E10-Chaos bringt Umweltminister unter Druck

Brüderle düpiert Röttgen

E10-Chaos bringt Umweltminister unter Druck
Durch Leichtlaufreifen kann der Verbrauch gesenkt werden. © dpa

Das Chaos um die Einführung des Biosprits E10 droht auch für die Bundesregierung zum Fiasko zu werden. Dabei düpiert Wirtschaftsminister Brüderle durch den für Dienstag geplanten Benzin-Gipfel Umweltminister Röttgen.

Für Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) ist die Situation unangenehm. Die Einführung des Biosprits E10 droht zum Fiasko zu werden und Röttgen scheint lediglich zu reagieren. Zudem ließ sich der CDU-Vize von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) auch noch düpieren, der mit der Einberufung des «Benzin-Gipfels» für Dienstag vorpreschte, obwohl Röttgen für die E10-Einführung zuständig ist. Hinter der Kulissen wird nun hektisch nach einem Plan B gesucht, falls die Verbraucher weiter das neue Superbenzin boykottieren.

Klimabilanz von E10 umstritten

Es ist fraglich, ob sich die Autofahrer mit besserer Information noch für das Super Benzin begeistern lassen, zumal die Klimabilanz von E10 umstritten ist. Leute wie ifo-Chef Hans-Werner Sinn prangern Biosprit als teuren Irrweg an. Obwohl die Konkurrenz Tank und Teller von der Regierung bestritten wird, malt die Nahrungsmittelindustrie bereits das Schreckgespenst steigender Lebensmittelpreise wegen E10 an die Wand - weil es für Landwirte oft attraktiver ist, Weizen, Mais oder Zuckerrüben für die Ethanolproduktion zu verkaufen.

Auch deshalb gehört der Bauernverband derzeit zu den besonders eifrigen E10-Verteidigern. Der Verband der Biokraftstoffindustrie (VDB) betont, dass die Getreidekosten bei einem Brot nur etwas über vier Prozent des Endpreises betragen. Jede Seite führt Studien pro und contra Biokraftstoffe an - insgesamt sind die Bürger anders als bei grünen Energieträgern wie Windkraft oder Biogasanlagen hiervon weniger überzeugt, auch weil es um ihr liebstes Gut, das Auto, geht. Sie zweifeln, dass wirklich 93 Prozent der Autos E10 vertragen.

Kunden verunsichert

Viele Bürger tanken nun entgegen jeder Logik das acht Cent teurere Super Plus mit fünf Prozent Ethanol. Zwar lässt sich damit etwas mehr Wegstrecke zurückzulegen, doch dies gleicht die Mehrkosten nicht aus. Die Mineralölindustrie erwischte Röttgen auf dem falschen Fuß, als sie nach der E10-Einführung das alte Super Benzin mit fünf Prozent Ethanol als Schutzsorte für E10-unverträgliche Autos vom Markt nahm und meist nur noch das teurere Super Plus mit 98 Oktan anbietet.

Wenn Röttgens Sprecherin nun betont, man müsse die Industrie beim Einsatz für mehr Verbraucherakzeptanz stärker an die Hand nehmen, stellt sich die Frage, warum dies nicht früher geschehen ist. Röttgen holte zwar früh den ADAC ins Boot, die Opposition betont aber, das Ganze sei insgesamt miserabel vorbereitet gewesen. Die wegen der Libyen-Krise steigenden Spritpreise haben die E10-Krise verschärft.

Röttgen verweist auf 8,5 Millionen Infobroschüren, von denen nun zwei Millionen nachgedruckt werden. Es wäre wohl sinnvoll gewesen, Mineralölindustrie und Autohersteller im Herbst nach der Entscheidung für E10 zu einer umfassenderen E10-Infokampagne zu verpflichten, eventuell auch mit Werbespots. Für die Tankstellenbetreiber wurden laut Regierung lediglich Werbekosten von 129 500 Euro veranschlagt.

Bleibt der aktuelle Zustand bestehen, dürfte Super Plus wegen der Knappheit teurer werden. Zudem drohen Strafzahlungen bei zu wenig verkauftem E10 - die dürften auf die Spritpreise umgelegt werden. Röttgen weist diese Drohung der Benzinbranche energisch zurück.

In Niederlanden gibt es Modellregion

Er betont, die Politik verpflichte die Industrie lediglich zur Einhaltung einer bestimmten Biokraftstoffquote. Nachdem aber die steuerlichen Vorteile für Biodiesel gekappt wurden, beschlossen Regierung, Bundestag und Bundesrat zur Erreichung der Ziele die Beimischung von zehn statt fünf Prozent Ethanol. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, wie in den Niederlanden E10 erst einmal nur in Modellregionen einzuführen und zu schauen, wie es angenommen wird.

Bisher gibt es den Stoff mit zehn Prozent Ethanol an rund 7000 der 15 000 Tankstellen - die weitere Einführung ist erstmal gestoppt, weil Raffinerien auf vollen Tanks sitzen und der Kaufstreik die Produktion durcheinanderwirbelt. Vielleicht würde es helfen, eine Woche lang E10 zum Dumpingpreis anzubieten, um Tanks leer zu bekommen und um den Fahrern Ängste zu nehmen, der Sprit ruiniere die Motoren.

Röttgen ist neben der Mineralölindustrie auch auf die Autobranche nicht gut zu sprechen, die sich nach Meinung der Kritiker zu passiv bei der E10-Umstellung verhält. Denn es ging bei der E10-Einführung letztlich auch um einen Deal mit der Automobilindustrie. Im Gegenzug müssen sie den durchschnittlichen Ausstoß des Klimakillers CO2 bei ihren Autos bis 2012 nicht auf 120, sondern nur auf 130 Gramm pro Kilometer senken. Der Rest soll durch mehr Biosprit erreicht werden. (dpa)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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