«Halte in einer globalisierten Welt nichts von Strafzöllen»

Dacia-Deutschlandchef Thilo Schmidt

«Halte in einer globalisierten Welt nichts von Strafzöllen»
Thilo Schmidt hinter dem Steuer eines Dacia Duster. © Dacia/Weigelt

Der Dacia Spring ist mit rund 17.000 Euro das günstigste Elektroauto auf dem Markt. Deutschlandchef Thilo Schmidt spricht im Interview u.a. über erschwingliche E-Mobilität, Strafzölle und seine ambitionierten Absatzerwartungen.

Die Renault-Tochter Dacia ist auf Erfolgskurs. Und der soll sich auch in diesem Jahr trotz eines schwierigen Marktumfelds fortsetzen, wie Deutschlandchef Thilo Schmidt im Interview mit der Autogazette sagte.

Nachdem die Marke im 2023 auf 68.585 Neuzulassungen kam, soll dieser Absatz in diesem Jahr übertroffen werden. „Wir wollen das Triple schaffen, also drei Rekordjahre in Folge erzielen – und das beim Privat- und Gesamtmarktanteil. Dabei wollen wir unser Wachstum nicht nur im Privatmarkt schaffen, sondern auch im gewerblichen Bereich“, sagte Schmidt.

Perspektivisch traut Schmidt der mit Modellen wie dem Duster und dem 2025 kommenden Bigster zu, in zwei Jahren einen Absatz von 100.000 Einheiten zu erreichen.

«Ende der Förderung war echte Herausforderung»

Autogazette: Herr Schmidt, die E-Mobilität kriselt. Im April wurden gerade einmal 29.668 E-Autos neu zugelassen. Das sind 0,2 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Was bedeutet das für den neuen Dacia Spring?

Thilo Schmidt: Wir bringen die ersten Autos erst im September in den Handel, bis dahin ist noch etwas Zeit. Aber das abrupte Ende der Förderung im Dezember vergangenen Jahres war eine echte Herausforderung. Die Nachfrage nach Elektroautos wurde über Nacht abgeschnitten.

Autogazette:darauf haben Sie schnell reagiert…

Schmidt: …ja, wir hatten bereits eine große Anzahl von bestellten Fahrzeugen im Handel, weshalb wir schnell die Entscheidung getroffen haben, die Kundinnen und Kunden abzusichern. Dazu haben wir einen Elektrobonus von 10.000 Euro ausgerufen. Damit haben wir für den erfolgreichen Abverkauf des alten Dacia Spring gesorgt.

«Europaweit für gleichen Preis entschieden»

Der neue Dacia Spring kostet rund 17.000 Euro. Foto: Dacia

Autogazette: Nun steht der neue Spring in den Startlöchern – ohne Kaufprämie.

Schmidt: …korrekt, und deshalb habe wir lange darüber nachgedacht, wie wir den neuen Dacia Spring einpreisen. Europaweit haben wir uns für den gleichen Preis entschieden.

Autogazette: …und der liegt für die Einstiegsvariante mit 44 PS bei 16.900 Euro deutlich unter dem des Vorgängers.

Schmidt: Genau, in allen Ländern fahren wir die gleiche Listenpreisstrategie. Mit diesem Preis bieten wir das günstigste Elektroauto am Markt an. Viele Hersteller haben günstige E-Autos angekündigt, wir bieten sie.

Autogazette: Angesichts dieses Preises wird es keine weiteren Incentivierungen mehr geben?

Schmidt: Zum Start haben wir bereits entschieden, den neuen Dacia Spring für diesen Preis mit einem Null-Prozent-Angebot beim Leasing oder der Finanzierung zu kombinieren. Wir werden darüber hinaus den Markt beobachten und reagieren, falls notwendig.

«Bestellbücher haben wir gerade erst geöffnet»

Autogazette: Trotz Krisenstimmung sind Sie also mit Blick auf den Absatz optimistisch?

