und ein gewaltiges Drehmoment von 880 Nm, das bereits beim Start anliegt. Das Motorgeräusch: lautlos.

Gespeist werden die vier jeweils 51 Kilogramm schweren Elektromotoren von drei Lithium-Ionen-Akkus. Von den jeweils 140 Kilogramm schweren Akkus ist einer im Vorderwagen, einer unter der Hutablage und einer im Getriebetunnel verbaut. Die vier Elektromotoren und Akkus stammen vom Zulieferer Brusa. Die Akkus haben eine Nennkapazität von 40 Ah und einen Energiegehalt von 48 kWh.

Reichweite bis zu 180 Kilometern

Schmuckes Interieur Foto: Daimler

Von außen deutet allein der taube Doppelauspuff auf den fehlenden Verbrenner hin. Sonst sieht die eDrive-Version aus, wie jeder gewöhnliche SLS. Bei aller Elektrotechnik soll die Fahrdynamik nicht hinter der des Benziners mit seinem V8-Triebwerk und 571 PS zurückstehen. Die Gewichtsverteilung wird bei 48:52 zugunsten der Hinterachse liegen. Das Fahrwerk bleibt dabei von leichten Modifikationen weitgehend identisch. Allein die doppelten Querlenker vorn werden durch an modifiziertes Dämpfersystem ersetzt. «Gerade die fahrdynamischen Möglichkeiten des Antriebs fesseln uns ungemein», so Projektleiter Wolf Zimmermann, «mit Torque Vectoring und schaltähnlicher Rekuperation beim Bremsen werden die bisherigen Erwartungen an ein elektrisch angetriebenes Fahrzeug auf den Kopf gestellt.»

Unter dem Strich wiegen die Elektrokomponenten rund 600 Kilogramm. Heißt, der Mercedes SLS AMG eDrive bringt im Versuchsstadium knapp zwei Tonnen Leergewicht auf die Waage. «Die Höchstgeschwindigkeit des SLS eDrive wird bei über 200 km/h liegen», sagt Volker Mornhinweg, «bei der Reichweite rechnen wir derzeit mit 150 bis 180 Kilometern.» Den Spurt 0 auf 100 km/h soll er Dank Allradantrieb in rund vier Sekunden zurücklegen. Um die Lithium-Ionen-Akkus rund 80 Prozent zu laden, muss man der SLS eDrive bis zu sechs Stunden an die Steckdose. Für die komplette Ladung benötigt man rund acht Stunden. Verfügt der benzinbetriebene Flügeltürer über eine Doppelkupplung mit sieben Stufen, so wird die Kraft des SLS eDrive mit nur einem Gang und der festen Übersetzung von 1:5,5 auskommen.

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