Die Auto China ist mittlerweile die wichtigste Automesse der Welt. Warum das so ist, kann man in diesen Tagen in Peking beobachten, wo sich Tausende durch die Messehallen schieben.
In den Messehallen auf der Auto China sind wuselige Herren in dunklen Anzügen unterwegs. Darunter sind viele aufgebrezelte junge Damen zu sehen, die lauthals ins Handy tiktoken. Vor den Messeständen mit den vielen großen Fahrzeugen tummeln sich Menschenansammlungen. Erstmals seit 2019 findet die Auto China nach der coronabedingten Pause wieder statt. Ein klein wenig erinnert diese Messe an die großen Jahre der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt in den 1990ern.
Es ist kein Zufall, dass sich die Messe in der chinesischen Hauptstadt zur wichtigsten Automobilveranstaltung der Welt gemausert hat. Das Reich der Mitte ist nicht nur der größte Absatzmarkt, hier sitzt auch das größte Innovationskapital und -potenzial. Während sich früher General Motors, Toyota, Volkswagen und keine Handvoll weiterer Hersteller um den Weltmarkt balgten, sind es heute BYD, GWM, Dongfeng, SAIC, Geely, oder GAC, die den arrivierten Autobauern aus der alten Welt gerade im wichtigen Heimatmarkt mit mehr als einer Milliarde potenzieller Kunden den Rang ablaufen.
Chinesen erfüllen Erwartungen
Auf den Straßen Pekings oder Wuhans ist deutlich zu sehen, wie die ausländischen Hersteller an Marktanteilen verloren haben. Und das liegt nicht nur am Preis. Die Xaomis oder Voyahs spiegeln den heutigen Stand der Automobiltechnik wider und erfüllen in Sachen Design und Größe exakt die Erwartungen ihrer Landsleute. Dabei spielt der Preis eher eine Nebenrolle. Die meisten der unzähligen Hersteller und Marken, die auf der Autoschau zu sehen sind, sind keine fünf Jahre alt – und die meisten wird es in fünf Jahren nicht mehr geben, darin sind sich Beobachter der Szene einig.
Etwas paradox: Die große Dynamik und die große Volatilität des chinesischen Marktes schützen den europäischen im Moment vor der übermächtigen Konkurrenz. Denn die hat genug damit zu tun, den Heimatmarkt zu bedienen beziehungsweise die Marktanteile zu verteidigen. Für Expansion bleibt wenig Spielraum. Dies gilt insbesondere für die oft geäußerte Befürchtung von Automobilexperten, dass die Chinesen den deutschen und europäischen Markt mit billigen Elektroautos überfluten könnten und damit die europäischen Hersteller noch mehr in die Defensive drängen könnten als sie es ohnehin schon sind.
Große Familienkutschen sind gefragt
Die Suche auf der Messe nach vollelektrischen Autos, die in China in der Klasse bis etwa 15.000 Euro spielen, verläuft fast im Sand. Gefragt sind stattdessen riesige Familienkutschen, martialisch anmutende Monster-Geländewagen und Edel-SUV-Coupés vom Schlage eines Xiaomi SU7.
Die Präsentation dieses Porsche-Taycan-Konkurrenten aus der Fabrik des Smartphone Herstellers mutete in Bejing fast schon wie die kultige Präsentation eines Apple-Telefons an und der Gang des Xiaomi-Chefs Jun Lei von Stand zu Stand erinnerte eher an den Auftritt eines Popstars, denn an den Arbeitsbesuch eines Kollegen und Konkurrenten. Ähnlich schaute es bei Great Wall Motor aus, als Unternehmenschef Wei Jianjun BMW-Chef Oliver Zipse die neusten Modelle der Marke präsentierte. Die Chinesen kooperieren mit den Münchnern beim Antriebsstrang für den elektrischen Mini.
Antrieb ist zweitrangig
Die Debatte über die Antriebsart von Autos hat China (noch) nicht erreicht. „Für die chinesischen Kunden ist es nicht relevant, wie die Kraft zur Fortbewegung erzeugt wird. Beim Auto zählen Größe, Aussehen und Preis-Leistungsverhältnis“ erklärt Gao Yuan, Director of Voyah Global Business, einer Marke von Dongfeng, dem weithin unbekannten, gleichwohl sechstgrößten Autoherstellers der Welt, der auch den eben in Europa lancierten Geländewagen M-Hero sowie die Großraumlimousine Dream und den SUV Free als vollelektrische Fahrzeuge im Angebot hat.
Der Konzern plant eine Expansion nach Europa, will das aber Schritt für Schritt angehen. Man scheut insbesondere die Kosten für den Aufbau eines Händlernetzes und die teure Ersatzteillogistik im Verhältnis zum erwarteten Gewinn.
Die gilt auch für GAC (Guangzhou International Automobile Corporation), einem Autokonzern mit gut 96.000 Beschäftigten, der mit seiner Elektromarke Aion konkretere Pläne für Europa hegt. Wayne Wie, General Manager, will den Einstiegs-SUV „Y plus“ ab September in Europa verkaufen, im nächsten Frühjahr soll die Großraumlimousine „V“ folgen. Für das kleinere Auto werden jedoch deutlich mehr als 30.000 Euro fällig werden, für das größere ist die Preisgestaltung noch unklar, in China beginnt die Liste bei umgerechnet rund 30.000 Euro.
Taxen werden elektrisch
Den übrigen Großherstellern, allen voran Branchenriese BYD (Build Your Dreams), der in China ein Drittel des Marktes für Elektrofahrzeuge bedient, ließen sich auf Messe in Bejing keine belastbaren Planungen für Europa entlocken.
Dass auch alles ganz anders kommen kann, ist in China allerdings auch Teil der Normalität. So hatte VW mit dem Santana einst quasi das Monopol für Taxis in der 22-Millionen-Stadt Bejing. Bis die Staatspartei Ende 2022 im Rahmen eines Fünfjahresplans die CO2-Neutralität aller Taxis bis Ende 2025 verordnete. Da 2021 die Lebensdauer eines Taxis auf sechs Jahre begrenzt wurde, haben bereits heute die allermeisten Taxifahrer ihren Santana gegen ein vollelektrisches Auto getauscht, das auf den passenden Namen „Bejing“ hört. Sehr zum Ärger von Volkswagen. (SP-X)