Schmidt: Ja. Natürlich ist die E-Mobilität nach dem Wegfall der Kaufprämie kein Selbstläufer, aber ich denke, dass wir schon jetzt etliche Kaufanträge sehen werden, obwohl das Auto noch nicht im Handel ist. Die Bestellbücher haben wir gerade erst geöffnet.

Autogazette: Und, wie sind die Absatzerwartung für den Spring?

Schmidt: Um dazu etwas sagen zu können, müssen wir den September abwarten. Dann stehen die Autos beim Händler. Ich bin angesichts des Preises und unserer Leasing- und Finanzierungskonditionen zuversichtlich, dass wir schon zuvor einige Kaufanträge sehen werden. Wir sind überzeugt vom Auto – und ich denke, es wird uns überraschen.

Autogazette: Jede Ihrer Baureihen setzt mindestens 10.000 Einheiten ab…

Schmidt: …stimmt, das lasse ich jetzt mal mit Blick auf den Spring für 2023 so stehen.

«Wissen um Wettbewerb und das, was kommen wird»

Dacia-Deutschlandchef Thilo Schmidt befindet sich mit der Marke auf Erfolgskurs. Foto: Dacia/Weigelt

Autogazette: Es gibt mittlerweile den Dacia Spring, den Citroen e-C3 für knapp über 23.000 Euro und den Renault 5 für 25.000. Haben die Hersteller verstanden, dass es endlich bezahlbare E-Mobilität braucht?

Schmidt: Gerade bei den Kundinnen und Kunden ist der Kauf eines Fahrzeugs in den unteren Segmenten ein Preiskauf. Von daher kam unsere Entscheidung nicht von ungefähr, den Preis bei 16.900 Euro zu setzen. Wir wissen um den Wettbewerb und das, was kommen wird. Für uns gehört es seit jeher zum Markenkern, den Menschen weiterhin erschwingliche Mobilität anzubieten. Wir wollen Elektromobilität für alle, deshalb sind all unsere Entscheidungen immer auch preisgebunden.

Autogazette: Worauf führen Sie die momentane Nachfrageschwäche bei der E-Mobilität zurück, vor allem auf den Wegfall der Kaufprämie?

Schmidt: Für mich ist es ein Cocktail verschiedener Gründe. Klar spielt da auch der Wegfall der Kaufprämie die tragende Rolle, aber auch die konjunkturelle Situation. Dass die Regierung die Kaufprämie abrupt gestoppt hat, war unverständlich und die Botschaft, die man damit an den Verbraucher gesendet hat, war verheerend. Am Gesamtabsatz sieht man, dass der Automarkt volatil ist. Wir verkaufen keine drei Millionen Autos mehr, sondern 2,8 Millionen. Die Prioritätensetzung der Politik ist schwer nachvollziehbar. Auf der eine Seite will man den Absatz der E-Mobilität fördern, doch man streicht die Prämie, dafür erhöht man die Preisschwelle bei Dienstwagen, damit diese noch in den Genuss des Steuervorteils kommen.

«Bewegen uns auf Wachstumskurs»

Autogazette: Der Spring wird in China gebaut. Besorgt Sie das Thema der Strafzölle, die die EU für chinesische E-Autos verhängen wird?

Schmidt: Wir werden uns mit der finalen Entscheidung auseinandersetzen. Persönlich halte ich in einer globalisierten Welt nichts von Strafzöllen. Aber egal, was für Störfeuer auch kommen werden, mit Dacia bewegen wir uns auf dem konsolidierten deutschen Markt auf Wachstumskurs. Wir werden unseren Beitrag für die Gruppe, den Markt und auch die Technologie weiter leisten, um den Menschen weiterhin bezahlbare Mobilität zu liefern.

Autogazette: Glauben Sie, dass wir ab 2025 noch weitere bezahlbare E-Autos geben wird, auch von den Chinesen?

Schmidt: Wir gehen stark davon aus, dass wir ab 2025 weitere bezahlbare E-Autos unter 20.000 Euro geben wird, auch von den chinesischen Herstellern. Die bisher mit Blick auf den Absatz in den zurückliegenden Monaten noch nicht wirklich überraschen konnten. Deren Wettbewerbsfähigkeit muss man aber Ernst nehmen.

