Krieg und Krisen: Der lange Traum vom Elektroauto

Krieg und Krisen: Der lange Traum vom Elektroauto
Produktion von E-Autos bei Volkswagen, © VW

Geld vom Staat, Spritpreis-Schock – immer mehr Menschen liebäugeln mit einem E-Auto. Doch bei fast allen Modellen ist aktuell Geduld gefragt.

Mittlerweile dämmert es selbst eingefleischten Verbrenner-Fans, dass dem Elektroauto handfeste Vorteile innewohnen. Anders als von Fahrverboten bedrohte Benziner und Diesel versprechen emissionsfreie Stromer langfristig Planungssicherheit. In puncto Klimaschutz gelten sie ohnehin als bessere Alternative. Dank großzügiger E-Auto-Prämien, Befreiung von Kfz-Steuer sowie kräftig gestiegener Spritpreise sind sie momentan auch finanziell attraktiv. Entsprechend ist das Interesse an E-Autos weiter gestiegen, während sich zeitgleich Engpässe in den globalen Lieferketten verschärfen.

Nicht mehr nur Halbleitertechnik ist knapp, seitdem Ukraine-Krieg fehlen unter anderem Kabelbäume. Statt in Monaten werden für einige Modelle bereits Wartezeiten in Jahren angegeben. Elektropionier Renault hat Ende März in Deutschland sogar einen Bestellstopp für E-Autos auch von Dacia verhängt, ohne konkret zu sagen, wann dieser endet. Soll es kurzfristig ein Stromer sein, bieten sich in vielen Fällen dennoch Chancen, sofern man in Hinblick auf Marke, Modell und Ausstattung nicht wählerisch ist.

Die Auswirkungen der aktuellen Verknappung hat Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer in der März-Ausgabe seines Car-Reports verdeutlicht. Demnach sei der Automarkt gekennzeichnet von Angebotsknappheit und langen Lieferzeiten, vor allem bei E-Autos. „Allein im Februar waren 14 Prozent der Pkw-Neuwagen in Deutschland vollelektrisch. Ohne Lieferengpässe wäre der Anteil noch höher ausgefallen“, heißt es in der Analyse, laut der Lieferzeiten für neue E-Autos auf zum Teil über ein Jahr gestiegen sind. Die Stimmung der Branche sei entsprechend auf ein Zehn-Jahres-Tief gesunken, während die Netto-Preise ein neues Höchstniveau erreicht hätten.

Tesla Model 3 seit April um 7000 Euro teurer

Ein konkretes Beispiel für sogar explodierende Preise bietet derzeit Teslas Model 3, dessen Basisversion sich Anfang April um 7.000 auf fast 50.000 Euro verteuert hat. Speziell mit diesem Preisanstieg fällt parallel die E-Auto-Förderprämie kleiner aus. Sollte sich eine Auslieferung eines neuen E-Autos bis 2023 hinziehen, kann diese sogar noch deutlich sinken. Nach jetzigem Stand wird nämlich die Innovationsprämie – das ist die im Sommer 2020 eingeführte Verdoppelung der Umweltprämie von 3.000 auf 6.000 Euro – nur noch bis Ende 2022 gewährt. Wer also ein neues E-Auto erst nach dem 1. Januar 2023 zulassen kann, muss möglicherweise auf 3.000 Euro Förderung verzichten.

Wie genau sich die E-Auto-Prämie ab dem kommenden Jahr ausgestalten wird, bleibt vorerst offen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat Ende 2021 lediglich eine Neuausrichtung angekündigt, ohne die Pläne jedoch zu konkretisieren. Angesichts der sich aktuell weiter verschärfenden Lieferzeiten-Problematik stehen Neuwagenkäufer also vor einer äußerst unbefriedigenden Entscheidungshemmnis. Dabei wurde die Innovationsprämie doch eingeführt, um in möglichst kurzer Zeit möglichst viele E-Autos auf die Straße zu bringen.

Von Seiten der Autoindustrie werden deshalb verbindliche Lösungen für Verbraucher angemahnt. Stellvertretend für die Branche fordert Joachim Damasky, Geschäftsführer beim Verband der Automobilindustrie (VDA), die Bundesregierung auf, Klarheit zu schaffen: „Wichtig ist, dass der Kunde beim Kauf eine zuverlässige Aussage über die Auszahlungen des staatlichen Anteils am Umweltbonus bekommt. Änderungen der Förderrichtlinie oder Verzug bei den Lieferzeiten dürfen nicht zum Risiko für die Käuferinnen und Käufer werden. Es handelt sich ja um grundlegende Fragen der Investitionsentscheidung.“

Trend zu deutlich längeren Lieferzeiten

Verfügbar sind – wenn überhaupt – fast nur noch Modelle, die aktuell bei den Händlern stehen. Foto: SP-X

Auch die Hersteller verweisen auf die politische Dimension. Opel will zum Beispiel derzeit keine genauen Angaben hinsichtlich Lieferzeiten machen. Hier heißt es: „Wir setzen alles daran, unsere Kunden bestmöglich zu beliefern. Jedoch kann es bei einigen Modellen – auch bei Plug-in-Hybriden und Elektrofahrzeugen – derzeit zu längeren Lieferzeiten kommen.“ Darüber hinaus ruft die seit 2017 zum Stellantis-Konzern gehörende Traditionsmarke die Politik dazu auf, speziell in Hinblick auf die Innovationsprämie Planungssicherheit für Kunden zu schaffen. „Wir setzen uns daher seit längerem aktiv dafür ein, bei der Regelung ab sofort auf das Kaufvertragsdatum abzustellen.“

