Mit dem BYD Atto 2 bringen die Chinesen ihr erstes Modell im B-Segment. Beim Test macht es einen guten Eindruck. Doch ein Aspekt ist nicht erfreulich: es ist die geringe Ladeleistung.
Jetzt mal Butter bei die Fische: Wie halten Sie’s denn mit chinesischen Autos? Geht gar nicht, oder super, weil günstig? Wenn Sie zur zweiten Fraktion gehören, dann könnte der neue BYD Atto 2 einen näheren Blick wert sein. Zum Preis von 32.000 Euro stellen die Chinesen im Spätsommer ein 4,31 Meter langes, sehr gut ausgestattetes Elektro-Auto in ihre Schauräume. Der Atto 2 trifft im hart umkämpften Segment der kompakten Familien-SUV auf starke Konkurrenten wie Citroen e-C3 Aircross, Kia EV3 oder Peugeot e-2008.
Mit dem Unterschied, dass man beim BYD-Händler einige Tausender weniger über den Tresen schiebt. Händler? So ungewohnt der Begriff im Zusammenhang mit den normalerweise nur online vertriebenen China-Autos ist – BYD hat tatsächlich 28 Stores und will bis Jahresende in Deutschland 90 weitere einrichten. Echte Servicebetriebe, bei denen man die Autos nicht nur anfassen, sondern Probe fahren, warten und reparieren lassen kann. Was BYD-Managerin Maria Grazia Davino genau plant, hatte sie erst kürzlich im Interview mit der Autogazette gesagt.
Gute Ausstattung bereits in der Basis

Denn die eher müde gestarteten Chinesen wollen endlich auch die Kunden in Deutschland elektrisieren. Bereits das Basismodell Active kommt mit Wärmepumpe, elektrisch verstellbaren Kunstledersitzen, Panoramadach und großem, drehbaren Bildschirm sowie der üblichen Armada an Fahrhelfern. Selbst eine 220-Volt-Steckdose ist an Bord. Über die Vehicle-to-Load-Funktion (V2L) kann man beispielsweise beim Picknick eine Kaffeemaschine anschließen oder nach der Radtour die Bikes aufzuladen. Sitz- und Lenkradheizung, Handy-Ladeschale, Parksensoren, 360-Grad-Kamera und elektrisch klappbare Spiegel gibt’s in der 3.000 Euro teureren Boost-Ausstattung.
In den Fahrzeugboden packt BYD wie üblich eine sogenannte Blade-Batterie. Blade heißt Schwert und deutet darauf hin, dass der Akku aus langen, rechteckigen Zellen besteht. Die stecken nicht in Modulen, sondern platzsparend aneinandergeschmiegt in einem festen Batterierahmen, der Teil der Karosseriestruktur ist. Die Batterie soll absolut feuersicher sein und eine sehr hohe Energiedichte besitzen.
Kleiner Akku, geringe Ladeleistung
Und hier kommen wir zum ersten Knackpunkt: Der Akku ist nur 45 kWh groß. In der Stadt müsste das für 300 Kilometer reichen, zumindest im Sommer. Für Kurzstreckenfahrer kein Problem, muss man eben öfters beim Einkaufen nachladen, was mit dem 11-kW-Bordlader auch zügig gehen sollte.
Aber Urlaubsreisen werden wenig Freude machen. Denn die maximale Ladeleistung beträgt 65 kW. Zwar werben die Chinesen damit, dass sich der Akku in knapp 40 Minuten von 10 auf 80 Prozent bringen lässt. Doch damit bunkert man eben auch nur Strom für die nächsten 200 Kilometer. Ladesäulen findet das Navisystem dann über Google Maps auch schnell, aber eine vernünftige E-Routenplanung ist im Bordsystem nicht integriert.
Überhaupt wirkt das Bedien- und Infotainmentsystem nicht ausgereift. Zwar finden sich viele Apps auf dem großen Touchscreen, aber das verschachtelte Menü und die Bedienung sind wenig durchdacht. Zwei Beispiele: Der Bildschirm lässt sich zwar teilen, doch nur in Landkarte und Spotify. Radio- und Streaminginfos oder die Telefonfunktion in Kombination mit der Karte gibt es nicht. Und wer einen Radiosender sucht – die Sprachsteuerung hilft da nicht weiter – muss die Straßenkarte wegklicken. Das wäre kein Problem, wenn dann im Cockpit wenigstens ein Pfeil die Richtung angeben würde. Und warum die unübersichtlichen digitalen Instrumente Geschwindigkeit (wichtig) und Motorleistung (unwichtig) gleich groß anzeigen, weiß nur der Programmierer in Shenzhen.
Leistung liegt bei 177 PS
Aber genug gemeckert, ab auf die Testrunde: Und die fällt dann doch positiv aus. Die gut konturierten Sitze sind bequem und auf der Rückbank haben auch Erwachsene mit langen Beinen viel Platz. Der 177 PS starke Stromer zieht ordentlich los, lässt aber beim starken Tritt aufs Strompedal vor allem auf nasser Straße die Vorderräder immer wieder durchdrehen. Es gibt nicht nur die üblichen drei Fahrprogramme Eco, Normal und Sport, sondern auch ein Programm für Regen und Schnee. Auch die Rekuperation lässt sich zweistufig verstellen – etwas umständlich im Untermenü der Fahrprogramme –einen großen Effekt hat das aber nicht.
Der wendige, komfortabel gefederte Wagen ist weniger auf schnelle Kurven als aufs Cruisen ausgelegt und könnte ein unspektakulärer, harmonischer Alltagsbegleiter sein. Wären da nicht die übereifrigen Fahrhelfer, die immer wieder am Lenkrad zupfen und einen auf Kurs bringen wollen.
400 Liter Kofferraumvolumen
Zum Ende der Testfahrt ein schneller Blick in den mit 400 Litern klassenüblichen Kofferraum. Der Boden lässt sich auf Höhe der Ladekante einbauen, sodass schwere Sachen nicht aus dem tiefen Loch gelupft werden müssen. Darunter bleibt Platz fürs Kabel, einen Frunk hat der Atto 2 nicht. Doch Vorsicht, die Heckklappe schwingt nicht allzu weit auf. Über 1,70 Meter große Menschen laufen Gefahr, sich beim Beladen eine Beule zu holen.
Was bleibt, ist ein zwiespältiger Eindruck. Eigentlich ist der Atto 2 zu groß für ein Stadtauto, das nur als Zweit- oder gar Drittwagen genutzt wird. Für einen Allrounder lädt er zu langsam und Reichweite fehlt. Wer die will, muss bis Herbst warten, dann kommt die 39.900 Euro teure Version mit 420 Kilometern Radius. Wirklich nervig ist die Bedienung. Aber Chinesen lernen bekanntlich schnell und man kann davon ausgehen, dass sie die Kinderkrankheiten des Bordsystems schnell per Update ausmerzen. (SP-X)