«Elektromobilität vom Thema Kernkraft trennen«

Interview Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber

Für die zukünftig steigende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen bedarf es keiner neuen Kernkraftwerke. «Die Elektromobilität sollte von diesem Thema vollkommen getrennt betrachtet werden», sagte Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber im Interview mit der Autogazette.

Das Zeitalter der Elektromobilität wird nicht auf Knopfdruck beginnen. «Man sollte aber nicht den Fehler machen zu glauben, dass Elektromobilität erst in ferner Zukunft kommt, denn die Weichen werden heute gestellt. Und dabei spielen Elektro-Testflotten und -Kleinserien eine enorm wichtige Rolle», sagte Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber im Interview mit der Autogazette.

«Verbrennungsmotoren mit Hightech-Komponenten»

Wie Weber hinzufügte, werde es «bis zum Durchbruch der Elektromobilität weiter effiziente Verbrennungsmotoren mit Hightech-Komponenten wie beispielsweise einem Hybrid und andere Technologien geben. Bereits diese werden die Verbräuche maßgeblich reduzieren».

«Erdölreserven sind endlich»

Autogazette: Herr Weber, Daimler hat 40 Prozent seines zehnprozentigen Anteils am US-Elektroautobauer Tesla an seinen Großaktionär aus Abu Dhabi verkauft. Warum?

Thomas Weber: Es war von Anfang an geplant, diese Beteiligung auf eine breite strategische Basis zu stellen und das in Verbindung mit möglichst konkreten Projekten. Das haben wir nun mit der Weitergabe des Anteils an Tesla eingeleitet.

Autogazette: Ging es auch darum, Ihre finanzielle Beteiligung an Tesla auf zwei Schultern zu verteilen.

Weber: Sicherlich auch, denn nun haben wir mehr eigenes Geld zur Verfügung, um es in andere Projekte zu investieren.

Autogazette: Ist das Thema Elektromobilität für Ihren Partner deshalb interessant, weil man die Endlichkeit der Erdölreserven sieht?

Weber: Eindeutig, das ist der große Beweggrund unseres Partners für den Einstieg bei Daimler gewesen. Er weiß, dass die Erdölreserven endlich sind, deshalb schaut man bereits heute nach Alternativen. Die Bevölkerung soll sich schon jetzt, wo noch alle Quellen sprudeln, auf eine neue Zeitrechnung einstellen, zum Beispiel auf alternative Antriebskonzepte und emissionsfreie Mobilität.

«Verfolgen Desertec mit großem Interesse»

Energiegewinnung aus der Kraft der Sonne, hier ein Parabolspiegel in der Nähe von Lase Vegas Foto: dpa

Autogazette: Welche Bedeutung misst Daimler auf dem Weg zur Elektromobilität dem Energieprojekt Desertec bei, der Gewinnung von Solarstrom aus der afrikanischen Wüste?

Weber: Wir wissen, dass die Mobilität der Zukunft aus einem Antriebsmix bestehen wird. Doch emissionsfreie Mobilität wird es nur elektrisch geben. Damit ist klar, dass Elektroantriebe Strom benötigen. Vor diesem Hintergrund ist Desertec ein sehr interessantes Vorhaben, wie umweltfreundlich Strom erzeugt werden kann. Wir verfolgen dieses Ökostrom-Projekt deshalb auch mit großem Interesse.

Autogazette: Nach dem Störfall im AKW Krümmel erleben wir eine Diskussion um Laufzeitverlängerungen. Braucht es Kernkraftwerke für die zukünftige steigende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen?

Weber: Nein, die Elektromobilität sollte von diesem Thema vollkommen getrennt betrachtet werden. Elektromobilität wird in einer langsamen Kurve wachsen. Schon heute wissen wir, dass es für eine Million Elektrofahrzeuge, die es nach einer visionären Prognose bis 2020 in Deutschland geben soll, ausreichend Strom gibt. Es geht vielmehr darum, wie der Bedarf intelligent und mittels neuer Konzepte gesteuert wird.

