Greenpeace: EU-Beschluss bremst Klimaschutz spürbar

Aufschub bei CO2-Flottengrenzwerten

Greenpeace: EU-Beschluss bremst Klimaschutz spürbar
Für die Erreichung der Klimaschutzziele braucht es eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen. © dpa

Ab diesem Jahr gelten die neuen CO2-Flottengrenzwerte in der EUn. Hersteller, die sie verpasst hätten, hätten Strafzahlungen leisten müssen. Nun haben sie dafür mehr Zeit. Kritik kommt von Greenpeace.

Angesichts drohender CO2-Strafen bekommen Europas Autobauer mehr Zeit, um EU-Klimavorgaben einzuhalten. Das Europaparlament stimmte am Donnerstag in Straßburg für eine entsprechende Lockerung.

Formell müssen die EU-Staaten die Entscheidung noch billigen, sie hatten sich am Mittwoch aber bereits für eine Verschiebung ausgesprochen. Damit folgen die beiden Institutionen einem Vorschlag der EU-Kommission, wonach Grenzwerte nicht mehr jährlich eingehalten werden müssen, sondern die Unternehmen drei Jahre Zeit bekommen.

Wenn VW, Mercedes, BMW oder andere Unternehmen die Vorgaben in diesem Jahr überschreiten, werden sie nicht automatisch zur Kasse gebeten. Sie können Strafen ganz vermeiden, wenn sie in den beiden Folgejahren die EU-Regeln übererfüllen.

Autobranche setzt sich durch

Der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht in dem Aufschub einen ersten wichtigen Schritt. «Politisches Handeln bedeutet, nicht nur Ziele zu setzen, sondern auch deren Erreichung zu ermöglichen», sagte Verbandspräsidentin Hildegard Müller der Deutschen Presse-Agentur. Die Rahmenbedingungen in vielen Bereichen seien unzureichend, Ziele sollten grundsätzlich flexibler gestaltet werden.

Angesichts globaler Herausforderungen und der momentan schleppenden Nachfrage nach E-Autos gebe es weiteren Handlungs- und Gesprächsbedarf. Als Beispiele nannte Müller unter anderem den Ausbau der Ladeinfrastruktur, die Strompreise, die Halbleiterversorgung und die Batterieproduktion. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standortes dürfe nicht weiter vernachlässigt werden.

CO2-Ausstoß von 93,6 g/100 km sind 2025 erlaubt

Hintergrund der drohenden Strafen für die ohnehin angeschlagene Industrie sind Flottengrenzwerte, die einen Durchschnittswert an CO2-Ausstoß pro Auto erlauben. Mit Beginn des Jahres haben sich diese gesetzlichen Vorgaben verschärft. 2024 lag der Grenzwert bei 115,1 Gramm CO2 pro Kilometer, pro Fahrzeug – gemessen anhand des sogenannten WLTP-Testverfahrens. Für dieses Jahr liegt er bei 93,6 Gramm und soll 2030 auf 49,5 Gramm sinken.

Im Schnitt aller in der EU in einem Jahr zugelassenen Fahrzeuge darf dieser Grenzwert nicht überschritten werden. Für zu viel ausgestoßenes CO2 müssen die Hersteller Strafe zahlen. Weil sich unter anderem der Absatz für E-Autos nicht so gut entwickelt hat wie früher prognostiziert wurde, könnten Autobauer die Grenzwerte deutlich überschreiten. Allerdings hat sich der E-Autoabsatz in den zurückliegenden Monaten deutlich erholt. Allein in Deutschland kommen E-Autos im April auf einen Zulassungsanteil von fast 19 Prozent, legten im Vormonat um 54 Prozent zu. Die vor allem für die deutsche Wirtschaft entscheidende Branche steht unter Druck.

Konkurrenz aus China und USA

Zunehmend machen den Herstellern Firmen aus China und den USA Konkurrenz. Dort haben Unternehmen die Umstellung auf die E-Mobilität schneller geschafft. Hinzu kommt, dass die Autohersteller derzeit stark vom Handelskonflikt mit den USA betroffen sind. Die von US-Präsident Donald Trump ausgesprochenen Zölle auf Autos und Automobilteile von 25 Prozent waren Anfang April in Kraft getreten.

Die Vereinigten Staaten sind für die deutsche Automobilbranche einer der wichtigsten Handelspartner: Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts nahmen die USA mit 13,1 Prozent der Exporte so viele Pkw ab wie kein anderes Land. Fast jeder dritte Porsche und jeder sechste BMW wurde 2024 in Nordamerika verkauft, bei VW, Audi und Mercedes-Benz lag der Anteil jeweils bei 12 bis 15 Prozent. Aber auch auf dem deutschen Markt ist die Lage angespannt. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr laut Kraftfahrt-Bundesamt rund 2,8 Millionen Autos in Deutschland neu zugelassen. Das war etwa ein Prozent weniger als im Jahr davor und rund ein Viertel weniger als 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie.

Sorgenkind Verkehr

Im Verkehrssektor gibt es bislang deutlich weniger Fortschritt beim Klimaschutz im Vergleich zu anderen Bereichen. Zwar sanken die Emissionen im Verkehr in Deutschland nach Angaben der Denkfabrik Agora Energiewende um zwei Millionen Tonnen gegenüber dem Vorjahr. Das sei aber etwa auf geringeren Lkw-Verkehr wegen der Wirtschaftsflaute zurückzuführen.

«Der CO2-Flottengrenzwert ist das wichtigste Instrument des Klimaschutzes im Verkehrsbereich und erweist sich als effektiv», teilte Felix Creutzig vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung mit. Dies zeige sich vor allem darin, dass Autohersteller Elektroautos vermehrt und verbilligt anböten, um Werte zu erreichen. Eine Flexibilisierung bedeute, dass mehr CO2 ausgestoßen werde. Creutzig war Mitglied im Expertenbeirat Klimaschutz von Ex-Verkehrsminister Volker Wissing und ist Mitglied des Nachhaltigkeitbeirats von Mercedes.

Europaabgeordnete von CDU/CSU, SPD und FDP begrüßen die Lockerung. Sie sehen darin eine notwendige Unterstützung der Industrie.

Kritik von Greenpeace und Grünen

Vehemente Kritik kommt von Grünen und Greenpeace: «Eine schlechtere Ansage kann das EU-Parlament der strauchelnden europäischen Autobranche nicht machen», kritisierte Lena Donat, Verkehrsexpertin von Greenpeace. „Du liegst im 1000-Meter-Lauf eine halbe Runde zurück und der Trainer schlägt ein Päuschen vor, statt dich anzufeuern. Eine schlechtere Ansage kann das EU-Parlament der strauchelnden europäischen Autobranche nicht geben. Dieser Beschluss wird den Rückstand der europäischen Autohersteller auf dem Zukunftsmarkt E-Mobilität weiter vergrößern“, so Donat.

Wie sie hinzufügte, würde die zuletzt deutlich gestiegenen Zulassungszahlen für E-Autos zeigen, wie wirksam die EU-Flottengrenzwerte sind. „Wer sie jetzt abschwächt, nimmt den Druck von den Herstellern, kleine und bezahlbare Stromer zu entwickeln. Das lenkt mitten im Wandel der Autoindustrie Geld in eine sterbende klimaschädliche Technik. Den Klimaschutz wird das spürbar bremsen, das Angebot attraktiver E-Autos aus Europa zurückwerfen.“ (dpa)

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