«Deutschland verhält sich wie die Axt im Walde»

Blockade der EU-CO2-Regelung

«Deutschland verhält sich wie die Axt im Walde»
Je nach Verbrennungsmotor wird mehr oder weniger Feinstaub ausgestoßen © dpa

Der scheinbar gefundene Kompromiss ist doch nicht auf Konsens gestoßen. Eigentlich sollten am Donnerstag die neuen EU-Klimaregelungen beschlossen werden – bis Angela Merkel zum Telefon griff.

Deutschland geht bei den umstrittenen Klimaauflagen für Autos auf Blockadekurs. Auf deutschen Druck hin verschoben die EU-Botschafter eine eigentlich für Donnerstag geplante endgültige Festlegung. Von deutscher Seite hieß es, die Auflagen seien noch nicht entscheidungsreif. Eine Abstimmung gab es nicht, Irland als Vorsitz der EU-Staaten vertagte das Thema. Mehrere Botschafter hätten um Verschiebung gebeten, hieß es. Die EU hatte erst Anfang der Woche einen Kompromiss zu Grenzwerten für das Treibhausgas Kohlendioxid erreicht.

Massiver Einfluss durch Deutschland

In Brüssel war zu hören, Deutschland habe massiven Einfluss auf die anderen EU-Staaten ausgeübt, um eine Verzögerung der Entscheidung zu erreichen. Ein EU-Diplomat sagte, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich habe zum Hörer gegriffen und unter anderem Irlands Premierminister Enda Kenny angerufen.

Sein Land hat als EU-Ratspräsidentschaft eine wichtige Rolle bei der Organisation des politischen Kalenders. Möglicherweise werde Deutschland später einen neuen Vorschlag machen.

Harte Kritik von Greenpeace und VCD

Die Umweltverbände, die den am Dienstag ausgehandelten Kompromiss bereits kritisiert hatten, verschärften nun den Ton. "Der lang und hart erarbeitete Kompromiss kam den Dinosauriern der Autoindustrie bereits weit entgegen. Diesen jetzt noch in allerletzter Sekunde platzen zu lassen, um noch mehr Aufweichungen zugunsten deutscher Luxusautos zu erhalten, ist ein klarer Affront", sagte VCD-Verkehrsexperte Gert Lottsiepen, "ohne Rücksicht auf den Klimaschutz und gegen die Interessen der Verbraucher sowie der Zulieferindustrie marschiert Bundeskanzlerin Angela Merkel durch. Damit wird Kanzlerin Merkel eindeutig zur Anführerin des Feldzuges von Daimler und BMW."

Noch schärfer reagierte Lottsiepen Kollege von Greenpeace, Wolfgang Lohbeck: "Deutschland verhält sich in der EU wie die Axt im Walde. Zugunsten deutscher Industrieinteressen pfeift Merkel auf europäische Diplomatie und schlägt brutalstmöglich einen Kompromiss kurz und klein, der mühsam über Jahre verhandelt wurde. Und fast alle EU-Länder kuschen vor ihren Einschüchterungen."

Autofahrer zahlen die Zeche

Lohbeck sieht den Kompromiss nun vor dem Aus. "Die Premiumhersteller können somit höhere Profite auf Kosten des Klimaschutzes einfahren ohne Strafzahlungen befürchten zu müssen."

Nachteile jenseits des Klimas müssten nun die Verbraucher befürchten. "Sie zahlen die Rechnung für Merkels Vorstoß jeden Tag an der Tankstelle. Sie müssen auf sparsamere Autos warten, Innovationen werden hinausgeschoben." (AG/dpa)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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