Autogazette: Und dazu können Elektrofahrzeuge dienen...

Ein Smart an der Steckdose Foto: Smart

Weber:...genau. Elektrofahrzeuge können als Stromspeicher eine prima Option werden. Um es klar zu sagen: Für Elektrofahrzeuge brauchen wir keine zusätzlichen Kernkraftwerke.

Autogazette: Sie starten Ende des Jahres in Berlin mit RWE das Projekt mit dem Elektro-smart. Mit RWE haben sie sich einen Partner ausgesucht, der stark auf Kohle setzt. Tun die Energieversorger derzeit genug, um regenerativen Strom anzubieten?

Weber: Meines Erachtens wird hier bereits viel getan - sicher ist dies aber erst der Anfang. Energieversorger weisen zu Recht darauf hin, dass flächendeckende Elektromobilität - Stand heute - rein regenerativ noch nicht darstellbar ist. Umso wichtiger sind Projekte, wie die Beteilung von RWE an Desertec oder «e-mobility Berlin». Dort wird RWE in einem ersten Schritt an den Ladestationen ausschließlich grünen Strom einsetzen.

«Werden gleitenden Übergang erleben»

Das Concept-Car BlueZero von Mercedes Foto: Daimler

Autogazette: Gaukeln die Hersteller mit Blick auf die Serienreife der Elektromobilität den Kunden eigentlich etwas vor, was sie kurzfristig nicht halten können?

Weber: Das Zeitalter der Elektromobilität wird sicher nicht auf Knopfdruck beginnen. Man sollte aber nicht den Fehler machen zu glauben, dass Elektromobilität erst in ferner Zukunft kommt, denn die Weichen werden heute gestellt. Und dabei spielen Elektro-Testflotten und -Kleinserien eine enorm wichtige Rolle. Daimler setzt alles daran, diese Technologien so schnell wie möglich in der Großserie und damit für unsere Kunden verfügbar zu machen.

Autogazette: Aufgrund des hohen Preises und der noch nicht perfekten Batterietechnologien dürfte eine schnelle Marktreife kaum möglich sein.

Weber: Wir werden einen gleitenden Übergang erleben, der mit Skalen- und Synergieeffekten verbunden sein wird. Bis zum Durchbruch der Elektromobilität wird es weiter effiziente Verbrennungsmotoren mit Hightech-Komponenten wie beispielsweise einem Hybrid und andere Technologien geben. Bereits diese werden die Verbräuche maßgeblich reduzieren. Bei der Mercedes E-Klasse kommen wir schon heute auf einen Verbrauch um die fünf Liter.

«Marktstart 2015»

Die Mercedes B-Klasse F-Cell Foto: Daimler

Autogazette: Sie starten Anfang 2010 ein Brennstoffzellenprojekt mit einer Kleinserie der Mercedes B-Klasse in Hamburg. Ab wann wird sie in den Verkaufsräumen stehen?

Weber: Ich gehe vom Jahr 2015 aus, aber auch die Infrastrukturfrage muss bis dahin geklärt sein. Klar ist aber: Eine wichtige Säule in unserer Roadmap zu nachhaltiger Mobilität werden Elektrofahrzeuge sein und das umfasst neben Brennstoffzellen- auch Batteriefahrzeuge. Dabei werden wir unsere Antriebe so flexibel und modular auslegen, dass wir mit ein und demselben Fahrzeugkonzept unterschiedliche Reichweiten erzielen können: mit der Batterie 200 Kilometer, mit der Brennstoffzelle 400 Kilometer und dem Range Extender über 600 Kilometer, davon dann 100 emissionsfrei. Dadurch erzielen wir Economy of Scales, kommen durch größere Mengen also auf bessere Kostenpositionen und damit letztendlich zu attraktiveren, marktfähigen Preisen.

Das Interview mit Thomas Weber führte Frank Mertens

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