Besitzer älterer Diesel können auf neue Angebote zum Schutz vor Fahrverboten in deutschen Städten hoffen. Für Motor-Nachrüstungen fehlen aber grundlegende Kostenzusagen der Autobauer.
Die Bundesregierung macht deswegen Druck auf die Konzerne, die vollen Kosten dafür zu übernehmen. Solche Umbauten gehören wie neue Kaufprämien für sauberere Wagen zu einem Paket mit zusätzlichen Maßnahmen für Regionen mit besonders schmutziger Luft, auf das sich die große Koalition nach langem Streit verständigt hat. Davon sollen vorerst Besitzer von bis zu 1,4 Millionen Diesel-Pkw profitieren.
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sprach am Dienstag von einem „Riesenschritt“, Einschränkungen der Mobilität zu verhindern. Für Diesel-Fahrer solle es keine zusätzlichen, unangemessenen Belastungen geben. Dies sei sehr wichtig, nachdem es teils Panikmache gegeben habe. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) äußerte sich überzeugt, dass die Autoindustrie nun die ihr gebotene Chance nutzen werde, um verloren gegangenes Vertrauen in den Diesel zurückzugewinnen.
Neue Angebote für 14 betroffene Städte
[poll id=“15″]Vorgesehen sind neue Angebote bezogen auf 14 besonders betroffene Städte mit hohen Grenzwertüberschreitungen bei der Luftbelastung mit Stickstoffdioxid (NO2): München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Düren, Hamburg, Limburg an der Lahn, Düsseldorf, Kiel, Heilbronn, Backnang, Darmstadt, Bochum und Ludwigsburg. Darüber hinaus kommen Städte in Betracht, in denen demnächst Fahrverbote kommen könnten – dies betrifft unter anderem Frankfurt am Main. Einbezogen werden sollen auch Bewohner der angrenzenden Landkreise und beliebig entfernt wohnende Pendler, die in der Stadt arbeiten. Ebenso Selbstständige mit Firmensitz in der Stadt und Fahrzeughalter mit besonderen Härten.
Damit mehr schmutzige ältere Diesel von den Straßen kommen, sollen neue Kaufanreize kommen. Laut Bundesregierung haben die deutschen Hersteller zugesagt, für Besitzer von Wagen der Abgasnormen Euro 4 und Euro 5 „ein Tauschprogramm mit attraktiven Umstiegsprämien oder Rabatten“ anzubieten. BMW will bis zu 6000 Euro zahlen, Daimler bis zu 10.000 Euro, VW 4000 bis 8000 Euro. Damit solle der „besondere Wertverlust, den Diesel-Fahrzeuge durch die Debatte um deren Schadstoffausstoß erlitten haben, ausgeglichen werden“, betont die Koalition. Gekauft werden können Neuwagen und auch Gebrauchte. Auch von den ausländischen Herstellern werden Prämien erwartet. So zahlt Renault eine Umtauschprämie von bis zu 10.000 Euro.
Nachrüstlösungen vorgesehen
Für Euro-5-Diesel in den stark belasteten Regionen soll als zweite Möglichkeit der Einbau zusätzlicher Abgasreinigungstechnik am Motor ermöglicht werden. Wenn Besitzer eine solche Hardware-Nachrüstung wollen und Systeme verfügbar sind, erwartet der Bund „vom jeweiligen Automobilhersteller, dass er die Kosten hierfür einschließlich des Einbaus übernimmt“, wie es in dem Koalitionsbeschluss heißt. Die Haftung sollen die Nachrüstfirmen übernehmen.
Scheuer sagte, dass mit den Autobauern auch zu finanziellen Fragen aber noch Gespräche zu führen seien. BMW wolle keine Nachrüstungen, Daimler habe erklärt, sich dies überlegen zu können, wolle sich aber auf neue Prämien konzentrieren. Volkswagen sei bereit, wolle jedoch nicht die kompletten Kosten tragen. Dies hatte die Bundesregierung aber verlangt. Schulze betonte, die gesamte Regierung bis hin zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe sich eindeutig gegenüber der Branche positioniert. Sie glaube, dass das Signal angekommen sei.
Daimler will sich an Hardware-Nachrüstung beteiligen
Wie Daimler am Dienstagabend mitteilte, werde man sich auch an einem Hardware-nachrüstungsprogramm der Bundesregierung beteiligen. „Dies gilt für eine zertifizierte und zugelassene Hardware-Nachrüstung, die Halter von Mercedes-Benz Fahrzeugen durch einen Drittanbieter durchführen lassen, sofern die Nachrüstung nachweislich dazu berechtigt, in Städte mit Fahrverboten einzufahren. Die genaue Spezifikation des Programms wird noch geklärt“, heißt es in einer Presseerklärung von Daimler.
Volkswagen erklärte, man gehe davon aus, „dass die Bundesregierung sicherstellt, dass sich alle Hersteller an den entsprechenden Maßnahmen beteiligen“. Die Umsetzung hänge von Lösungen von Nachrüsterfirmen ab, die vorliegen, zugelassen und dauerhaft haltbar sein müssten. Volkswagen-Betriebsratschef Bernd Osterloh begrüßte, dass ein einseitiger Weg mit pauschalen Hardware-Nachrüstungen vom Tisch sei. „Das ist eine gute Nachricht für die Sicherheit unserer Arbeitsplätze.“ BMW teilte mit, Nachrüstungen dauerten zu lange. Sie könnten Gewicht, Leistung, Verbrauch und CO2-Ausstoß verschlechtern.
ADAC: Hersteller müssen nun liefern
Der Autofahrerclub ADAC forderte, die Hersteller müssten nun liefern. „Erst wenn deren Angebote verbindlich auf dem Tisch liegen, wissen die Verbraucher, was die Beschlüsse der Koalition wert sind.“ Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller, sagte, leider blieben wichtige Fragen offen. Ein Paket aus technischen Nachrüstungen und Rabatten könne sinnvoll sein. „Aber wenn die Autohersteller nicht mitziehen, haben Verbraucher nichts gewonnen.“ Der Chef der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, sagte, es sei ein „Mäuschen“ geboren worden. „Die Umtauschprämie ist ohne Effekt für die Luftreinhaltung, und die Nachrüstung ist ein frommer Wunsch.“
Hintergrund für die neuen Maßnahmen ist zu schmutzige Luft in vielen deutschen Städten. Diesel-Abgase sind ein Hauptverursacher dafür. Daher drohen Fahrverbote für ältere Diesel. In Hamburg sind schon zwei Straßenabschnitte für sie gesperrt. In Stuttgart ist 2019 ein großflächiges Einfahrverbot geplant. Kürzlich hatte ein Gericht auch Fahrverbote für die Innenstadt der Pendlermetropole Frankfurt am Main ab 2019 angeordnet. Die EU-Kommission macht ebenfalls Druck und will Deutschland per Klage beim Europäischen Gerichtshof zur Einhaltung der Grenzwerte zwingen, die schon seit 2010 verbindlich sind.
Um mögliche Fahrverbotszonen organisieren und kontrollieren zu können, will der Bund für besonders stark betroffene Städte einheitliche Rechtsregeln schaffen. Eine besondere Kennzeichnung etwa mit einer blauen Plakette sei dafür nicht erforderlich. (dpa)