Mercedes weist darauf hin, dass die Elektro-Offensive höchste Priorität habe, jedoch alle Kundengruppen derzeit von Lieferverzögerungen betroffen seien und im Rahmen einer flexiblen Auslieferungssteuerung versucht werde, Wartezeiten bestmöglich zu begrenzen. Bei BMW heißt es wiederum, dass die Wartezeit von durchschnittlich vier Monaten speziell für neue Elektromodelle wie i4 oder iX nicht gelten, jedoch detaillierte Angaben Momentaufnahmen seien. Ähnlich äußert man sich bei Audi. Auch hier seien starke Schwankungen abhängig von Modell und Ausstattungen möglich. Zugleich werden jedoch durchschnittliche Lieferzeiten für den E-Tron/E-Tron Sportback und E-Tron GT/RS E-Tron GT von 5 bis 6 Monaten sowie speziell für Q4 und Q4 Sportback E-Tron von 1 bis 1,5 Jahren genannt.

Etwas schneller geht es bei Porsche. Die Wartezeiten lagen hierzulande zuletzt für Taycan Sport Limousine und Taycan Sport Turismo bei drei bis vier Monaten, beim Taycan Cross Turismo mit maximal einem halben Jahr etwas höher. Porsche schränkt allerdings ein: „Aktuell müssen wir unsere ursprüngliche Auslieferungs-Planung wegen der Einschränkungen unserer Produktion durch die kriegerische Auseinandersetzung in der Ukraine anpassen. Es ist bereits absehbar, dass es bei einigen Modellen, wie dem Taycan, zu erhöhten Wartezeiten kommen wird.“

Viele Hersteller halten sich bedeckt

Opels Schwestermarken aus dem Stellantis-Konzern stellen zum Teil ebenfalls zeitnahe Lieferungen in Aussicht. Fiat kann einen 500e in 3 bis 4 Monaten bereitstellen. Bei Peugeot ist der e-208 in 4 bis 5 Monaten und der e-2008 in 7 bis 8 Monaten lieferbar. DS Automobiles kann den DS 3 Crossback E-Tense in 4 bis 5 Monaten ausliefern. Bei Citroen wird im Fall des ë-C4 die Auslieferung bis Ende 2022 garantiert und für ë-Berlingo sowie ë-Spacetourer für Ende 2022 in Aussicht gestellt.

Heterogene Aussagen kommen auch von japanischen Herstellern. So werden neu im Werk zu bestellende Exemplare des Honda e im ersten Quartal 2023 geliefert. Im Fall des Mazda MX-30 werden erst ab April wieder Bestellungen entgegengenommen, die ab Juni ausgeliefert werden. Nissan hofft, Kunden mit dem mittlerweile vorbestellbaren Airya ab Sommer bedienen zu können, wird dies allerdings erst im Jahresverlauf genauer einschätzen können. Wer einen Nissan Leaf neu bestellt, kann diesen noch bis November/Dezember bekommen. Zum Townstar EV von Allianzpartner Renault macht Nissan keine Angaben.

Bestellstopp für Kleinstwagen des VW-Konzerns

Bei den Volumenmarken des VW-Konzerns sind die Wartezeiten mittlerweile lang. Für den von Seat, VW und Skoda angebotenen Kleinstwagen Mii/Up/Citigo wurde wieder einmal ein Bestellstopp verhängt. Bei Modellen auf Basis des Modularen E-Antriebs-Baukasten MEB, hierzu gehören VW ID.3 oder Skoda Enyaq iV, kann sich die Auslieferung laut einer Analyse von Autobild und Carwow 10 bis 15 Monate hinziehen.

Auch bei den chinesischen Herstellern muss man zum Teil lange Wartezeiten hinnehmen. Laut MG Motors variieren Lieferzeiten abhängig von Ausstattungen. Der ZS EV soll nach maximal 6 Monaten verfügbar sein, im Fall des Marvel R Electric sind bis zu 9 Monate möglich. Aiways will jetzt bestellte U5 August/September ausliefern, das Schwestermodell U6 soll drei Monate nach dem Bestellstart im Sommer verfügbar sein. Bei der schwedisch-chinesischen Marke Polestar ist das Modelljahresangebot aktuell ausverkauft. Neu konfigurieren und bestellen lassen sich Fahrzeuge erst nach dem Markteinführung des überarbeiteten Polestar 2 ab Ende April. Bei der Schwestermarke Volvo will man sich nicht so konkret festlegen. Wer einen XC40 oder C40 mit zwei Motoren will, wird wahrscheinlich noch im Herbst bedient. Bei Varianten mit einem Motor könnte es bis Anfang 2023 dauern. Grundsätzlich wird eine Verschiebung von +/- 2 Monaten nicht ausgeschlossen.

Vergleichsweise kurzfristig liefern können Hersteller aus Korea. Bei Hyundai befinden sich mehrere hundert sofort verfügbare E-Autos im Handel. Nur noch über diesen Weg kann man den nicht mehr individuell bestellbaren Ioniq Elektro bekommen. Für Kona Elektro und Ioniq 5 heißt es: Lieferzeit ab 4 Monaten. Bei Konzernschwester Kia, die aktuell e-Soul und EV6 anbieten, sind es laut Autobild/Carwow 9 bis 12 Monate. (SP-X)

Keine Beiträge vorhanden