«Wir haben eine spezielle Positionierung»

Autogazette: Der Restwert dürfte dann auch eine wichtige Rolle spielen…

Schmidt: Exakt, hier müssen die chinesischen Hersteller erst einmal beweisen, einen guten Restwert abzuliefern. Wir zeigen das seit Jahren. Wer heute beispielsweise einen drei Jahre alten Dacia Duster verkauft, erhält dafür den ehemaligen Listenpreis. Wer vor fünf, sechs Jahren einen Dacia Dokker gekauft hat, der verkauft ihn heute sogar über dem damaligen Listenpreis. Wir haben damit eine spezielle Positionierung, die niemand kopieren kann. Sprich, einen Dacia zu kaufen, kann man auch als gute Wertanlage bezeichnen.

Autogazette: 2023 konnten Sie mit 68.585 Neuzulassungen ein Plus von 13,6 Prozent erzielen. Wo sehen Sie die Marke Ende des Jahres?

Schmidt: Gehen Sie davon aus, dass wir weiterwachsen werden. Um wieviel Prozent? Wir werden es sehen. Eines ist klar: Wir wollen das Triple schaffen, also drei Rekordjahre in Folge erzielen – und das beim Privat- und Gesamtmarktanteil. Dabei wollen wir unser Wachstum nicht nur im Privatmarkt schaffen, sondern auch im gewerblichen Bereich. Der Gewerbemarkt steigt: hier punkten wir mit niedrigen Listenpreisen, hohen Restwerten und guten Leasingkonditionen. So bieten wir beispielsweise den Sandero zum Einstieg für knapp 100 Euro ohne Anzahlung an. Derzeit haben wir im Gewerbe gerade einmal einen Anteil von 0,8 Prozent, aber ich traue uns ohne Weiteres 1,5 Prozent zu. Das sind dann auch einige Tausend Einheiten.

«Der Duster schafft uns sichere Zulassungen»

Auf Wunsch der Kunden nicht größer geworden: die dritte Generation des Dacia Duster. Foto: Duster

Autogazette: Welche Rolle spielt der neue Duster, den sie gerade vorgestellt haben?

Schmidt: Eindeutig eine ganz große. Mit dem Duster werden wir Eroberungsraten erzielen, die wir so noch nicht gesehen haben. Wenn Sie mich jetzt nach den Absatzerwartungen fragen wollen, kann ich sie gar nicht beantworten. Selbst wenn wir 100 Prozent mehr verkaufen könnten, bekommen wir die gar nicht in diesem Jahr geliefert, weil die Nachfrage nach dem neuen Duster weltweit in allen Märkten so hoch ist. Im vergangenen Jahr hatten wir über 18.000 Duster allein in Deutschland abgesetzt. Der Duster schafft uns sichere Zulassungen, doch die Wachstumstreiber werden andere Modelle sein wie der Sandero. Er ist das zweitbestverkaufte Auto im Privatmarkt in Deutschland nach fünf Monaten hinter dem VW T-Roc und vor dem VW Golf.

Autogazette: Der Duster wird auch als Hybrid angeboten. Mit welchem Anteil rechnen Sie?

Schmidt: Beim Jogger hatten wir 30 Prozent, beim Duster dürften es so 25 Prozent werden.

«Sehe Marke von 100.000 Einheiten erreichbar»

Autogazette: Wo sehen Sie die Marke Dacia auf dem deutschen Markt in zwei Jahren?

Schmidt: Ich sehe die Marke von 100.000 Einheiten erreichbar, wenn wir die neuen Modelleinführungen im C-Segment abgeschlossen haben. Im Jahr 2025 wird der Bigster für einen weiteren Nachfrageschub sorgen. Er wird der Marke den nächsten Kick geben. Den Weg für den Erfolg des Bigster wird dabei der neue Duster ebnen, der den Kunden zeigt, was unsere neue Markenidentität zu bieten hat.

Das Interview mit Thilo Schmidt führte Frank Mertens

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