Nicht jeder kann und möchte Motorradfahren. Eine Alternative ist ein Dreirad wie die des Herstellers Can-Am.
Dreiräder sind in unserer von Vier- und Zweirädern dominierten Verkehrswelt immer noch etwas Exotisches. Aus der Vielzahl dreirädriger Vehikel ragen die Modelle von Can-Am zum einen wegen ihrer extrovertierten Aufmachung mit zwei Vorderrädern, zum anderen wegen der damit verbundenen ungewöhnlichen Fahrdynamik heraus.
Ein großes Hallo gibt es, wenn diese seltene Spezies geballt auftritt wie bei der Großglockner Challenge, dem jährlichen Come-together der europäischen Can-Am-Familie: Gleich 239 der raren Vehikel sorgen bei der Anfahrt zu Österreichs berühmtester Alpenstraße für offene Augen und Münder am Straßenrand.
Einstieg bei 11.000 Euro
Die Dreiradfamilie von Can-Am umfasst drei Modelle: Das Einstiegsmodell Ryker ab 11.000 Euro, den Roadster Spyder F3 ab 26.300 Euro und den Top-Tourer Spyder RT, der ab 34.000 Euro zu haben ist. Das Interessante an allen dreien: Sie bieten ein Frischluft-Fahrerlebnis irgendwo zwischen Motorrad und Cabrio, sind aber alle mit dem PKW-Führerschein fahrbar, sofern 21 Lebensjahre zusammengekommen sind.
Während der Ryker von einem 82 PS starken Dreizylinder-Reihenmotor mit 900 ccm angetrieben wird, verfügen die beiden Spyder-Modelle über einen Dreizylinder mit 1330 Kubik Hubraum, der für 115 PS gut ist. Bei Can-Am handelt es sich um eine Untermarke des kanadischen Offroad-Spezialisten Bombardier Recreational Products (BRP), zu dem ebenfalls der österreichische Motorenproduzent Rotax in Gunskirchen gehört, der die Antriebe zuliefert.
Dreirad als Hingucker
Grundsätzlich drehen sich die Köpfe nach allen Can-Am-Dreirädern um, doch der Spyder F3-S sticht mit rotem Rahmen und gefrästen 10-Speichen-Felgen nochmals hervor. Seine kraftstrotzende Attitüde kulminiert im mächtigen Kühler und der LED-Scheinwerferbatterie unterm Lenker, der zwei weitere LEDs an der Seite und auf den Radabdeckungen angebrachte LED-Blinker assistieren. Von vorn bietet der F3-S eine unverwechselbare Silhouette, doch auch in der Seitenansicht ergibt sich eine selten erblickte Perspektive mit klarem Massezentrum vorn.
Dahinter sitzt der Pilot in einer tiefen Kuhle und genießt die gute Lendenunterstützung hinter dem ausladenden Vorbau. Unterschiedliche Staturen tragen fünffach verstellbare Fußrasten und ein verstellbarer Lenker Rechnung. So hat man immer die Lenkerenden fest im Griff, die Füße ruhen auf mächtigen Rasten.
Starten geht nicht auf die Schnelle
Zum Starten des Triebwerks ist eine sicherheitsorientiere Prozedur zu durchlaufen mit mehrfacher Bestätigung und Lösen der Feststellbremse, dann geht der Dreirad-Spaß los. Wie beim Motorrad kommandiert der Gasgriff die Vehemenz des Vortriebs, eine Schaltwippe am linken Lenker sortiert die sechs Gänge des Doppelkupplungsgetriebes nahtlos. Drei übergeordnete Fahrmodi steuern das Ansprechverhalten, die Leistungsabgabe und den Eingriff der Assistenzsysteme, die auf dem Spyder ordentlich zu tun bekommen.
Dazu gehören eine dynamische Lenkunterstützung, Traktionskontrolle, ein ABS und die Stabilitätskontrolle SCS, die ähnlich dem ESP beim PKW für eine sichere Straßenlage sorgen und übereifrige Aktionen schnell und sicher einfangen. Das Fahren selbst gestaltet sich anders als bei einem Einspurfahrzeug oder einem PKW, die Kurvenfahrt nach ordentlich Zug am Lenker, dann flitzt der 428 Kilo schwere Spyder wie auf Schienen durchs Eck. Je schneller die Fahrt und um so enger die Kehren, desto tatkräftiger fällt die Mitarbeit aus – hier erinnert der Dreier an ein fahraktiv bewegtes Gokart.
Gute Federung sorgt für guten Komfort
Im Gegensatz zu diesen besorgen gefederte Radaufhängungen vorn und hinten aber einen durchaus angenehmen Fahrkomfort. Dank der hochwertigen Sachs-Federelementen verliert frostgeschädigtes Geläuf seinen Schrecken, auf Temposchwellen sie bewahren die Besatzung vor Bandscheibenschäden. Hier kann vor allem die Front überzeugen, während das Einzelrad am Heck trotz 13,2 Zentimeter Federweg eher straff agiert.
So liegt der Kanadier selbst bei höheren Geschwindigkeiten satt und vertrauenerweckend auf dem Asphalt, und wird’s dann doch mal zu doll, fängt ein Tritt aufs Fußbremspedal die Fuhre wieder ein: Dieses betätigt alle drei Scheibenbremsen gleichzeitig, wobei sich die beiden Vierkolben-Festsattelzangen von Brembo an der Vorderachse besonders hervortun.
Display misst 10,25 Zoll
In weniger adrenalinfördernden Momenten gefällt der Blick auf das neue 10,25-Zoll-Touchscreen-Display, das über BRP Connect und die neue Einbindung von Apple CarPlay ein neues Bedienungs- und Anzeigeniveau inklusive Navigation erreichen soll – bei unserer Testfahrt war die Integration noch nicht vollständig abgeschlossen. So puristisch der Spyder F3-S auch daher kommt, zum Einkaufsbummel taugt das Gefährt dank des in der Schnauze untergebrachten Stauraums, der 24,4 Liter Fassungsvermögen aufweist. Wer sich dabei in der Parklücke vermanövriert hat, nutzt den eingebauten Rückwärtsgang.
Wer mehr Tourenkomfort sucht, wird bei den großen Spyder RT-Modellen fündig. Bei gleicher Motorisierung komme diese mit einem Gepäcksystem, einem Windschild und umfangreicherer Ausstattung. In Deutschland und Österreich können alle Can-Ams ab 21 Jahren mit dem Pkw-Führerschein (B) gefahren werden, sofern das Portemonnaie das benötigte Kleingeld hergibt – ganz günstig ist das unvergleichliche Fahrerlebnis mit dem extrovertierten Dreirad ja nicht. (SP-X)